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Am Montag werden in einigen Berliner Schulen die Stühle wieder heruntergestellt.

© Jürgen Ritter/imago

28.000 Schüler kommen Montag wieder zum Unterricht: Der schwere Neustart für Berlins Schulen

Teilung von Klassen, Einbahnstraßen auf Fluren, zeitversetzter Unterricht – Berlins Schulen wird in der Corona-Krise viel Improvisationstalent abverlangt.

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Am Montag kehren in Berlin knapp 30.000 Schüler nach sechs Wochen wieder in ihre Schulen zurück. Von Normalität kann angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten keine Rede sein. Von Schülern wie Lehrern wird auch in den nächsten Wochen viel Improvisationstalent und Energie verlangt.

Was sagt das Robert-Koch-Institut zu den Schulöffnungen?
Welche Rolle Kinder als Krankheitsüberträger in der Covid-19-Pandemie spielen, darüber gibt es noch wenig gesicherte Informationen. Zwar haben „Kinder häufiger als Erwachsene einen milden oder asymptomatischen Verlauf“, schreibt das Robert-Koch-Institut dazu in einem jüngst veröffentlichten „Epidemiologischen Bulletin“, in dem es „Überlegungen, Entscheidungsgrundlagen und Voraussetzungen“ zur „Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen“ darlegt. Aber die aktuell „nur wenigen vorliegenden Daten“ sprechen dafür, dass sie genauso empfänglich für Covid-19 sind wie Erwachsene.

Die Autoren geben Hinweise zu notwendigen Hygienemaßnahmen an die Verantwortlichen. Zwar sei unter Anwendung dieser Regeln eine schrittweise und altersadaptierte Öffnung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen „aus fachlicher Sicht vertretbar“. Es sei aber „zu erwarten, dass es durch die bevorstehende Wiedereröffnung und andere Deeskalationsmaßnahmen mit den damit verbundenen zunehmenden Kontakten aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Zunahme von Covid-19-Infektionen kommen wird.“

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Komme es trotz der begleitendem Maßnahmen zu „Ausbrüchen oder einer relevanten Zunahme von Infektionen, die im Zusammenhang mit Übertragungen innerhalb von Schulen stehen, sollte, in enger Abstimmung mit den zuständigen örtlichen Gesundheitsbehörden, eine zeitweise (gegebenenfalls partielle) Schließung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen erfolgen“, raten die Experten schon jetzt.

Wer geht am Montag wieder zur Schule?
In Berlin kehren die rund 28.000 Zehntklässler in die Schulen zurück. Die Entscheidung hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) getroffen, damit sich die Schülerinnen und Schüler auf die Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss (MSA) vorbereiten können. Inzwischen wurden allerdings die meisten MSA-Prüfungen bis auf eine Präsentationsprüfung abgesagt.

Dennoch bleibt es dabei, dass die Zehntklässler jetzt zurückkehren, damit sie sich auf die Präsentationsprüfung vorbereiten und ihre Noten für den MSA noch verbessern können. Schüler, die zu Risikogruppen gehören oder mit Personen zusammenleben, für die das gilt, können weiter zu Hause lernen.

Wie organisieren die Schulen den Start? Welche Vorgaben gibt es?
Für die Schulleiter ist die Organisation des Unterrichts für die Zehntklässler eine immense Herausforderung – zumal vielerorts parallel Abiturprüfungen stattfinden. An manchen Schulen können die Zehntklässler deshalb pro Woche nur an zwei oder drei Tagen unterrichtet werden. Andere Schule schaffen es zwar, täglich Unterricht zu organisieren, verkürzen aber die Zeiten oder konzentrieren den Stundenplan auf die Kernfächer.

„Wir werden am Montag mit den Schülern erst mal besprechen, wie es ihnen geht, wie sie die vergangenen Wochen erlebt haben und welche Regeln wir jetzt beachten müssen“, sagt Sven Zimmerschied, Schulleiter der Friedensburg-Oberschule in Charlottenburg. Unterricht findet dann ab Dienstag statt – in kleinen Gruppen, und erst einmal nur in Deutsch, Mathematik und Englisch.

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Ab der darauffolgenden Woche soll der Unterricht dann auf weitere Fächer ausgedehnt werden. Wie viel Unterricht möglich ist, hängt wesentlich davon ab, wie viele Räume und Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Wegen des Infektionsschutzes müssen die Schulen strenge Abstands- und Hygieneregeln einhalten. Das führt an vielen Schulen dazu, dass die Klassen in drei Gruppen aufgeteilt werden müssen und dafür mehr Räume und Lehrkräfte benötigt werden.

Diese Gruppen sollen möglichst nur untereinander Kontakt haben. Deshalb müssen sie zeitversetzt kommen und sollen sich auch in den Pausen und im Gebäude nicht begegnen. Die Schulen sind angehalten, ein „Wegekonzept“ zu entwickeln. Manche Schulen führen ein „Einbahnstraßenprinzip“ auf den Fluren ein. Die Senatsbildungsverwaltung hat einen Musterhygieneplan für Schulen herausgegeben, in dem unter anderem Vorgaben zur Reinigung, zu Abstandsregeln und zur Toilettennutzung gemacht werden.

