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Dies ist keine Provinzbaustelle. Hier entsteht der neue Hauptstadtflughafen.

© Ralf Hirschberger/dpa

Exklusiv

2000 Tage Nichteröffnung: So verdienen die Firmen am BER-Desaster

Flughafen-Eröffnung? Muss gar nicht sein. Die Baustelle ist ein gutes Geschäft. Siemens bekam 95.469.367,34 Euro – für einen kleinen Auftrag.

Er hat verhandelt. Er wollte die großen Baufirmen am künftigen Airport stärker, verbindlicher in die Pflicht nehmen. „Um größere Sicherheit zu haben.“ So hatte es Engelbert Lütke Daldrup nach seinem Wechsel aus dem Roten Rathaus an die Spitze der Flughafengesellschaft angekündigt. Und tatsächlich hat er es geschafft, dass die Big Five am BER – also Siemens, Bosch, T-Systems, Rom und Caverion – den Rahmenterminplan akzeptieren, wonach die Bauarbeiten im Terminal bis zum 31. August 2018 abgeschlossen sein sollen. Auch über die Finanzen, die kaufmännischen Vereinbarungen, ist er sich außer mit Caverion einig, meldete er dem Aufsichtsrat. Alles wäre gut, wenn da nicht ein altes Problem wäre: Sanktionen für verfehlte Termine sind nicht fixiert.

Der Anteil der Firmen daran, dass der BER nicht fertig ist, gerät eher selten in den Fokus. Und wenn, dann verweisen die Firmen auf fehlende oder mangelnde Planungen der Flughafengesellschaft, auf nicht rechtzeitig fertige Vorleistungen anderer Firmen, was auch stimmt. Und trotzdem ist die Dauerbaustelle in Schönefeld für sie lukrativ. Exemplarisch lässt sich das am Beispiel von Siemens nachvollziehen, mit Vertrags- und Rechnungsunterlagen, die dem Tagesspiegel vorliegen.

Es begann damit, dass der Konzern am 22. 8. 2009 den Zuschlag für das Vergabepaket 7.5. – „Ausführungsleistungen Gebäudeautomatisation“ am „Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI)“ – erhalten hatte. Zweifache Ausfertigung, 42 Seiten. Der verantwortliche Siemens-Regionalmanager war Jörg Marks, der 2014 Technikchef am BER werden sollte. Der Siemens-Vertrag regelte alles penibel, die „Gesamtfertigstellung inkl. Technische Inbetriebnahme“ war für den 29. 4. 2011 vorgesehen, die Gesamtabnahme aller Gebäude für den 29. 10. 2011. Es waren „pönalisierte Zwischentermine“ verankert, also Strafen für Verzüge. Der BER-Auftrag hatte für Siemens ein Volumen von 9,862 Millionen Euro. Inklusive Marge. Damals.

Und heute? Für Siemens zahlt sich der nicht eröffnete BER aus. Das belegt etwa das vierseitige Schreiben vom 12. 1. 2017 eines Ingenieurbüros an die Flughafengesellschaft (FBB), das im Auftrag der FBB Rechnungen von Firmen wie Siemens extern in einer „Korrekturprüfung“ unter die Lupe nimmt. Es ging um eine Teilrechnung vom 22. 12. 2016, ein Routinevorgang, kaum Beanstandungen.

Volumen des Siemens-Auftrags fast verzehnfacht

Aber das beiliegende Standardformular für das FBB-Controlling hat noch die Spalte „Auftragswerte“. Dort ist der ursprüngliche Siemens-Auftrag mit 9,7 Millionen Euro beziffert. Und dann folgt eine weitere Zeile, „Summe Nachträge (beauftragt)“. Und die haben sich, in grüner Handschrift, inzwischen auf 85.719.589, 00 Euro summiert. Der Gesamtauftrag für Siemens ist demnach bis 2017 auf 95.469.367,34 Millionen Euro gestiegen, hat sich im Volumen fast verzehnfacht. Vor allem nach der geplatzten Eröffnung 2012. Dazu passt eine aktuelle interne Zahlungsliste der FBB: Danach kassierte der Konzern am BER 2015 rund 14 Millionen Euro, 2016 etwa 11,5 Millionen Euro und 2017 stolze 27,6 Millionen Euro.

Die Summen steigen: Auszug aus einer Abschlagsrechnung von Siemens.
Die Summen steigen: Auszug aus einer Abschlagsrechnung von Siemens.

© Tsp

Um Firmen wie Siemens auf der Baustelle zu halten, hatte der Flughafen seit 2012 viel ermöglicht. Die „Ergänzungsvereinbarungen“, die seitdem geschlossen wurden, sahen keine Pauschalvergütungen, keine Terminsanktionen mehr vor. In der zweiten wurde Siemens am 18. 6. 2013 mit der Trassensanierung beauftragt, also der Beseitigung des Kabelsalates, konkret für die „Verlegung von Kabeln“, „Abklemmen, erneutes Anklemmen“, „Außerbetriebnehmen, erneutes Prüfen und erneutes Inbetriebnehmen von Anlage, Stromkreisen und/oder Betriebsmitteln“, die „Koordination der eigenen Leistungen“. Und: „Demontage und Wiederherstellen von Brandschutzmaßnahmen, welche vom AN bereits errichtet wurden“. Also von Siemens selbst. Aber noch mal bezahlt.

Für Siemens unterschrieb der spätere BER-Technikchef

Für die FBB hat den Vertrag Hartmut Mehdorn unterschrieben, für Siemens der damalige Regionalchef Jörg Marks. Es war ein guter Vertrag für den Konzern, der seitdem alles stundenweise abrechnen kann, zu einem Stundensatz von 90,31 Euro für jeden Arbeiter, mit Extra-Aufschlägen für Nachtschichten oder Wochenenden. Punkt 3 regelt die „Terminplanung“, Zitat: „Verbindliche Ausführungsfristen werden angesichts der noch nicht abzuschätzenden Art und des Umfangs der Umbaumaßnahmen nicht vereinbart.“ Stattdessen folgt nur eine allgemeine Absichtserklärung: „Ziel ist es, die Arbeiten innerhalb von sechs Monaten abzuschließen.“ Die Arbeiten dauerten prompt Jahre.

Ende 2016 nahm der frühere Flughafenchef Karsten Mühlenfeld, nachdem unter FBB-Technikchef Jörg Marks seit 2015 alle Termine gerissen wurden, neuen Anlauf. Er versuchte es mit Boni-Zahlungen für Firmen. Am 11. 11. 2016 sicherte er in einem Entwurf für die mittlerweile 6. Ergänzungsvereinbarung mit Siemens eine Erfolgsprämie von 1 Million Euro zu, wenn der BER bis 31. 7. 2017 fertig würde. Siemens lehnte die Million ab. Was hatte Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser einmal über den BER gesagt? „Den braucht eh keiner im Augenblick. Wenn wir den Flughafen in fünf bis zehn Jahren haben, reicht das vollkommen.“ Das war 2013. Fünf einträgliche Siemens-Jahre am nicht eröffneten Flughafen sind inzwischen um.

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