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Slowik und weitere Gäste trafen sich an einem Wochenende im Februar in Schlesingers Wohnung. Den Gästen wurde ein Vier-Gänge-Menü im Wert von 1155 Euro serviert.

© Kai-Uwe Heinrich

1155 Euro, Schampus, Wein: Auch Berliner Polizeipräsidentin war Gast bei Ex-Intendantin Schlesinger

Berlins Polizeipräsidentin nahm an einem Abendessen bei der jüngst zurückgetretenen RBB-Intendantin teil. Von ihren Spesen will sie nichts gewusst haben.

In der Verschwendungs- und Kungel-Affäre um RBB-Ex-Intendantin Patricia Schlesinger ist nun auch Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik in Erklärungsnot geraten. Denn bei einem der ausgerichteten Abendessen war auch Slowik zu Gast. Dieses wurde von Schlesinger in ihrer Wohnung auf Kosten des Senders veranstaltet.

Dabei gelten für Beamte strenge Regeln für die Annahme von Geschenken und Bewirtungen. Ein Beamter darf im Dienst nicht einfach „Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile“ annehmen, wie es im Gesetz heißt. Wer dagegen verstößt, muss mit harten Maßnahmen rechnen – bis zu Strafverfahren und die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.

Schlesinger bewirtete also daheim gern illustre Gästerunden – den Cateringservice aber bezahlte nicht Schlesinger mit ihrem Jahresgehalt von 300.000 Euro pro Jahr. Die Kosten trug der Sender - und damit der Gebührenzahler.

Bewirtet wurden in verschiedenen Runden ihr Ehemann Gerhard Spörl, Ex-Charité-Chef Max Einhäupl mit Frau, Münchens Filmhochschul-Präsidentin Bettina Reitz mit Mann, der Ex-Chef des Bundespräsidialamts Stephan Steinlein mit Frau, Ex-Botschafter Wolfgang Ischinger, Ex-Senatskanzlei-Chef André Schmitz (SPD), aber auch Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik mit Mann.

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Ein Brandenburger Landespolitiker sagt, Schlesinger habe offenbar einen privaten Salon betrieben, finanziert vom Sender.

So war es etwa am 12. Februar 2022. An diesem Abend waren neun Personen geladen, neben Schlesingers Mann auch Polizeipräsidentin Slowik nebst Mann, aber auch Charité-Chef Heyo Klaus Kroemer und seine Frau. 1154,87 Euro kostete das üppige Mahl, 127 Euro pro Person.

Auf dem Programm standen ein Vier-Gänge-Menü, sechs Flaschen französischer Rotwein für 28,45 Euro das Stück, sechs Flaschen französischen Weißweins für 24,65 Euro je Flasche, aber auch zwei Flaschen Champagner der Marke Veuve Clicqout für insgesamt 83 Euro. Hinzu kommen noch Kosten für Tischwäsche, Service und Küche sowie Lieferung für 227,50 Euro.

Slowik sei „erstaunt und irritiert“ über Spesenabrechnung

Warum hat die Polizeipräsidentin diesen üppigen, vom RBB bezahlten Vorteil in Form eines preislich sehr gehobenen Abendessens angenommen? Für Beamte, also auch für die Polizeipräsidentin, gilt: „Die selbstlose, uneigennützige und auf keinen persönlichen Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte ist eine der wesentlichen Grundlagen eines am Wohl der Bevölkerung ausgerichteten öffentlichen Dienstes“, wie es in einem Merkblatt des Landes Berlin für den öffentlichen Dienst heißt.

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„Beschäftigte, die in Bezug auf ihr Amt oder ihren Beruf Geschenke oder sonstige Vorteile annehmen, gefährden das Vertrauen der Allgemeinheit und ihrer Behörde in ihre Zuverlässigkeit“, steht dort weiter. „Sie erwecken zugleich den Verdacht, für Amtshandlungen allgemein käuflich zu sein und sich bei ihren Dienstgeschäften nicht ausschließlich an sachlichen Erwägungen zu orientieren, sondern sich auch von der Rücksicht auf die ihnen zugesagten, gewährten oder von ihnen geforderten Vorteile leiten zu lassen.“