Ist das mit dem vorhandenen Lehrpersonal zu schaffen?
Solange nur die Zehntklässler zur Schule gehen, dürfte es zu schaffen sein. Wenn weitere Jahrgänge dazukommen, könnten die Schulen an ihre Grenzen gelangen. Laut Bildungsverwaltung sind momentan rund 30 Prozent der Lehrkräfte nicht einsetzbar, weil sie zur Risikogruppe gehören oder aus anderen Gründen.

Da durch die kleinen Gruppen und für die Organisation der Abiturprüfungen mehr Lehrer als sonst gebunden sind, wird es nicht möglich sein, alle Schülerinnen und Schüler zeitnah in den Schulen zu unterrichten.

Wie sieht der Zeitplan für die weiteren Jahrgänge aus?
Eine Woche nach den Zehntklässlern sollen die Sechstklässler zurückkehren, zudem diejenigen Schüler, die nächstes Jahr Abitur machen, und die Neuntklässler an Sekundarschulen. Für die übrigen Jahrgangsstufen wurden noch keine definitiven Aussagen getroffen.

Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:

Nach Ansicht von Ralf Treptow, dem Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin und Leiter des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Pankow, kann es in diesem Schuljahr keine Rückkehr zum normalen Schulbetrieb mehr geben. Das sei schulorganisatorisch nicht möglich, da für die wegen der Abstandsregel nötigen kleineren Lerngruppen viel mehr Räume und Lehrkräfte als vorhanden gebraucht würden. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir vor den Sommerferien alle Jahrgänge zurückholen können.“ Es sei höchstens möglich, dass einzelne Klassen an einzelnen Tagen in die Schulen kommen, damit auch diese Schüler mal wieder das „Erlebnis Unterricht“ hätten.

Robert Giese, der Leiter der Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule in Britz, sagte, dass es jetzt darum gehe, dass die Schüler den Kontakt zur Schule nicht verlieren. Das sei auch emotional und sozial wichtig. Den Rahmenlehrplan abzuarbeiten, sei dagegen in diesem Halbjahr nicht mehr möglich.

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Ralf Treptow kritisierte zudem die Entscheidung des Senats, die Zehntklässler noch vor dem mit der Bundeskanzlerin verabredeten 4. Mai in die Schule zurückzuholen. Das sei offensichtlich deshalb geschehen, um die Abschlussprüfungen zum MSA „zu retten“, sagte er. "Wenn man schon von der Empfehlung aus der Runde der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin in Berlin abweichen möchte", dann wäre es seiner Ansicht nach wichtiger gewesen, den Jahrgang, der 2021 Abitur machen wird, wieder so schnell wie möglich in die Schulen zu holen, da deren Leistungen aus diesem Halbjahr im Abitur eingerechnet werden.

Was passiert, wenn in Schulen Infektionsfälle auftreten?
Weil mit zunehmender Schülerzahl das Risiko von Corona-Fällen oder auch Ansteckungen an Schulen steigt, sind die Gesundheitsämter der Bezirke gefordert. Tritt ein Fall auf, entscheiden sie über die Konsequenzen. Von pauschalen Schließungen, wie Anfang März in der Emanuel-Lasker-Oberschule, hält Carolina Böhm, Gesundheitsstadträtin in Steglitz-Zehlendorf, nichts.

Sandra Scheeres steht wegen ihrer Politik in der Coronakrise zunehmend in der Kritik.
Sandra Scheeres steht wegen ihrer Politik in der Coronakrise zunehmend in der Kritik.

© Fabian Sommer/dpa

„Wir fragen jeden Tatbestand genau ab, testen Kontaktpersonen und schicken all diejenigen in Quarantäne, die in einem engen Kontakt zum Infizierten waren“, sagt sie. Schüler, bei denen der Verdacht auf eine Infektion besteht, sollten grundsätzlich zu Hause bleiben.

Wie ist das Krisenmanagement von Schulsenatorin Scheeres?
Seit der Lockerung der Corona-Verordnung steht Bildungssenatorin Scheeres wieder unter scharfer Beobachtung der eigenen Genossen. Bei der Sitzung des SPD-Landesvorstands geriet sie heftig unter Druck, weil viele Vorstandsmitglieder der Meinung waren, dass Scheeres die sozialen Belange von Familien und Kindern nicht genügend berücksichtigt.

Eine Kehrtwende musste Scheeres sofort vollziehen: Die MSA-Prüfungen in Berlin wurden gestoppt. Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte schon einen entsprechenden Antrag erarbeitet, somit hatte die Bildungssenatorin keine andere Wahl. Auf ihr lastet nun schwer, dass der Senat am Dienstag kein detailliertes Lockerungskonzept für die Öffnung des Lehrbetriebs ab dem 27. April beschlossen hat.

Die Koalition hat also die Verantwortung für einen halbwegs geordneten Neustart des Schulbetriebs auf die Verwaltung abgeschoben. Offen war zunächst auch, wann und wie der Vorschlag der Senatorin umgesetzt wird, für bedürftige Schüler Tablets zur Verfügung zu stellen. Ein Sprecher der Bildungsverwaltung stellte am Sonnabend klar, dass die Finanzierung dafür gesichert sei und die Tablets bald auf dem Weg.

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