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Blick in den Sauriersaal des Berliner Naturkundemuseums.

© Christoph Soeder/dpa

660 Millionen Euro von Bund und Land: Die Zukunft zieht ein in Berlins Naturkundemuseum

Labore, Hörsäle, eine digitalisierte Sammlung und sanierte Ausstellungsflächen: Was der Geldsegen von Bund und Land für das Naturkundemuseum bedeutet.

„Ein neues Zeitalter für das Naturkundemuseum“ – so nennt Michael Müller (SPD) das, was die geplanten Investitionen von 660 Millionen Euro herbeiführen sollen. Wie berichtet wollen der Bund und das Land Berlin ab 2020 binnen zehn Jahren weit über eine halbe Milliarde Euro in den Gebäudekomplex an der Invalidenstraße investieren. Am Mittwoch präsentierten der Regierende Bürgermeister, der auch Wissenschaftssenator ist, und Museumsdirektor Johannes Vogel im Sauriersaal erste Pläne für die Grundsanierung der Sammlungen, Säle und Laboratorien. Sie sind trotz früherer Sanierungsschritte zu großen Teilen noch im Zustand von 1945.

Eines der meistbesuchten Museen Berlins und ein renommiertes Forschungszentrum für Biodiversität ist das Naturkundemuseum schon heute. Doch jetzt soll die 1810 gegründete Einrichtung „zu einem der weltweit besten und führenden Naturkundemuseen weiterentwickelt werden“, erklärte Müller.

"Wir wollen die Gesellschaft verändern"

Die rund 200 Mitarbeiter seien „ein Team, dass an die Weltspitze will“, sagte Vogel. Dabei gehe es nicht nur um Wiederaufbau und Neubauten, sondern darum, wissenschaftliche und gesellschaftliche Lösungen für Fragen wie den Klimawandel und das Insekten- und Artensterben zu finden. „Wir wollen die Gesellschaft verändern, damit wir nachhaltiger mit dieser Erde umgehen können“, sagte Vogel. „Wir haben dazu die Objekte, die Geschichten und das Publikum.“

Zwar muss der Haushaltsausschuss des Bundestages dem Projekt am heutigen Donnerstag noch zustimmen. Aber die Fraktionen der Großen Koalition im Bund haben sich bereits darauf verständigt, betonte Johannes Kahrs (SPD), der Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Michael Müller habe das Vorhaben dann „mit Brachialgewalt bei sich durchgesetzt“. Zuletzt war die Rieseninvestition, von der Berlin die Hälfte, also 330 Millionen, tragen muss, am Dienstag Thema in der Senatssitzung.

Michael Müller: Wissenschaft "unstrittiger Schwerpunkt"

Dass so viel Geld in ein Wissenschaftsmuseum fließt, könnte in anderen Ressorts Konkurrenzgefühle auslösen, gab Müller zu. Wissenschaft und Forschung seien aber „unstrittiger Schwerpunkt der Stadt“. Seit mehreren Jahren für das Naturkundemuseum eingesetzt hat sich auch der Berliner SPD-Abgeordnete und Haushälter Swen Schulz. 2016 und 2017 sei das Museum mit seinen teuren Ausbauplänen in der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gescheitert. In diesem Jahr hat es geklappt.

Die Pläne für den Um- und Ausbau hatten Johannes Vogel und sein Geschäftsführer Stephan Junker insofern schon länger in der Schublade. Denn exakt auf die Summe von 660 Millionen Euro kommt auch der „Zukunftsplan“, den die Museumsleiter ihrer Dachorganisation, der Leibniz-Gemeinschaft, dem Bundestag, dem Bundesforschungsministerium und dem Berliner Senat vorgelegt haben. Was ist im Einzelnen geplant? Neben der Sanierung von Sammlungssälen, die bislang weder klimatisch noch ausreichend gegen Feuer geschützt sind, werden auch Neubauten entstehen – etwa für die Lebendtierhaltung, Gewächshäuser und einen zoologischen Labortrakt. Damit kann das Museum seine Genomforschung zur Erhaltung seltener Arten stark ausbauen.

30 Millionen Objekte werden digitalisiert

Zu den großen Sanierungsvorhaben gehört der Nordbau, in dem Hörsäle und ein Konferenzzentrum entstehen sollen. Gemeinsam mit der Humboldt-Universität will das Naturkundemuseum zudem unter Einbeziehung des historischen Thaer-Baus der Uni einen Wissenschaftscampus errichten, als „Fenster zur Öffentlichkeit“. Dort soll auch Platz für die Bürgerwissenschaft sein.

Geplant ist auch, die 30 Millionen Sammlungsobjekte des Museums vollständig zu digitalisieren und sie so für die Forschung und ein interessiertes Publikum zugänglich zu machen.

Für den dritten Bauabschnitt gibt es bereits Entwürfe des Architekturbüros Diener & Diener. Es hatte schon den 2010 abgeschlossenen Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Ostflügels übernommen. Zuvor war unter anderem der Sauriersaal saniert worden. Demnächst abgeschlossen wird die Modernisierung weiterer Säle im Hauptgebäude, im Mittel- und Querflügel. Trotz der Kontakte mit Diener & Diener werde 2019 ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, versicherte Museumsgeschäftsführer Junker auf Nachfrage.

Zehn Jahre Bauzeit ab 2020 sollen keine jahrelange Museumsschließung bedeuteten. Vorübergehend könnte das Haus aber geschlossen bleiben, wenn die schon sanierten Bereiche noch einmal modernisiert werden.

Eine kleine Geschichte des Museums für Naturkunde

Kaiser Wilhelm II. eröffnete den Neubau des Museums für Naturkunde am 2. Dezember 1889. Die Museumsgründung datiert aber auf 1810, als gemeinsam mit der Berliner Universität naturkundliche Sammlungen begründet wurden. Wissenschaftlicher Ahnherr des Naturkundemuseums ist Alexander von Humboldt, einer der ersten, die das System Erde, die Natur und den Einfluss der Menschen ganzheitlich zusammendachten. Von Humboldt stammen unzählige Pflanzen, Tier- und Gesteinsproben, die er von seinen Reisen nach Südamerika und Sibirien nach Berlin schickte.

Zum Publikumsmagneten wurden in den 1930er Jahren die Saurierknochen aus der Tendaguru-Expedition, als gigantische Skelette aufgestellt im Lichthof. Ein Bombentreffer zerstörte am 3. Februar 1945 den Ostflügel des Museums. In der DDR-Zeit und im ersten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung blieb er eine Ruine, die erst seit 2010 wiederhergestellt ist. Highlight im Ostflügel ist die illuminierte Nass-Sammlung – Präparate in Alkohol, die vor acht Jahren erstmals Teil der öffentlichen Sammlung wurden. Seit 2004 sind 80 Millionen Euro in die Sanierung geflossen – nun kann es in Riesenschritten weitergehen.

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