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Museum des Kampfesruhmes. Gesehen in Wünsdorf. Am 31. August jährt sich der Abzug zum 20. Mal.

© Thilo Rückeis

20 Jahre Abzug der Sowjet-Armee: Berlin-Karlshorst = Berlin-Karlowka

„Deutschland, wir reichen dir die Hand und kehren zurück ins Vaterland." Vor 20 Jahren wurde der letzte russische Soldat offiziell aus der Stadt Berlin verabschiedet. Eine neue Ausstellung erinnert daran.

„Deutschland, wir reichen dir die Hand und kehren zurück ins Vaterland. Die Heimat ist empfangsbereit – wir bleiben Freunde allezeit!“ Diese Zeilen sangen die letzten russischen Soldaten, als sie am 31. August 1994 in einem Festakt im Schauspielhaus aus Deutschland verabschiedet wurden. Das Original des Marschlieds ist Teil einer neuen Ausstellung im Museum Karlshorst.

In „Hinterlassenschaften“ werden Fundstücke nach dem Abzug der russischen Truppen vor zwanzig Jahren gezeigt – nicht die Bilder vergifteter und verwüsteter Landstriche oder maroder Wohnhäuser und Kasernen, sondern originale Fundstücke, also dingliche Zeugen des abgeschirmten, militärischen Aufgaben unterworfenen Lebens in den ehemaligen Garnisonen. Plakate, Kampfanleitungen, Tagebücher („548 Tage in Stiefeln“), Kaderakten von Soldaten, selbst gefertigte Souvenirs, Stadtpläne – plötzlich ist sie wieder da, die Zeit, als die Sowjetarmee (an den Lastautos stand immer CA, was der DDR-Bürger mit C & A übersetzte) drei Prozent des Territoriums der DDR besetzt hatte und darin schalten und walten konnte, wie sie wollte, die Lagerung von Atomraketen inklusive.

Hierzu (und zur Härte des Alltags einfacher Soldaten) hätte man vielleicht etwas mehr Fakten erwartet, zumal es beste Beziehungen zwischen dem Museum und Partnern in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gibt. Zur Eröffnung der Schau mit 70 Exponaten kam auch der Drei-Sterne-General Anton Terentjew, Ex-Staatschef der „Westgruppe der Truppen“ und der letzte Soldat, der Deutschland 1994 verließ. Die anderen Alliierten - Briten, Franzosen, US-Amerikaner - verließen die Stadt im Herbst.

„Wir sind damals als Freunde von Freunden gegangen, manche Beziehungen zu Deutschen bestehen auch noch nach zwanzig Jahren“, sagt der General, der heute den Verband der Veteranen der Westgruppe der Streitkräfte mit mehr als acht Millionen Mitgliedern leitet. So viele Rotarmisten waren seit 1945 in der DDR, die Familien hinzugerechnet waren es mehr als zehn Millionen Menschen.

Als alle russischen Soldaten Deutschland verließen, gab es die Sowjetunion nicht mehr. Auf sie wartete eine ungewisse Zukunft, wenn auch die Deutsche Regierung 7,8 Milliarden Mark für neue Wohnungen ausgab. Den Weggang aus Deutschland (Ost) bedauerten die wenigsten. Der Abzug war eine logistische Herausforderung mit 550000 Menschen, 4000 Panzern, 8000 gepanzerten Fahrzeugen, 3100 Artilleriesystemen und diversen Raketen und Flugzeugen – „die Russen“ hinterließen etwa 1550 Orte in der kleinen DDR.

Plötzlich wurden 300 Häuser frei in Karlshorst

Darunter war „Karlowka“, wie sie Karlshorst nannten, ein eigenes Städtchen, in dem seit 1953 der Geheimdienst residierte, während das Oberkommando nach Wünsdorf gezogen war. Mit dem Abzug wurden in Karlshorst 300 Häuser und Wohnungen frei, um manche Gebäude steht noch die damals gezogene Mauer. Und in der Ausstellung ist jenes handgeschmiedete Tor aufgebaut, das einst unter Hochspannung am Eingang zum verbotenen Städtchen stand. Damals, 1994, sangen sie: „Pflicht ist erfüllt, leb wohl, Berlin! Unsere Herzen weiter zieh’n.“

20 Jahre ist es her, dass die Alliierten Berlin verlassen haben. Tagesspiegel-Fotograf Kai-Uwe Heinrich, einst Fotograf bei der US Air Force, hat viele Bilder aus dieser Zeit in seinem Keller gelagert. Als er die Dias kürzlich herausholte, war er erst entsetzt - und dann beglückt. Lesen Sie mehr unter diesem Link.

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