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In den 1980er Jahren arbeiteten Frauen nur bei der Kriminalpolizei, in der Verwaltung oder als Politessen.

© Michele Galassi

40 Jahre Frauen in der Berliner Schutzpolizei: „Wir haben uns Respekt erkämpft“

Ende der 1970er Jahre wurden Frauen erstmals in die Berliner Schutzpolizei aufgenommen. Eine von ihnen war Brigitte Jacobi.

Von Sandra Dassler

Männer treten Türen ein und springen über Zäune“, sagt die Berliner Vizelandesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Sabine Schumann, „Frauen wissen, wo der Schlüssel liegt.“ Ihrer Meinung nach gilt das auch für die Polizei, in der Frauen zwar noch nicht ganz gleichberechtigt, aber immerhin selbstverständlich sind. Das war vor 40 Jahren noch ganz anders.

Zumindest klang die Überschrift eines Tagesspiegel-Artikels vom 15. März 1980 schon ein wenig gönnerhaft. „Polizei mit den 34 Frauen in der Ausbildung sehr zufrieden“, so war es über einem Bericht zu lesen, wonach es ab September 1980 „zum ersten Mal seit den 50er Jahren wieder weibliche Schutzpolizisten bei der Berliner Polizei“ geben sollte. Diese würden an Pistolen und Maschinenpistolen ausgebildet und müssten das übliche Sportprogramm nebst Judo absolvieren, ausgenommen Boxen. „Dass Frauen 1978 voll in den Schutzpolizeidienst integriert wurden, war ein historisches Ereignis mit großer Wirkkraft bis heute“, sagt Birgit Wiese. Die Professorin für Sozialmanagement an der Fachhochschule Potsdam arbeitete selbst als Polizistin, bevor sie in die Forschung und Lehre ging.

„Wir kamen überall zum Einsatz, wo Frauen festgenommen und durchsucht wurden“

2017 startete sie ein Projekt, um die Ausbildung der ersten Frauen für den mittleren Dienst der Schutzpolizei systematisch aufzuzeichnen. Ein Ergebnis ist eine Veranstaltung in der Polizeihistorischen Sammlung: Am heutigen Donnerstag um 17 Uhr findet anlässlich des 40. Jahrestags eine Erinnerungsrunde statt.

Dabei werden Zeitzeugen über das Pilotprojekt von 1978 berichten, darunter Schutzpolizistinnen der ersten Stunde wie die 73-jährige Brigitte Jacobi. Die gelernte Schaufensterdekorateurin kam 1971 zur Polizei, wegen einer Wette, wie sie schmunzelnd verrät. Bereut hat sie es nicht, auch wenn Frauen damals nur bei der Kriminalpolizei, in der Verwaltung oder als Politessen für den „ruhenden Verkehr“ arbeiten durften. Deshalb qualifizierte sich Brigitte Jacobi auch wenig später zur Pangsod (Polizeiangestellte im Sicherheits- und Ordnungsdienst).

„Wir kamen überall zum Einsatz, wo Frauen festgenommen und durchsucht wurden“, sagt sie: „Das durften männliche Polizisten nur bei Gefahr im Verzug tun. Wir wurden also oft zu Drogenrazzien oder Einsätzen in der Rotlichtszene gerufen, auch zu anderen Straftaten wie dem sogenannten Beischlafdiebstahl.“

Frauen verlangten gleiche Ausbildung und gleichen Lohn

Die Arbeit als Pangsod sei schwer gewesen, erzählt Brigitte Jacobi: „Es gab viele Nachtdienste, immer 15 Stunden lang. Wohlgemerkt für 75 Pfennige die Stunde und einen freien Tag. Man musste dabei oft auch Betrunkene durchsuchen, mit ihnen zur Toilette gehen – und das alles ohne richtige Ausbildung, ohne Waffen, ohne Sicherheit und mit viel weniger Geld als männliche Schutzpolizisten.“

Irgendwann hatten die Frauen die Nase voll und verlangten gleiche Ausbildung, Behandlung, Perspektiven und vor allem gleichen Lohn, erzählt Brigitte Jacobi. Da sich zeitgleich ein Mangel an männlichen Bewerbern für die Schutzpolizei abzeichnete, stimmten Polizeipräsident und Innensenator endlich einem Pilotprojekt zu. Es war das erste im Westen, einige Bundesländer zogen nach.