Nach Darstellung eines Polizeisprechers will Slowik gar nicht gewusst haben, dass dieses opulente Mahl vom Gebührenzahlen finanziert wurde. „Frau Dr. Slowik hat die Information darüber, dass die Kosten für ein Abendessen bei der Familie Schlesinger und Spörl dem RBB in Rechnung gestellt wurden, mit großem Erstaunen und Irritation am gestrigen Tag zur Kenntnis genommen“, sagte der Sprecher. „Es war für sie in keiner Weise ersichtlich, dass dieses Treffen einen beruflichen Hintergrund hatte.“

Die Polizeipräsidentin und ihr Ehemann seien „von dem schon seit Längerem privat bekannten Ehepaar Schlesinger und Spörl“ eingeladen worden – und zwar zur „Einweihung der neuen Wohnung mit Freunden“.

Auch die Gesprächsinhalte seien „rein privater Natur“ gewesen. „Hätte sich auch nur ansatzweise abgezeichnet, dass es sich um ein geschäftliches Essen auf Kosten des RBB handelt, hätte Frau Dr. Slowik die Kosten übernommen“, sagte der Sprecher.

Aber wie privat kann die Polizeipräsidentin sein? Gerade wenn sie mit der Intendantin zu tun hat, deren Sender auch die Aufgabe hat, die Arbeit der Polizei kritisch zu begleiten. Der Polizeisprecher verwies auf die „Ausführungsvorschriften über das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen“. Demnach entstünden bei einer „rein privaten Teilnahme an einer privaten Feier keine Verpflichtungen“. Und: „Eine Genehmigung musste nicht eingeholt werden.“

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Dennoch hat die Polizeipräsidentin eine herausgehobene Stellung. Daher gebe es „mit Rücksicht auf die gesellschaftlichen Verpflichtungen ihres Amtes eine Ausnahmegenehmigung“ der Senatsinnenverwaltung. Im Rahmen repräsentativer Aufgaben darf sie demnach sehr wohl bei offiziellen Anlässen Vorteile annehmen, etwa eine übliche, aber auch angemessene Bewirtung. Wäre Slowik also vom Sender zu einem Empfang beim RBB eingeladen worden, hätten sie dort auch speisen dürfen. Dieser Vorteil wäre von der Ausnahmegenehmigung aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung erlaubt.

In dem Merkblatt der Senatsfinanzverwaltung heißt es dazu, es bestehen keine Bedenken, wenn Behördenleiter „Frei- und Eintrittskarten, kostenlosen Besuch von Sportveranstaltungen oder kulturellen Veranstaltungen im Rahmen gesellschaftlicher Gepflogenheiten“ annehmen.

Luthe fordert Akteneinsicht über die abgerechneten Bewirtungsunterlagen

Nicht allen reicht das. „Die Kritik allein an Frau Schlesinger greift zu kurz. Wer ein hohes Verwaltungsamt hat, muss jeden Anschein fehlender Unabhängigkeit oder gar Parteilichkeit vermeiden“, sagte der frühere Abgeordnete Marcel Luthe als Vorsitzender der von ihm selbst gegründeten Good Governance Gewerkschaft. Dies sei bislang nur die Spitze des Eisbergs. „Ich bin gespannt, wer alles - etwa aus Justiz, Verbänden und Rundfunkrat - noch zu diesen undurchsichtigen Hinterzimmerzirkeln gehört.“

Luthe hat nun nach dem Informationsfreiheitsgesetz Akteneinsicht beim RBB über die Bewirtungsunterlagen der Intendantin beantragt. „Die Freundschaften, die spontan zwischen hohen Funktionsträgern entstehen, kannte man in Bayern lange als ‚Amigos‘“, sagt Luthe.

Es entstehe der Eindruck, als hätten jene Gäste „in Hinterzimmerrunden die Unabhängigkeit und Neutralität des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks untergraben“, „die beruflich etwas mit dem RBB zu tun haben, etwa durch die vierte Gewalt kontrolliert werden sollten“.

Die Schlesinger-Affäre des RBB hat womöglich auch ein strafrechtliches Nachspiel für die zurückgetretene RBB-Intendantin Schlesinger. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet

Ermittelt wird gegen Schlesinger, ihren Mann, Ex-„Spiegel“-Journalist Gerhard Spörl, sowie gegen den bisherigen RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf – wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsannahme.

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