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Wie im Märchen. Die Pfaueninsel ist immer ein beliebtes Ausflugsziel. Das Schloss allerdings wird derzeit generalsaniert und kann erst in einigen Jahren wieder besichtigt werden.

© Thilo Rückeis

175 Jahre Berliner Zoo: Die Pfaueninsel – ein Eiland für Exoten

Die Menagerie auf der Pfaueninsel war die Keimzelle des heutigen Berliner Zoos. Gartenbaumeister Peter Joseph Lenné legte den Park an. Ein Rundgang.

Wie ein Fels in der Brandung steht die alte Eiche mit ihren ausladenden dicken Ästen und der abgebrochenen Krone im Zoologischen Garten, auf grünem Rasen, umgeben von dichtem Farnkraut. Unbeirrt hat sie den Stürmen der Jahrhunderte getrotzt und ihre Pfahlwurzeln tief in das Erdreich versenkt.

Schwer hatte es den alten Baum allerdings erwischt, als Orkan Kyrill im Januar 2007 über Deutschland hinwegfegte. „Schlimm hat sie damals ausgesehen“, sagt eine langjährige Zoobesucherin. „Die Krone war abgebrochen. Wir dachten alle, jetzt ist das Ende da. Aber die Gärtner konnten sie retten. Jetzt wächst sie eben in die Breite statt in die Höhe.“

Etwa 20 Kilometer Luftlinie vom Zoo entfernt, im Südwesten Berlins, liegt hingestreckt in der Havel die Pfaueninsel. Hier befand sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine einzigartige Menagerie an exotischen Tieren und tropischen Pflanzen. Sie war die Keimzelle des heutigen Berliner Zoos.

Jahrhundertelang lag dieses Eiland mit seinen uralten Eichenwäldern, umgeben von einem dichten Schilfgürtel, verborgen. Ende des 17. Jahrhunderts wurde sie bekannt, als der Große Kurfürst dem Glasmacher Johann Kunckel die Insel schenkte, der dort für kurze Zeit seinen alchemistischen Experimenten nachging. Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte Friedrich Wilhelm II. die Insel wieder. Heute ist sie Landschaftsschutzgebiet und Unesco-Welterbe und bietet Tieren und Pflanzen schützenden Lebensraum.

Aber wo befand sich diese Menagerie, gibt es noch Spuren? Parkleiter Jan Uhlig wird bei einer Führung kenntnisreich von jener großen Zeit auf der Insel berichten. Bei seiner Ankunft am ehemaligen Fährhaus begrüßt er jeden Teilnehmer der kleinen Gruppe mit Handschlag und Lächeln und weist dann auf eine dicht am Wasser stehende alte Eiche hin: „Hier ist der Schlafplatz der Pfauen. Wenn ich morgens mit der Fähre zur Arbeit komme, ist es jedes Mal ein herzerwärmender Anblick, die schönen großen Vögel im Geäst sitzen zu sehen.“

Pandas in der königlichen Menagerie? Daran war, anders als jetzt im Zoo, noch nicht zu denken.
Pandas in der königlichen Menagerie? Daran war, anders als jetzt im Zoo, noch nicht zu denken.

© Thilo Rückeis

Ehe die Führung beginnt, zieht er erst einmal Theodor Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ aus seiner mit Anschauungsmaterial gefüllten Tasche und liest vor. In Band drei (Havelland) erinnert sich der Schriftsteller an einen Ausflug auf die Pfaueninsel in seiner Kindheit.

Friedrich Wilhelm II. baute seiner Geliebten auf der Insel ein Lustschloss

Vorbei an bunten Blumenbeeten führt Uhlig die Gruppe zum weißen Märchenschloss, das gerade generalsaniert und für die Besucher erst in einigen Jahren wieder zugänglich sein wird. König Friedrich Wilhelm II. hat es einst für seine Vertraute und Geliebte Wilhelmine Enke als Lustschloss errichten lassen.

Er war es auch, der die beim Adel beliebten Blauen Pfaue auf die Insel bringen ließ, gekauft in einer Sacrower Pfauenzucht. 1794/95, also zur selben Zeit wie das Pfauenschloss, hat er auch die im Norden der Insel liegende Meierei im Stil einer verfallenen gotischen Klosterruine errichten lassen, mit Sichtkontakt zum Schloss. Sie diente mit ihren Nebengebäuden der Landwirtschaft. Heute kann sie an den Wochenenden besichtigt werden. Sie beherbergt eine Ausstellung zur Geschichte der Landwirtschaft auf der Insel und eine kleine Kunckel-Ausstellung.

