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Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD).

© Fabian Sommer/dpa

Update

150 Euro mehr im Monat für Landesbedienstete: Umstrittene „Hauptstadtzulage“ soll zum 1. November kommen

Berlin riskiert mit der Hauptstadtzulage einen Konflikt mit anderen Ländern. Der Finanzsenator sieht das mit Sorge. Wenn es Ärger gibt, könnte der Senat nicht viel machen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin will die umstrittene „Hauptstadtzulage“ von 150 Euro im Monat für seine Landesbediensteten wie geplant einführen – auch wenn es deswegen Ärger mit anderen Bundesländern geben könnte. Das hat der Senat am Dienstag beschlossen.

Mit dem entsprechenden Beschluss riskiert der Senat einen Konflikt mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), die den Berliner Alleingang abgelehnt hatte. Schlimmstenfalls könnte ein Rauswurf die Folge sein. „Ein Ausschluss aus der Tarifgemeinschaft der Länder wäre Mist“, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD).

Kollatz, der die teure Hauptstadtzulage für einen begrenzten Personenkreis im öffentlichen Dienst von Anfang an sehr skeptisch begleitet hat, musste sich am Ende dem Machtwort aus der SPD-Fraktionsspitze fügen. Die Sozialdemokraten hatten die außertarifliche Zulage, die auf einen SPD-Parteitagsbeschluss zurückgeht, vor der Coronakrise gegenüber den Regierungspartnern Grüne und Linke durchgedrückt.

Nachdem die TdL im Juli mit deutlicher Mehrheit die Zulage abgelehnt hatte, stellte die SPD koalitionsintern sofort klar, dass sie davon nicht abrücken werde. Auch das Risiko eines Ausschlusses des Landes Berlin aus der Tarifgemeinschaft würde billigend in Kauf genommen. Die Unterstützung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und des Beamtenbundes war den Sozialdemokraten gewiss. In dieser schwierigen Situation wollten Linke und Grüne nicht schuld sein – beide Koalitionsparteien lenkten intern ein.

130.000 öffentlich Bedienstete wollten sie nicht gegen sich aufbringen, im nächsten Jahr wird in Berlin gewählt.

Ein Ausschluss aus der Tarifgemeinschaft ist durchaus möglich

Der Finanzsenator hatte erst recht keine Chance, sich erfolgreich zu wehren, in der SPD-Fraktion gilt er schon länger als politisch angezählt. Ihm wird von einflussreichen Genossen vorgehalten, dass er aus finanzpolitischen Gründen zu oft gegen den Kurs der Fraktion arbeite, die mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 gern viel Geld verteilt. Aus Kreisen der TdL ist zu hören, dass ein Ausschluss des Landes Berlin wegen der Hauptstadtzulage nicht zwingend, aber möglich sei. Der Missmut gegenüber Berlin ist groß.

„Es wird mit ziemlicher Sicherheit eine Diskussion über den Ausschluss in der TdL geben“, sagte Kollatz nach der Senatssitzung am Dienstag. Wenn ein Antrag auf Ausschluss gestellt werde, könne der Senat nur versuchen, genügend Länder zu überzeugen, dagegen zu stimmen. „Und dann muss man eben sehen. Die Argumente der anderen Bundesländer sind ja nicht aus der Luft gegriffen“, sagte der Finanzsenator. „Ich rate ein bisschen zur Demut.“

Die TdL führt auf Arbeitgeberseite die Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesländer. Sie hat sich gegen die Zulage ausgesprochen, die Berlin für den 1. November angekündigt hat.

Aus Sicht der TdL schwäche der Berliner Plan den Flächentarifvertrag, sagte Kollatz. Gerade in der Coronakrise erscheine die Zulage anderswo außerdem als aus der Zeit gefallen.

Etwa 124.000 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst sollen die Zulage erhalten

Weil die Finanzmittel beschränkt seien, sollten sie nicht durch eine Zulage gebunden werden, erläuterte der Berliner Senator die Position der Gegenseite und machte deutlich, dass er viel Verständnis für die Bedenken hat: „Die Argumente sind nicht von der Hand zu weisen.“

Die formalen Konsequenzen eines Ausschlusses seien überschaubar. „Wenn wir ausgeschlossen würden, wäre das Thema eine gewisse Zersplitterung. Und diese Zersplitterung ist kein Vorteil“, sagte Kollatz. Bei Tarifverhandlungen müsste es für Berlin künftig Spezialverhandlungen geben. Dem Vernehmen nach hat auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) im Senat eindringlich gewarnt, dass ein TdL-Rauswurf möglich sei.

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Die „Hauptstadtzulage“ sollen etwa 124.000 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst erhalten, die weniger als rund 5000 Euro verdienen. Als „Schätzgröße“ für damit verbundenen Ausgaben pro Jahr nannte Kollatz 240 Millionen Euro. „Es ist damit zu rechnen, dass wir nicht zum 1. November alles umgesetzt haben“, sagte Kollatz. Er sei aber optimistisch, dass das noch in diesem Jahr klappe.

Die monatlich 150 Euro der Hauptstadtzulage können die Landesbeschäftigten in Form eines Jobtickets plus Barzulage bekommen. „Das ist finanziell deutlich attraktiver“, erklärte der Finanzsenator. „Die Beträge, die für das Jobticket angerechnet werden, sind steuerfrei.“ Wer das nicht wolle, könne auf das Jobticket aber auch verzichten. Er hoffe allerdings, auch aus ökologischen Gründen, dass sich nur wenige so entschieden. (mit dpa)

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