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56 Pflegekinder zog das Ehepaar Ottke auf (Symbolbild).

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

50 Jahre lang Eltern: Wie ein Ehepaar aus Berlin-Frohnau 56 Pflegekinder großzog

Margitta und Hans-Dieter Ottke nehmen aus Liebe Leidenschaft seit fast 50 Jahren Pflegekinder auf. Auch mit 77 und 80 Jahren kümmern sie sich noch.

Wie alt Maria und Josef bei der Geburt von Jesus waren, weiß ich nicht. Sicherlich aber nicht 77 oder 80 Jahre. Das ist das Alter von Margitta und Hans-Dieter Ottke, die ein leibliches Kind, einen längst erwachsenen Sohn haben, aber während fast eines halben Jahrhunderts Pflegeeltern, Vertrauenspersonen, Schutz und Zuflucht für 56 Pflegekindern gewesen sind.

Und auch heute noch kümmern sie sich liebevoll um Kinder, deren leibliche Eltern aus den verschiedensten Gründen nicht für ihre Kinder da sein können. Dass das Frohnauer Ehepaar jetzt vom Reinickendorfer Jugendstadtrat Tobias Dollase als, wie es wörtlich hieß, „Fels in der Brandung für zahlreiche Kinder“ geehrt wurde, konnte nicht mehr als eine kleine, aber unendlich berechtigte Anerkennung für eine große, selbstlose Leistung an der Gesellschaft sein.

Wie kommt es dazu, dass ein Ehepaar bis zu sieben Kindern gleichzeitig die Familie ersetzt – nein, falsch: die Familie ist? Margitta Ottke sagt auf eine entsprechende Frage, ihre Schwester sei „schuld“. Nach dem ersten Kind, dem Sohn, sollte auch noch ein zweites kommen. Aber das klappte nicht.

Da meinte die Schwester: Nehmt doch ein Pflegekind, es gibt so viele, die ein liebevolles Zuhause brauchen. Das Jugendamt prüfte die beiden Ottkes, es gab Gespräche, Hausbesuche, das Wohnumfeld wurde unter die Lupe genommen, nach den Wertvorstellungen und Lebenseinstellungen gefragt. Alles das geschieht heute noch, wenn Menschen sich bereit erklären, kleine oder größere Kinder bei sich für eine längere oder kürzere Zeit aufzunehmen.

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Am 2. September 1972 war es so weit. Das erste Pflegekind wurde aus dem Johannesstift in Spandau abgeholt, ein Mädchen. Sie war vier Jahre alt – und blieb 20 Jahre bei den Ottkes. Heute ist sie 52.

Große Familie. Die Ottkes betreuten bis zu sieben Kinder parallel.
Große Familie. Die Ottkes betreuten bis zu sieben Kinder parallel.

© privat

Manchmal waren es sieben Kinder gleichzeitig

„Man sieht, wie die Kinder Freude haben und wieder aufblühen. In einer Familie erholen sie sich einfach schneller als zum Beispiel in einem Kinderheim“, sagte Margitta Ottke einer Vertreterin des Jugendamtes gegenüber. Direkt mit den Medien wollen die beiden nicht reden, sie mögen keinen Rummel um sich und ihre Personen.

„Es ist schön, wenn man in die Kinderaugen schaut und sieht, dass sie sich wieder wohler fühlen, denn sie kommen ja häufig aus schwierigen familiären Situationen zu uns und müssen erst wieder aufgebaut werden“, blickte Margitta Ottke zurück. Zusätzlich zum ersten Pflegekind nahmen sie noch sechs weitere auf in die Dauerpflege. „Sie sind wie unsere eigenen Kinder“, sagte sie. Das sind oft Beziehungen für ein ganzes Leben, die sich aus solchen Pflegejahren ergeben. Fast alle haben mehr als zehn Jahre bei den Ottkes gewohnt. Manchmal waren es sieben Kinder gleichzeitig.

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Seit die beiden Eltern aus Liebe und Leidenschaft über 65 Jahre alt sind, haben sie Kinder nur noch zu einer befristeten Dauerpflege. Wenn Margitta und Hans-Dieter Ottke über das alles nachdenken, was ist die Bilanz dieses Lebens? „Wir würden es immer wieder so machen. Wir haben die Entscheidung von damals nie bereut. Für uns sind alle Pflegekinder Teil unserer Familie.“

Im Jahr 2019 konnten in Reinickendorf 46 Kinder in Pflegefamilien vermittelt werden. Berlinweit sind 2650 Kinder in Pflegefamilien untergebracht. Pflegeeltern werden immer dringend gesucht. Wer sich informieren möchte, kann sich bei der Koordination Pflegekinderhilfe in den Bezirken melden.

Ebenfalls gesucht werden Kindertagespflegepersonen: Menschen, die sich in der Kindertagespflege selbstständig machen und Kinder in den eigenen Räumlichkeiten tagsüber betreuen wollen. Hier melden sich Interessierte bei der Pädagogischen Fachberatung Kindertagesspflege.

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