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Am 17. Juni 1953 demonstrieren Berliner mit wehenden Fahnen gegen die DDR-Verhältnisse.

© picture alliance / dpa

67 Jahre nach dem DDR-Aufstand: Darf Politik am 17. Juni in einem alten SED-Gebäude tagen?

Am 17. Juni 1953 wurde der DDR-Volksaufstand niedergeschlagen. Dass der Bezirk heute im Haus des „Neuen Deutschland“ tagt, verbietet sich, findet unser Autor.

Am heutigen Mittwoch ist mal wieder 17. Juni, jener Gedenktag, der ein wenig in Vergessenheit geraten ist, seit er zugunsten des 3. Oktober entfeiertagt wurde. Wer noch von sich aus aufmerkt, wenn das Datum genannt wird, der ist entweder sehr alt, eingeborener West-Berliner oder hatte Glück mit dem Geschichtsunterricht.

Selbstverständlich gibt es viele, die den Tag gern ganz aus dem Gedächtnis streichen würden, denn das Geschehen an diesem Tag im Jahr 1953 steht massiv der Auffassung im Weg, es könne so etwas wie „demokratischen Sozialismus“ geben.

Heute tagt nun die BVV Friedrichshain-Kreuzberg, und sie tut das nicht im angestammten Saal, der coronabedingt zu klein ist, sondern ist umgezogen ins Gebäude des „Neuen Deutschland“ am Franz-Mehring-Platz.

Die Zeitung, das „SED-Zentralorgan“, wurde dort seit 1974 gemacht, sitzt noch heute im Gebäude mit illustren Nachbarn wie den Politsekten KPD und DKP. Und die Immobilie, zur Hälfte Eigentum der Linkspartei, ist auch Tagungszentrum.

Das ist kein Skandal, aber hat ein kräftiges Geschmäckle – Datum oder Ort, eins davon ist zu viel. Das fand aber komischerweise nur der FDP-Abgeordnete Michael Heihsel, der die Entscheidung für den Ort „krass und pietätlos“ nannte und immerhin die CDU hinter sich bringen konnte, was aber nichts half.

Linke und SPD sprechen nun von einem „Griff in die politische Mottenkiste“ und „künstlicher Erregung“, was bei der Linken nicht verwundert, im Fall der SPD aber doch als etwas geschichtsvergessen gelten darf. Das Problem sind die staunenden Telleraugen, mit denen die Kritik quittiert wird: Offenbar hat die Fraktion nicht das geringste Problembewusstsein.

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Übrigens ist auch ein FDP-Mann, der Abgeordnete Stefan Förster, gegen den Kollegen Heihsel. Er hat eine brummende Binse getwittert: Die historische Bedeutung von Gebäuden habe „oftmals nichts mit deren Nutzung zu tun“. Ach! Hoffentlich sagt er das nicht auch über die Bedeutung des 17. Juni.

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