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Vor der Pandemie trafen sich junge Leute zur Trainerschulung in Naunhof bei Leipzig.

© Stefanie Loos/ Schwarzkopf-Stiftung

50-jähriges Jubiläum: Wie die Schwarzkopf-Stiftung zu einem lebendigen Europa beiträgt

Am 1. April beging die Schwarzkopf-Stiftung in Berlin ihr 50-jähriges Bestehen. Junge Menschen üben hier Demokratie, knüpfen Kontakte, werden Botschafter.

Die Europäische Union – ein schnarchend langweiliges Bürokratie-Monster? Wie verhindert man, dass junge Leute sich schon bei der Erwähnung gähnend abwenden? André Schmitz-Schwarzkopf kennt das Geheimnis und benennt es mit einem Wort. „Begegnungen“, sagt er. Aus den Begegnungen werden vielleicht Freundschaften, manchmal Ehen und auch Ministerkarrieren. Sie zu stiften, darin hat er viel Erfahrung. Mit der „Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa“ hat er in den vergangenen 20 Jahren eine Erfolgsgeschichte hingelegt, auf die er anlässlich des 50. Jubiläums zufrieden zurückblicken kann. Heute vor 50 Jahren war der Gründungstag.

Nach dem Umzug der Stiftung aus Hamburg eröffnete er mit zunächst nur einer Mitarbeiterin das neue Büro in der Sophienstraße. Der frühere Berliner Staatssekretär war selbst einst Stipendiat der Stiftung, konnte so unter anderem Polen und die damalige DDR kennenlernen. Er wollte nach dem Umzug der Regierung nah an der Politik dran sein. Vor der Coronakrise waren die „Paulinenhof“ genannten Räume in Mitte schon oft lebhafter Treffpunkt für Jugendliche, Politiker, Wissenschaftler, Künstler und Unternehmer, ein ideales Forum, um sich auszutauschen und voneinander zu lernen.

Inzwischen zählt die von Pauline Schwarzkopf, der Witwe des Shampoo-Unternehmers Heinz Schwarzkopf 1971 gegründete Stiftung 35 Mitarbeiter und hat viele neue Förderer gewonnen. Mit der umstrittenen Vergangenheit des Namensgebers zur Zeit des Nationalsozialismus geht die Stiftung offen um. Das ist André Schmitz-Schwarzkopf, den die Witwe nach dem Tod ihres Mannes als Erwachsenen adoptiert hat, ganz wichtig.

Besonders osteuropäische Jugendliche seien sehr interessiert, an den Programmen teilzunehmen. „Nach wie vor gibt es dort einen großen Nachholbedarf an Demokratiebildung“, hat Schmitz-Schwarzkopf beobachtet. Besonders beliebt sind die internationalen Konferenzen nach dem Vorbild der Model UN drei Mal im Jahr. Hier wird das Europäische Parlament simuliert, wird mit Ausschüssen gearbeitet und in Plenarsitzungen.

Tränen beim Abschied

Die jeweiligen Gewinner dürfen ein Praktikum in Brüssel machen und dort den europäischen Politikalltag hautnah erleben. „So entstehen auch enge Netzwerke“, hat Schmitz-Schwarzkopf beobachtet. Am Ende der Konferenzen fließen oft Tränen beim Abschied, aber dank Messengerdienste bleiben die Ex-Stipendiaten in Verbindung. Rund 200 bis 300 Jugendliche im Alter von 16 bis 24 Jahren, die zuvor ein Auswahlwochenende in einer Jugendherberge durchliefen, nehmen daran teil. Bis zu 35 000 Jugendliche erreicht die Stiftung jährlich, darunter auch einige aus Georgien, Armenien und Weißrussland. Für letztere ist es besonders schwierig, live dabei sein zu können.

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Da hat sich die Coronakrise mit der zunehmenden Verbreitung von Videokonferenzen sogar positiv ausgewirkt. Das Europäische Jugendparlament (EYP) ist derzeit in 40 Ländern aktiv. Manchmal treffen sich die Teilnehmer später auf anderem Parkett wieder. Aus Absolventen der Stiftungsprogramm sind schon ranghohe Politiker, sogar Minister geworden. In den Parlamenten Finnlands der Ukraine und Bulgarien etwa sitzen ehemalige Stipendiaten der Schwarzkopf-Stiftung.

Seit 2019 dreht sich vieles um Integration und die Anforderungen einer offenen Gesellschaft. Gerade bei Konferenzen mit jungen Muslimen werde oft heftig gestritten, etwa über das Kopftuch, erzählt André Schmitz-Schwarzkopf am Telefon. Die Kombination jung und konservativ existiere durchaus. Die Junge Islam Konferenz ist seit 2019 Teil der Schwarzkopf Stiftung. Die Schwerpunkte haben sich über die Jahre geändert. Akzente werden auch durch Preise gesetzt.

Am Beginn der Karriere. Aufbruch nach Europa.
Am Beginn der Karriere. Aufbruch nach Europa.

© Schwarzkopf-Stiftung

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Der Kampf gegen Rechts und Antisemitismus war schon 2008 ein großes Thema. Jährlich wird zudem der nach der Berliner Ehrenbürgerin benannte Margot-Friedländer-Preis verliehen an Schulprojekte, die sich mit der Erinnerung an den Holocaust befassen. Ausgerechnet im Corona-Jahr 2020, in dem alle Live-Veranstaltungen ausfallen mussten, hatte man sich auf den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefreut.

Neuer Kompositionspreis

Eine jugendliche Jury aus ganz Europa vergibt seit 2003 den Schwarzkopf-Europa-Preis. Unter anderem der Schriftsteller Narvid Kermani und die Chefanklägerin des Jugoslawien Tribunals, Carla del Ponte, erhielten ihn schon.

Zur Feier des Jubiläums gibt es im Rahmen des Schwarzkopf-Kompositionspreises zudem künftig jährlich ein mit 15 000 Euro dotiertes Stipendium in Kooperation mit der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Der Stipendiat kann sich einer Komposition widmen, die später auch öffentlich vorgestellt werden soll. Gewonnen hat der junge Armenier Hovik Sardaryan.

Konkret lässt sich Europa nur in kleinen Schritten verbessern und so nach und nach vom Image des Bürokratiemonsters befreien. Maria Atanasova wurde 2020 Europäerin des Jahres. Die 23-jährige Hebammenstudentin setzt sich für die Roma ein. Die sind in Bulgarien oft gezwungen, in einem separaten Raum zu gebären: „Die Diskriminierung beginnt schon mit der Geburt.“ Mit dem Preisgeld von 5000 Euro kann sie nun bei einer europäischen Institution ein Praktikum absolvieren und vielleicht Anregungen sammeln, wie man die Sichtbarkeit von jugendlichen Roma erhöhen kann.

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