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Der AfD-Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski holte in einer Pankower Siedlung besonders viele Stimmen.

© Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

37 Prozent für Georg Pazderski: Die Pankower AfD-Siedlung

Die Alternative für Deutschland bekam in Berlin nirgendwo mehr Stimmen als am Pankower Stadtrand. Ein Kurzbesuch.

Man muss sich die Siedlung, in der die AfD in Berlin prozentual die meisten Stimmen bekam, vorstellen wie ein mitteleuropäisches Paradies: grün, leise, friedlich. Und ungewöhnlich viele, auffallend saubere Pick-Up-Trucks. Im äußersten Norden der Stadt, dort wo der Linienbus mal über Berliner, mal über Brandenburger Straßen rollt, wo es keine U- und S-Bahn gibt und die Wege stilsicher Birnbaumring und Gurkensteig heißen, dort haben 37 Prozent der Wähler am Sonntag für die AfD gestimmt. Das war auch schon vor einem Jahr so, zur Abgeordnetenhauswahl.

"Die Bundeskanzlerin hat einfach die Kontrolle verloren!"

Arabische Clans, Moscheen, Innenstadtchaos – all das gibt es in dieser Pankower Siedlung nicht. Warum holte AfD-Kandidat Georg Pazderski hier so viele Stimmen?

Mit der Presse möchte so kurz nach der Wahl kaum jemand reden. Schlechte Erfahrungen habe man mit Medien gemacht, sagt eine Kindergärtnerin, die durch den Nieselregen nach Hause radelt. Nur so viel: „Die Bundeskanzlerin hat einfach die Kontrolle verloren, keiner weiß, wer in den letzten Jahren alles nach Deutschland kam und was die Leute hier vorhaben.“ AfD als Antwort auf die Frage nach Sicherheit? „Sagen wir so, mehr als Warnhinweis an Angela Merkel.“ Was immer das bedeuten soll.

Auch der Senior, der an der Bushaltestelle wartet (alle 20 Minuten fährt die Linie 107 zum Reinickendorfer S-Bahnhof Hermsdorf, bis dahin dauert es 23 Minuten) sagt: Ja, er habe AfD gewählt – aber „ein Rechter“ sei er nicht. Seine Frau käme aus Polen. Pazderski habe ihm gefallen, der sage die Dinge, die andere bewusst verschwiegen: dass es eben doch mehr Straßengewalt gebe, dass die Gemüter der Neuankömmlinge anders seien als die der Alteingesessenen, dass der Staat die Gesetze durchsetzen müsse – sonst brauche man ihn schließlich nicht.

Georg Pazderski ist kein typischer AfD-Politiker

Der Birnbaumring führt im Bogen zwischen kleinen, soliden Einfamilienhäusern entlang, am Weg befindet sich auch das Kulturhaus, in dem am Sonntag das Wahllokal eingerichtet war. Mit den Villen im Berliner Südwesten ist die Siedlung nicht zu vergleichen. Arm und abgehängt sind die Bewohner dieses Pankower Zipfels allerdings auch nicht.

Und mit Blick auf sein Image passt der AfD-Ortskandiat Georg Pazderski, der auch Berliner Fraktionschef der Partei ist, ohnehin nicht zu Wut und Protest. Pazderski lebte als Nato-Offizier in Nordamerika, war Bundesgeschäftsführer seiner Partei und steht für Bewahren statt Aufbegehren. Am Dienstag beriet er sich mit den AfD-Abgeordneten über die kommenden Schritte: Den Regierenden Bürgermeister mit dem Tegel-Votum konfrontieren – und den Kultursenator mit der besetzten Volksbühne.

Den Pazderski kenne sie kaum, sagt eine üppige, lebensfrohe Dame, die in der Siedlung aus einem Auto steigt. Wieso AfD, gute Frau? Sie habe lange in einem innerstädtischen Jugendamt gearbeitet und zwei Dinge gelernt: Geld für Nachhilfen, Bücher, Sozialarbeiter fehlte immer. Und die aggressivsten Familien, die brutalsten Väter und die einfältigsten Mütter seien nunmal aus dem Nahen Osten nach Berlin eingewandert. Als dann die Flüchtlinge kamen, sei wieder Geld da gewesen. „Kein Wunder“, sagt die Dame, „dass die AfD so abgeschnitten hat.“ Sie selbst übrigens habe die Linke gewählt.

Kein Streit mit Links-Wählern

Die Linkspartei hat hier oben knapp 17 Prozent bekommen. Ob es Streit mit Nachbarn gebe, die AfD gewählt haben? „Nö, so richtig Nazisprüche macht bei uns hier keiner.“ Sie erwarte nun Ehrlichkeit in der Politik, dass mit dem Dämonisieren der Rechten habe ja nicht geklappt. Das Nieseln wird zum Vollregen, die Dame holt eine Kiste aus dem Auto und geht nach Hause. Am Stadtrand ist nun vollends Ruhe.

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