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Ballhart. Beim Strandvölkerball legen sich die Teams ordentlich ins Zeug - auf dem Feld, aber auch hinterher an der Bar.

© DAVIDS/Sven Darmer

13. Strandvölkerball-WM: Schmetterbälle und Spreewald-Gurken

Bei der Strandvölkerball-Weltmeisterschaft in Mitte kommen Sommerspaß, guter Wille und schierer Blödsinn zusammen.

Die Völker der Welt schauten wieder einmal auf diese Stadt. Genauer gesagt, auf die Gegend am Nordbahnhof, wo in der Strandbar Beach Mitte nun vier Tage lang die mittlerweile 13. Weltmeisterschaft im Strandvölkerball ausgetragen wurde.

Für eine solche WM braucht es: Strand, ersatzweise feinen Spielsand, Liegestühle fürs Publikum, einen launigen Conférencier, Schaumgummi-Bälle und Völker aller Art. Die Veranstalter sind da nicht pingelig: Volk ist, wer mit vier Frauen und vier Männern in einheitlichen Shirts antritt und Spezialitäten seines Volkes anbietet. Die Preußen etwa offerieren Klappstullen, eingelegte Eier, und Spreewald-Gurken.

In die Ecke treiben und druff

Der amtierende Weltmeister nennt sich R-Volk. Mit dabei sind die Moabiter Spreewanen, die in Sträflingskleidung und aneinandergekettet auf das Spielfeld geführt werden. „Resozialisierung durch Sport“, lautet hier das Motto. Die Gegner bieten ebenfalls ausgefeilte Choreographien beim Einmarsch. Die Preußen präsentieren sich mit Pickelhaube und angeklebtem Kaiser-Wilhelm-Bart („Geht leider nicht so leicht wieder runter“, gestehen die Frauen danach), untermalt von „Preußens Gloria“. Zu den schmissigen Klängen des Marsches wedeln die Zuschauern gehorsam mit Berlin-Winkelementen. Andere Völker sind die Titanen, die Hessen, die Marokkaner und Bantabaa, eine ernsthafte Gruppe, die Menschen aus aller Welt einen Treffpunkt bietet und Flüchtlingshilfe leistet.

Worum geht’s beim Völkerball? Durch Abwerfen wird eine Mannschaft dezimiert, bis nurmehr die Königin übrig ist, die mehrere Leben hat. Vorherrschende Strategie: in die Ecke treiben und druff.

Das Grölen der Schadenfreude

Elke Allenstein, die gute Seele der Veranstaltung, betont den Spaßfaktor der Veranstaltung. Keine Mannschaft darf mit einem Werbenamen antreten. „Wir wollen es wirklich nicht kommerziell haben.“ Dennoch haben sie einige Sponsoren. Der Mann am Mikro, der mit Berliner Mutterwitz die Spielzüge kommentiert, empfiehlt nebenher eine Fitness-Kette. Und natürlich freut sich auch die Beach-Bar, die an diesem Wochenende 3000 Besucher zählt.

Junges Mitte-Publikum: Flip-Flops, Sonnenbrille, Smartphone, beruflich irgendwas mit Medien. Vor allem will man den Sommerabend nett verbringen. Spaß haben. Die Spiele im feinen Sand entlocken dem lässig hingelagerten Zuschauervolk nicht das Schnalzen des Connaisseurs, sondern das Grölen der Schadenfreude. „In your face!“, heizt der Moderator die Stimmung an, wenn ein Spieler den Ball ins Gesicht bekommt. Nur gelegentlich können akrobatische Einlagen beklatscht werden. Die nackten Oberkörper der Männer und die knappen Shorts der Damen sind auch nett anzusehen. Warum nach Mallorca schweifen, wenn der Ballermann gleich um die Ecke liegt?

Schulsport-Traumata aufarbeiten

Die ironische Haltung ist hier ein Muss. Es gehe ja auch darum, so Elke Allenstein augenzwinkernd, tiefsitzende Traumata des Schulsports behutsam abzubauen. Wer damals beim Völkerball auf dem Turnhallenboden blaue Flecken von Medizinbällen davontrug, darf hier entspannt im Liegestuhl verfolgen, wie junge Menschen sich im weichen Sand balgen. Und wer meint, dass Frauen nicht werfen können, wird hier in Mitte eines Besseren belehrt: Auch Männer können nicht werfen. Dazu legt DJ Red Bars schleppende Sunshine-Reggae-Rhythmen auf. Das nächste Bier ist auch schon bestellt. Und am Ende gewinnen am Sonntag bei Saharahitze die Preußen das Finale gegen die Marokkaner.

„Fun ist ein Stahlbad“, konstatierten Adorno und Horkheimer vor fast 70 Jahren. Damals ahnten die Meister der steilen Thesen nicht, dass aus dem Stahlbad ein Bällebad werden sollte, an diesem Wochenende am Nordbahnhof gar ein Völker–Bällebad.

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