zum Hauptinhalt
Matthias Kollatz (SPD), Berlins Finanzsenator, auf einer Pressekonferenz.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

160 Millionen Euro Einsparung in Coronakrise: Berliner Bezirke kritisieren Forderung von Finanzsenator Kollatz

In einem internen Schreiben hat Finanzsenator Kollatz die Bezirksbürgermeister aufgefordert, Einsparungen vorzunehmen. Die reagieren mit eigenen Vorschlägen.

Von Ronja Ringelstein

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) fordert von den zwölf Berliner Bezirken angesichts der hohen Kosten der Corona-Krise Einsparungen. Kollatz hat die Bezirksbürgermeister in einem internen Schreiben aufgefordert, insgesamt 160 Millionen Euro im laufenden und im kommenden Jahr zu sparen. „Die aktuelle Situation macht solidarisches Handeln erforderlich. Die „Berliner Morgenpost" hatte zuerst berichtet. Das gilt gerade auch mit Blick auf den finanziellen Spielraum im Land Berlin“, zitiert die Zeitung den Finanzsenator. „Wir stehen vor einer historischen Neuverschuldung.“

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Stephan von Dassel (Grüne), Bürgermeister von Mitte, sagte dazu: „Will ich (..) sparen, muss ich Bibliotheken schließen, auf die Sanierung von Schulen verzichten oder offene Personalstellen unbesetzt lassen.“ Lichtenbergs Schulstadtrat Kevin Hönicke kommentierte: „Es gilt, hier eine gemeinsame Linie zu finden, mit der alle leben können.“ 

Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann (Grüne) äußerte sich am Samstagvormittag kritisch zu der Forderung. Sie twitterte: "Die SPD wiederholt die Fehler von Sarrazin. Die Bezirke kaputtsparen und sich dann beschweren, dass die Stadt nicht mehr funktioniert. So fatal falsch damals wie heute!".

Die drei Bezirke Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf, sehen den Vorschlag des Finanzsenators besonders kritisch. Die Bezirksbürgermeister Sören Benn, Michael Grunst und Bezirksbürgermeisterin aus Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle, (alle Die Linke), haben einen gemeinsamen Gegenvorschlag verfasst, der vorsieht, dass die isolierten Jahresergebnisse 2020 für jeden Bezirk auf „Null“ gesetzt werden sollen. „Damit ist für jeden Bezirk klar, dass er in diesem Jahr weder Corona bedingte „Gewinne“ noch „Verluste“ erwirtschaften kann“, heißt es in einem internen Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Alles, was darüber hinausgehe, komme einer „Enteignung“ der Bezirke gleich.

„Für die Bezirke sind 160 Millionen ein Schlag ins Kontor", sagte der Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn dem Tagesspiegel. Natürlich seien Einsparungen immer überall möglich, so sei es „schon einmal durchexerziert worden". „Welche Folgen das hatte, kann noch heute in den Bezirken besichtigt werden", so Benn. „Wer jetzt den Bezirken an die Haushalte geht, muss sich fragen lassen, ob er wirklich verstanden hat, was da gemacht werden muss und dass das Tal, aus dem sie sich in den letzten Jahren herausgearbeitet haben, noch kaum verlassen ist."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Verplante Gelder sollen nicht einkassiert werden

„Herr Kollatz legt keine Strategie und keine Zahlen auf den Tisch“, sagte Michael Grunst aus Lichtenberg dem Tagesspiegel. Und Hauptkritikpunkt: „Der Finanzsenator kommt zu einer Unzeit mit dem Thema und spielt das auch noch über die Medien. Wir haben hier gerade andere Probleme, etwa wie wir verantwortungsvoll manches wieder hochfahren, was wegen der Corona-Pandemie heruntergefahren wurde“, sagte Grunst.

Der Bezirksbürgermeister verstehe zwar, dass gespart werden müsse. „Es gibt Posten, die wir dieses Jahr nicht ausgeben können. Die Gelder, die liegen bleiben, sollten einkassiert werden, aber nicht die, die wir schon verplant haben und brauchen."

Der Lichtenberger Schulstadtrat, Kevin Hönickem (SPD) pflichtet seinem Bezirksbürgermeister bei. „Dass jetzt ausgerechnet die Bezirke, die in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, Einsparungen auf sich nehmen müssen, wäre der falsche Weg. Die Überschüsse, die wir haben, sind ja verplant. Wir dürfen jetzt definitiv nicht anfangen, im Bereich Kita und Schule zu sparen.“ Lichtenberg plane beispielsweise, einen neuen Jugendclub zu bauen. „Das haben wir uns alles hart erarbeitet in den letzten Jahren. Dass man Lösungen finden muss, ist klar, aber man sollte nicht die bestrafen, die in den letzten Jahren gut gearbeitet haben“, sagte Hönicke.

Bezirkstadträtin für Finanzen in Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann warnt vor einer Rückkehr zu den „Sparen bis es quietscht“-Jahren. Auch Herrmann findet, der Vorschlag von Benn, Pohle und Grunst sei ein besserer. „Wir haben in unseren Haushalten wirklich zum überwiegenden Teil Ausgaben, die auf Rechtsansprüchen beruhen, wie beim Kita-Platz – da können wir gar nichts steuern“, sagte Herrmann und warnte, bei allem anderen gehe es ganz schnell darum, ob man Kultur- oder Jugendeinrichtungen dicht mache. „Oder wir sind wieder da wo wir schon mal waren: Das heißt, wir sparen uns kaputt und streichen Stellen, die wir brauchen. Das hat uns in den Abgrund geführt, aus dem wir gerade ein Stück herausgekommen waren“, sagte Herrmann.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Aufgrund der wirtschaftlichen Beschränkungen wegen der Coronakrise sind die Steuereinnahmen des Landes Berlin im April drastisch eingebrochen (lesen Sie hier mehr zum Thema). Das gilt besonders für die Gewerbesteuer, die im April (im Vergleich zum Vorjahresmonat) um mehr als 90 Prozent zurückgegangen sind. Es wurden nur noch fünf Millionen Euro eingenommen, im April 2019 waren es 73 Millionen Euro.

Aber auch das Aufkommen der Umsatzsteuer sei gegenüber April 2019 um 37 Prozent rückläufig, teilte die Finanzverwaltung des Senats am Donnerstag mit. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false