Jan Uhlig führt seine kleine Gruppe nun auf direktem Wege zum Herzstück der ehemaligen Menagerie, dem Palmenhaus. 1830/31 nach Plänen des Hofbaumeisters Karl-Friedrich Schinkel erbaut, beherbergte es zahlreiche tropische Pflanzen und Gehölze. In seiner Hochzeit lebten hier exotische Tiere wie Alligatoren, Schlangen oder auch ein Chamäleon. Von außen schlicht anzusehen, offenbarte es innen eine exotische Pracht. Die Bilder des Landschaftsmalers Carl Blechen vom sonnendurchfluteten Inneren des Palmenhauses lassen den Glanz dieses außergewöhnlichen Baus erahnen.

Am 20. Mai 1880 brannte das Palmenhaus durch Funkenflug vollständig ab, die Hoffnungen auf einen Wiederaufbau erfüllten sich nicht. Heute markieren vier aus dem Brandschutt gerettete Sandsteinsockel den Grundriss des Gebäudes. In seiner Mitte steht eine Fächerpalme auf einem Podest, im Hintergrund schmücken etliche Fächerpalmen das Areal und erinnern an vergangene Pracht.

1801 kamen die ersten Wasserbüffel auf die Insel

Nach dem Tod Friedrich Wilhelms II. 1779 folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm III. auf den Thron. Der scheue neue König hatte eine erstaunliche Leidenschaft entwickelt: exotische Tiere. 1801 kamen die ersten Wasserbüffel auf die Insel, und ein Gehege für bengalische Hirsche wurde angelegt. Dem unter seinem Vater als Heuschober errichteten Pfauenstall fügte er einen Affen- und Adlerkäfig hinzu. 1815 besuchte der König in Paris den „Jardin des Plantes“, eine Kombination aus botanischem und zoologischem Garten. Begeistert kehrte er nach Berlin zurück und beschloss, etwas Ähnliches auf der Pfaueninsel anzulegen.

Gartenbaumeister Peter Joseph Lenné und Hofgärtner Ferdinand Fintelmann begannen 1816 damit, die Insel behutsam in einen Landschaftsgarten nach englischem Vorbild umzuwandeln. Die Käfige und Gehege wurden zusammen mit wertvollen botanischen Gewächsen in die Natur eingepasst. Lenné sammelte dabei Erfahrungen, die er später bei der Anlage des Zoologischen Gartens verwenden konnte. 1832 beherbergte die Menagerie stolze 847 Tiere.

Jan Uhlig zieht wieder seinen Fontane hervor. Dieser berichtet, dass den Berlinern damals eine Fahrt zur Pfaueninsel als das schönste Familienfest des Jahres galt. Die Insel erlebte einen riesigen Ansturm, mitunter kamen bis zu 6000 gut betuchte Besucher auf die Insel. Da müssen sich die turbulentesten Szenen abgespielte haben, sodass beschlossen wurde, die Insel für Besucher nur noch von Dienstag bis Donnerstag zugängig zu machen.

Könnten die heutigen Besucher mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1832 zurückreisen, würden sie sich verwundert die Augen reiben: Ein Affenhaus war entstanden, dazu Gehege für Kängurus, Lamas, Löwen, Murmeltiere, Rentiere, Wölfe und viele Käfige und Volièren für Vögel wie Adler, Falken, Eulen, Papageien ... Selbst Strauße und Kasuare – eine aus Neuguinea stammende Laufvogelart – stolzierten über die Insel.

Mit langem Hals. Der Zoo feiert sein 175-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumsfest.
Mit langem Hals. Der Zoo feiert sein 175-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumsfest.

© Thilo Rückeis

Die Gruppe zieht weiter, vorbei am Jakobsbrunnen und dann am Lamabrunnen, einem steinernen Wasserbecken mit Mittelfontäne. Hier handelt es sich um das Relikt eines ehemaligen Gebäudes, dem Lamahaus. Das 1830/31 errichtete Tierhaus für Lamas und Papageien war das größte und aufwendigste der ehemals zahlreichen Menageriebauten auf der Pfaueninsel. Es brannte 1842 ab; von der 1870 abgetragenen Ruine blieb nur der Brunnen im ehemals eingezäunten Freigehege erhalten.

Danach wird zur Volière, dem Pfauenaufzuchtsgehege und dem Winterhaus für exotische Vögel gewandert, vorbei an der sprudelnden römischen Wasserfontäne und dem verschilften Wasservogelteich. Die Volière, 1824 errichtet, beherbergte ursprünglich einheimische und exotische Vögel wie Pfauen, Löffelreiher und Lerchen. Sie war Teil der Menagerie und ist weitgehend unverändert geblieben. 2009 bis 2011 wurde sie restauriert. Zur Zeit werden ausschließlich Hühner- und Fasanenvögel gehalten.

Pfauen, die über die Havel fliegen? Ja, das gibt es

Vor einigen Jahren gab es große Aufregung auf der anderen Havelseite, in Kladow, als dort Pfauen entdeckt wurden. Kamen sie von der Insel? „Ja, definitiv, unsere Vögel sind beringt, ein- oder zweimal im Jahr kommt das vor“, erzählt der für die Fasanerie verantwortliche Mitarbeiter.

