zum Hauptinhalt
Die Berliner Koalition präsentierte am Montag den Doppelhaushalt.

© dpa/Joerg Carstensen

380 Millionen Euro für Behörden und Privatpersonen: Berlin plant Notfallfonds für explodierende Energiekosten

Die Berliner Koalition hat sich auf einen neuen Doppelhaushalt geeinigt. Dank finanzieller Spielräume wird darin Vorsorge getroffen.

Berliner, die angesichts stark steigender Energiepreise in eine existenzbedrohende Krise geraten, können auf Unterstützung des Landes hoffen. Darauf haben sich die Spitzen von SPD, Grünen und Linken zum Abschluss ihrer Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2022/2023 geeinigt. Das Ergebnis der übereinstimmend als harmonisch beschriebenen Verhandlungen wurde am Montagmorgen präsentiert.

Demnach soll eine 380 Millionen Euro umfassenden Rücklage für steigende Energiekosten verhindern, dass die derzeit – angeheizt durch den Krieg in der Ukraine – massiv steigenden Kosten für Strom, Gas und Öl öffentliche wie private Haushalte überlasten. „Wir wollen Vorsorge dort treffen, wo es die Menschen hart trifft“, sagte Linken-Fraktionschefin Anne Helm. SPD-Amtskollege Raed Saleh ergänzte, er mache sich Sorgen um die Menschen in der Stadt, die steigende Kosten nicht kompensieren können, einfach weil das dazu benötigte Einkommen fehlt.

Der Vorstoß zur Bildung der Rücklage, die auch für den Ausgleich der auf öffentliche Stellen zukommenden Kostensteigerung gedacht ist, kam aus den Reihen der Linksfraktion. Wie genau die Mittel abgerufen werden sollen und wer künftig antragsberechtigt ist, soll in den kommenden Wochen beraten werden und blieb am Montag zunächst offen. Helm erklärte dazu: "Aus meiner Sicht muss der Fonds möglichst unbürokratisch sein und vor allem schnell helfen."

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Härtefallfonds ist Teil des Haushalts, der pro Jahr beinahe 38 Milliarden Euro umfasst und zahlreiche investive - also einmalige - Ausgaben vorsieht. Im Vergleich zum Haushaltsentwurf von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) sattelten die Abgeordnetenhausfraktionen 550 Millionen Euro oben drauf. Möglich sei das zusätzliche Steuermehreinnahmen, die die jüngste Steuerschätzung des Bundes für Berlin prognostiziert, hieß es.

Im besonders umkämpften und von der SPD-geführten Bildungsbereich habe die Koalition „ein Feuerwerk gezündet“, sagte Saleh und betonte, der im Entwurf des Senats fehlende Verfügungsfonds für die Schulen sei nun wieder Bestandteil des Pakets. 7,8 Millionen Euro stehen dafür in diesem und dem kommenden Jahr jeweils zur Verfügung. Damit wurde das Budget im Vergleich zum alten Doppelhaushalt um 300.000 Euro pro Jahr erweitert.

Die deutlich größeren Brocken: Für den Kitaausbau stehen zusätzlich 15 Millionen Euro zur Verfügung, der Neubau von Schulen wird mit 200 Millionen Euro mehr als zunächst befürchtet unterfüttert. „Es wird kein geplanter Neubau zurückgestellt werden müssen“, hieß es am Montagvormittag aus Verhandlerkreisen.

"Multiprofessionelle Teams" für Berlins Schulen

Um dem auf einen neuen Höhepunkt zusteuernden Lehrermangel zu begegnen, sind zusätzlich 17 Millionen Euro für die Lehrerbildung vorgesehen, erklärte Carsten Schatz, Vorsitzender der Linksfraktion. Mit dem Geld sollen unter anderem multiprofessionelle Teams ausgebildet und eingesetzt werden, die neben pädagogischem Personal auch aus Psychologen und Therapeuten bestehen. Klar sei, dass die Investitionen an Absolventenzahlen geknüpft werde, ergänzte Schatz.

Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel betonte die für die Stärkung des Gesundheitssystems der Stadt geschaffenen Spielräume. So sei der bereits vom Senat „üppige“ Entwurf in diesem Bereich weiter ausgebaut worden, damit „wir das Gesundheitssystem noch resilienter und krisenfester aufstellen“, erklärte Gebel. Für öffentliche wie private Krankenhäuser in der Stadt seien Investitionsmöglichkeiten in Höhe von 570 Millionen „organisiert“ worden. Den weitaus größten Posten innerhalb des Gesamtbudgets stellen sogenannte Kreditermächtigungen. Träger können Kredite für Investitionen aufnehmen, das Land bürgt und zahlt die Raten.

 54 Millionen Euro für mehr Klimaschutz

Das im Haushalt verankerte „Green Hospital Programm“ soll Krankenhäuser dazu befähigen, durch Energieeinsparung ökologischer zu werden. Insgesamt steht für das „Öko-Paket“ im Haushalt ein Gesamtvolumen von 22 Millionen Euro 2022 und 32 Millionen Euro im Jahr 2023 zur Verfügung, sagte Gebel. Beispielsweise sind für Pflege und Erhalt der unter der Klimakrise leidenden Stadtbäume vier Millionen Euro vorgesehen, auch ein Ankaufsfonds für Grünflächen wird fortgeführt. Geld für den Rückbau der Autobahnen A103 und A104 ist ebenso eingestellt wie Mittel für die Elektrifizierung des Fuhrparks von Polizei und Feuerwehr. Letztere wird mit 7,4 Millionen Euro unterstützt.

Bei einem der Streitthemen während der Haushaltsverhandlungen, dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, stockt die Koalition die Mittel für den Ausbau der U-Bahn am deutlichsten auf. Statt bislang fünf Millionen Euro in zwei Jahren, stehen künftig 15 Millionen Euro für die Planung neuer U-Bahnlinien bereit, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Explizit erwähnte er, dass damit auch die Planungen für die Verlängerung der U7 „in beide Richtungen“, also auch zum Flughafen BER vorangetrieben, werden sollen. Das Projekt ist umstritten, zwischen den Koalitionspartnern und selbst innerhalb der SPD.

Zusätzlich soll das Budget zur Einrichtung sogenannter Rufbusse von bislang drei auf 13 Millionen Euro angehoben werden. Diese seien wichtig, um die Verkehrswende in die Außenbezirke zu bringen, sagte Grünen-Fraktionschef Werner Graf. Zusätzlich neun Millionen Euro sind für den Ausbau von Radwegen, sechs Millionen Euro mehr gibt es für die geplante Erweiterung des Straßenbahnnetzes. 

650 Millionen Euro für Geflüchtete

Eines der größten Einzelbudgets des neuen Haushalts steht für Unterbringung und Versorgung Geflüchteter Menschen bereit. 650 Millionen Euro haben SPD, Grüne und Linke für diesen Zweck eingeplant - und hoffen dennoch, einen großen Teil des Geldes gar nicht erst ausgeben zu müssen. Weil zahlreiche Leistungen vom Bund übernommen werden, dürfte die reale Haushaltsbelastung bei knapp über 100 Millionen Euro pro Jahr liegen, hieß es am Montagvormittag. Das Geld sei dennoch eingestellt, um auf Notfälle reagieren zu können.

Die Lage sei, genau wie im Bereich der steigenden Energiepreise, "in einem hohen Maße volatil", hieß es dazu. Rot-grün-rot setzt auf Prävention statt Härtefälle. Das dafür benötigte Geld kommt durch Steuereinnahmen, die der jüngsten Schätzung zufolge deutlich besser ausfallen dürften, als bislang angenommen.

Damit der Doppelhaushalt in Kraft und die seit Monaten geltende vorläufige Haushaltswirtschaft beendet werden kann, muss das Paket vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Die Abstimmung dazu ist für die letzte Plenarsitzung vor der Sommerpause am 23. Juni vorgesehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false