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Gesunkener Riese. Am 13. Januar 2012 kamen 32 Menschen ums Leben, nachdem das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia gegen eine Klippe gefahren war.

©  Remo Casilli/Reuters

2000 Tage ohne neuen Flughafen: Was im Jahr der geplatzten BER-Eröffnung noch alles geschah

2012 sollte der Hauptstadtflughafen eröffnen. Ein Rückblick: Grexit, Gauck und Giglio – was in diesem Jahr noch alles passierte.

Das Jahr 2012 beginnt unerfreulich: Der Iran beunruhigt die Welt mit Uran und vor Giglio versenkt ein Gigolo die „Costa Concordia“. Der Berliner Solarzellenhersteller Solon befindet sich in ähnlich instabiler Seitenlage, und auch Bundespräsident Christian Wulff steht das Wasser bis zum Hals. Sein Rückhalt bei Bevölkerung und „Bild“ schwindet; dem Souverän ist Wulff zu unsouverän. Die Europäische Zentralbank kauft neuerdings Staatsanleihen, was die Haushaltsprobleme von Spanien und Griechenland jedoch nicht lindert.

Finanziell besser steht – beruflich und privat – Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum da, der erstmals mit Überschüssen rechnen kann. Die neuerdings mitregierende CDU schlägt den Werbeprofi Thomas Heilmann als Nachfolger für den kurz nach Amtsantritt – zu Unrecht, wie sich später herausstellt – havarierten Justizsenator Michael Braun vor.

Innensenator Frank Henkel bringt seinen Parteifreund Klaus Kandt als Polizeipräsidenten ins Gespräch. Regiermeister Klaus Wowereit formuliert die Kernaufgaben fürs Jahr: BER an den Start bringen, A100 weiterbauen, S-Bahn flott kriegen. Im Übrigen mögen die Fluglärmbetroffenen bitte endlich Ruhe geben.

Im Bund stänkert ein gewisser Philipp Rösler gegen Pläne für eine Börsensteuer. Kanzlerin Angela Merkel wettert ihn ab. Auf Usedom werden während einer wochenlangen Kältewelle im Februar minus 29 Grad gemessen. Und der Liter Benzin kostet mit 1,67 Euro (Diesel: 1,53) so viel wie nie. Dafür gibt's bei Lidl Mangos für 79 Cent.

Als der Grexit droht, hat Berlin andere Sorgen

Kaum taut das Land wieder auf, streikt die BVG und Joachim Gauck wird Bundespräsident. Das BKA stuft die Mordserie des NSU nun offiziell als rechtsextrem ein. Die Linksradikalen treiben das Guggenheim Lab durch Berlin, der BND-Neubau wird teurer, der Senat forciert den Neubau der Landesbibliothek am Tempelhofer Feld. Schlecker geht pleite, Leiser ebenso, während die CSU immer lauter für ihr Betreuungsgeld kämpft. Die A100 wird auch teurer, und auf dem Schönefeld-Zubringer A113 gibt es Riesenstau wegen der vielen Polizeiautos, die im April zu einer Anti-Flugzeugentführungs-Übung auf dem BER anrücken.

Der Luftpirat wird planmäßig überwältigt, die Parlamentspiraten erfreuen sich großer Beliebtheit. Das gilt auch für Jan Stöß, der Michael Müller als SPD-Landeschef herausfordert.

Im Mai droht der Grexit, aber Berlin hat andere Sorgen, nachdem am 9. Mai überraschend die BER-Eröffnung abgesagt wurde. Der Alternativtermin im August scheint fraglich; Experten halten eher das Jahresende für realistisch. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erklärt die BER-Fertigstellung zur Chefsache. 50.000 Menschen besichtigen die Baustelle bei einem Tag der offenen Tür.

Wenige Tage danach werden die Hells Angels verboten und Flüge nach 23 Uhr in Tegel erlaubt. Stöß stürzt Müller als SPD-Chef und schwächt damit auch Wowereit. Immerhin zeichnet sich die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe samt Tarifsenkung ab. Als Eröffnungstermin für den BER wird der 17. März 2013 gehandelt.

Im Juli besteht der Neubau einen Entrauchungstest. Beim Mediamarkt sind Nokia-Handys im Angebot, bei der Bahn fallen die Klimaanlagen aus, in Berlin die Schulen auseinander. Die Griechen verkaufen unbewohnte Inseln, in Syrien artet der Kampf der Regierung gegen die Rebellen zum Krieg aus. Stadtentwicklungssenator Müller stellt den „Masterplan TXL“ vor, Flughafenchef Rainer Schwarz sieht keinen Anlass, zurückzutreten. Sein Sprecher nennt die Idee, das alte SXF-Terminal weiter zu betreiben, „Unsinn“. Fachleute fürchten inzwischen, dass der BER erst 2017 eröffnet.

In den USA wird Obama wiedergewählt

Im September schickt die SPD Peer Steinbrück als Kanzlerkandidaten ins Rennen. Der fordert erst mal „Beinfreiheit“. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) bekommt angesichts ernster Plagiatsvorwürfe von der Kanzlerin das „vollste Vertrauen“ ausgesprochen. Frankreich schließt angesichts massiver Randale in islamischen Staaten viele Auslandsvertretungen: Ein Satiremagazin namens „Charlie Hebdo“ hatte Mohammed-Karikaturen veröffentlicht.

In Berlin werden neuerdings mehr Wohnungen verkauft, die Mieten steigen. Am Alexanderplatz wird der Jugendliche Jonny K. aus nichtigem Anlass totgeprügelt. Der BER fordert erste Opfer: Immer wieder prallen Vögel gegen die Glasfassade. Im November macht Air Berlin Schlagzeilen: Die Fluglinie will Daten ihrer Vielflieger zu Geld machen – und millionenschweren Schadensersatz von der Flughafengesellschaft. Immerhin macht das Unternehmen erstmals nach vier Jahren wieder Gewinn. In den USA wird Präsident Barack Obama wiedergewählt.

Zum Jahresende gibt es schlechte Nachrichten für SPD und Bahn: An der Friedrichstraße stürzen Deckenteile ab, bei der S-Bahn häufen sich die Ausfälle. Und Peer Steinbrück hat Ärger wegen exorbitanter Redehonorare. An den Berliner Flughäfen wurden übers Jahr erstmals mehr als 25 Millionen Passagiere abgefertigt. Wenn das so weitergeht, nähert sich der BER schon zur Eröffnung der Kapazitätsgrenze.

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