Aber Pfauen sollen schlecht fliegen können? „Wenn die fliegen wollen oder müssen, dann können die auch fliegen. Ein Vogel springt dann von Ast zu Ast bis in die Spitze eines Baumes, wartet eine passende Windströmung ab und segelt über die Havel. Dort stößt er seine markerschütternden Schreie aus und lockt seine Artgenossen herbei“, berichtet ein Kollege. „Pfauen sind sehr kräftige Tiere. Einmal hat ein Mitarbeiter beim Einfangen nicht richtig zugegriffen, sodass die Flügel freikamen. Der Mitarbeiter ist auf die Knie gefallen und wurde vom flatternden Vogel etliche Meter über den Boden geschleift. Besser ist es, sie mit Rosinen anzufüttern und dann in ein kleines Holzhaus zu locken.“

Von der Volière geht es zum Pfauenaufzuchtsgehege. Hier werden jährlich etwa acht bis zehn Tiere nachgezogen. Die Küken bleiben ein Jahr lang im Gehege, um sie zu schützen, dann werden sie ausgesetzt. Frei auf der Insel laufen zur Zeit etwa 30 Pfauen umher. Nur wenige Schritte entfernt liegt das Winterhaus für fremde Vögel, 1828 errichtet und mit der Volière das einzige Gebäude aus der Zeit der Menagerie auf der Insel. Früher wohnten hier die Gärtner, jetzt ist in dem Häuschen der Brutapparat untergebracht.

Bitte mal hergucken. Tier und Mensch beim Jubiläumswochenende des Berliner Zoos.
Bitte mal hergucken. Tier und Mensch beim Jubiläumswochenende des Berliner Zoos.

© Thilo Rückeis

Nun gibt es eine Überraschung: Jan Uhlig will mit der kleinen Gruppe ein Experiment wagen, sozusagen eine Premiere: Er will mit den Teilnehmern in die alte Bärengrube steigen. Der Vorschlag wird begeistert aufgenommen. Uhlig schreitet forschen Schrittes einen breiten Weg entlang und stoppt unvermittelt. Er zeigt nach links: Dort, verborgen von dichtem Gestrüpp, soll sich der Zugang zur Bärengrube befinden.

Gebückt kämpfen sich alle durchs Buschwerk und stehen plötzlich vor einem kleinen Abhang. Unten befindet sich der Eingang. Vorsichtig geht es den abschüssigen Weg und dann auf ausgetretenen Stufen nach unten – und dann wird die ehemalige Bärengrube durch eine Tür betreten: Ein kühles, dunkles Verlies öffnet sich. Wer ein Handy dabei hat, bringt mit der Taschenlampe Licht ins Dunkel. Deutlich sind an den Wänden die Ringe zu erkennen, an denen die Bären angekettet waren.

In der Mitte stand damals ein Kletterbaum für die Tiere, die hier unten nie lange lebten und immer wieder ausgetauscht wurden. Das Gewölbe war oben offen, sodass die Besucher schaudernd in die Grube auf die wilden Bären schauen konnten. Nach Auflösung der Menagerie durch König Friedrich Wilhelm IV. wurden hier später Kartoffeln gelagert und Pflanzen zum Überwintern ins Verlies gebracht. Heute ist die Bärengrube übermauert und überwachsen und dient Fledermäusen als Quartier. Als alle wieder an die Oberfläche gekommen sind, wird unter Gelächter durchgezählt, ob auch niemand versehentlich im Verlies geblieben ist.

Der Biberteich ist ausgetrocknet

Die Führung geht nun dem Ende entgegen, aber Jan Uhlig hofft, der Gruppe noch die Wasserbüffel zeigen zu können. Vorbei geht es am Beelitzer Jagdschirm und dem ausgetrockneten Biberteich, vorbei an bizarr anmutenden Baumgestalten – kahl, zerborsten – vorbei an dicht belaubten Bäumen, durch die immer wieder das Wasser der Havel schimmert und in deren Kronen der Wind rauscht. Hinter dem Luisentempel beginnt die umzäunte Hechtlaichwiese.

Zehn Augenpaare lassen die Blicke schweifen, bis die Büffel zu sehen sind. Mitten auf der Wiese stehen vier massige schwarze Tiere und lassen sich das feuchte Grünzeug schmecken. In jedem Frühsommer werden sie vom Darß auf die Insel gebracht, zwei Muttertiere mit ihren Kälbern, wo sie bis Mitte Oktober bleiben und die Wiese beweiden.

Hier nun endet die dreistündige Führung zu den Überbleibseln der ehemaligen Menagerie, und Jan Uhlig holt noch einmal Fontane hervor und liest vor. Schöner als mit dessen Worten kann dieses kleine Eiland kaum beschrieben werden.

Gitta Schlusche

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