„Wir haben uns Respekt erkämpft“, sagt Brigitte Jacobi. Natürlich gab es anfangs Spötteleien, aber das hat sich schnell gelegt.“ Argwöhnisch beäugte hingegen manche Ehefrau, dass ihr Mann jetzt mit einer Polizistin auf Streife ging...

„Ich war glücklich in diesem Beruf“, erzählt Brigitte Jacobi, die 1980 im Abschnitt 53 direkt am Checkpoint Charly begann: „Das Beste und Bewegendste war, als wir zwei DDR-Flüchtlingen an der Oberbaumbrücke das Leben retten konnten. Wir haben sie aus dem Wasser gezogen und verhindert, dass auf sie geschossen wurde.“

Brigitte Jacobi musste oft weibliche Verdächtige durchsuchen.
Brigitte Jacobi musste oft weibliche Verdächtige durchsuchen.

© privat

Bonbons in der Tasche

Noch heute schmunzelt sie über die Sache mit der verschwundenen Rente einer 90-Jährigen. Die hatte in einer Eckkneipe mit Männern um die Wette gebechert und dann plötzlich festgestellt, dass ihr Geld fort war. Den Polizistinnen erzählte sie, dass sie ihre Rente unter dem Strumpfband aufbewahrt habe. Sie habe tatsächlich ein schwarzes Strumpfband unter dem Rock getragen, erzählt Brigitte Jacobi, und auf die Frage, ob sie den Diebstahl nicht bemerkt hätte, antwortete die 90-Jährige todtraurig: „Doch. Aber ich dachte, er meint es ernst.“ Dann beschrieb sie den Mann, der in seiner Wohnung seinen Rausch ausschlief – mit ihrer Rente unterm Kopfkissen ...

Dass besonders Angehörige fremder Kulturen den weiblichen Gesetzeshütern den Respekt verweigerten, kann Brigitte Jacobi nicht bestätigen. „Ich war ja in Kreuzberg, unter anderem beim Checkpoint Charlie im Einsatz – und wenn sich da mal zwei Türken in die Haare gerieten, rief ich ein Kind herbei.“ Dafür hatte die erfahrene Polizistin immer Bonbons dabei. Da die Kinder oft besser Deutsch sprachen als ihre Eltern, bat Brigitte Jacobi sie darum, zu übersetzen. „Die haben das gern getan“, sagt sie: „Und ihre Väter wurden gleich friedlicher.“

Frauen haben immer noch schlechtere Beförderungschancen

Weibliche Polizisten würden ohnehin Konflikte anders lösen, oft sogar effizienter und mit weniger körperlichem Einsatz als ihre männlichen Kollegen, sagt Sabine Schumann, die auch Bundesfrauenbeauftragte der DPolG ist: „Viele haben eine bessere Intuition, was sich oft bezahlt macht“, sagt sie.

Und erzählt von zwei Polizistinnen, die bei einer nächtlichen Streife auf eine ältere Dame mit Kinderfahrrad stießen. Weil sie dachten, die Frau sei vielleicht dement und brauche Hilfe , hielten sie an. Die ältere Dame erzählte, sie habe nur schnell im Gebüsch ihre Notdurft verrichten müssen. Doch den Polizistinnen war klar, dass sich in dieses Gebüsch keine Frau gesetzt hätte. Noch stutziger wurden sie, als die Rentnerin sagte, ihre Wohnung sei gleich nebenan. Da sie auch keinen Ausweis hatte, begleiteten sie die Frau in die Wohnung – und entdeckten dadurch 78 gestohlene Fahrräder.

Sabine Schumann würde gern zu der heutigen Gesprächsrunde im Polizeispräsidium gehen, wenn es ihr Dienst erlaubt. „Die ersten Schutzpolizistinnen waren Vorkämpferinnen für die Gleichberechtigung“, sagt sie. Durchgesetzt sei die noch immer nicht ganz. So hätten Frauen schlechtere Beförderungschancen und Werbekampagnen der Polizei zielten immer noch auf große, starke Männer ab. „Und obwohl an der Spitze der Berliner Polizei seit Monaten eine Frau steht, liest man auf offiziellen Briefbögen nach wie vor: Der Polizeipräsident in Berlin.“

Wissenschaftlerin Birgit Wiese findet trotz mancher Widrigkeiten dennoch, dass „Frauen nach nunmehr 40 Jahren bei der Schutzpolizei eine Selbstverständlichkeit und nicht mehr wegzudenken sind. Ein Erfolgsmodell.“

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