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Außenansicht des Lichtenberger Rockhauses in der Buchberger Straße.

© Ronja Straub

Update

1000 Musiker verlieren Proberaum: Rockhaus-Eigentümer sucht Büromieter

Drehstühle statt Gitarren: Aus dem Rockhaus in Berlin-Lichtenberg soll ein Bürogebäude werden, Mieter werden bereits gesucht. Den Musikern wurde gekündigt.

Im "Rockhaus" in Berlin-Lichtenberg proben rund 1000 Musikerinnen und Musiker - aber im Juni müssen sie raus, obwohl der Mietvertrag eigentlich noch bis 2023 läuft. Doch die Räume werden bereits als Büros weitervermietet, das Gebäude soll saniert werden.

Seit mehreren Jahren gibt es einen Rechtsstreit zwischen Betreiber Dirk Kümmele und Eigentümer Shai Scharfstein. Es ging um angeblich nicht eingehaltenen Brandschutz, um das Entfernen von alten Kabeln.

2016 hatte Scharfstein dem Rockhaus bereits fristlos gekündigt, samt Räumungsklage. Doch die Räumung konnte verhindert werden, Kümmele gewann vor Gericht. Denn das Entfernen von Altlasten sei Vermietersache, so entschied das Kammergericht.

Auch nach dem Gerichtsbeschluss ging der Streit weiter, die Musiker lebten immer in Ungewissheit, hier weitermachen zu können. Zur Fête de la Musique verlangte Scharfstein 500 Euro von Kümmele, wenn hier öffentlich Musik gemacht werden sollte. Da auf der alljährlichen Fête de la Musique alle Künstler ohne Gage auftreten und die Veranstalter keinen Eintritt nehmen, hat Kümmele die Beteiligung an der Fête abgesagt.

Der Mietvertrag läuft eigentlich noch bis 2023. Doch nun hat Kümmele den Musikern überraschend gekündigt. Ende Juni müssen sie raus, das teilte ihnen Kümmele "schweren Herzens" in einer Rundmail mit. Die letzten drei Jahre seien nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

Zwar sei er als Sieger aus den Rechtsstreits herausgegangen, "aber leider war das Verhältnis zum neuen Eigentümer stark belastet." Es habe neue Streitigkeiten gegeben. "Ich erspare euch die Details." Für ihn sei ein "nicht mehr tragbares finanzielles bzw. existentielles Risiko eingetreten." Zum 30.6.2019 werde er das Objekt in der Buchberger Straße 6 komplett geräumt und besenrein übergeben müssen.

Anwaltskanzler des Eigentümers wechselte

Auf Nachfrage wollte sich Kümmele nicht näher dazu äußern. Er wolle zusammen mit dem Eigentümer durch eine gemeinsame Pressemitteilung an die Öffentlichkeit treten. Das sagte auch die neue Anwaltskanzler von Scharfstein, die nach dem gescheiterten Gerichtsstreit übernommen hat.

Für die Musiker im Haus kommt die Kündigung überraschend. Matthias Kleine, Drummer der Band "Able Bodies", erzählt, es sei sehr schwer, kurzfristig einen neuen Proberaum zu finden. "Vielleicht finden wir was noch tiefer im Osten von Berlin", hofft er. Aber da alle Bandmitglieder im Westen wohnen, müsse man schauen, ob man so weit fahren wolle. Sein Equipment werde er nun erstmal im Kinderzimmer lagern.

Schwer, neue Proberäume zu finden

Auch Kümmele schreibt in seinem Brief an die Musiker: "Auf dem gewerblichen Immobilienmarkt ist leider kaum noch etwas mit entsprechenden Mietpreisen zu finden, um euch Proberäume zu ähnlichen Mieten wie bisher anbieten zu können." Er suche daher um Hilfe bei der Politik und habe schon mit Kultursenator Klaus Lederer (Linke) gesprochen. Es gebe gemeinsame Bemühungen mit der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) eine landeseigene Immobilie für den Weiterbetrieb zu finden. Es hätten bereits Besichtigungen stattgefunden.

Weiterbetrieb durch die Senatsverwaltung?

Die Pressestelle der BIM bestätigte das auf Nachfrage. In den letzten Wochen seien "mehrere Objekte" besichtigt worden. Man könne aber noch nicht mehr dazu sagen, es werde noch geprüft. Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa prüft unterdessen die Anmietung des Rockhauses – auf Grundlage eines aktuellen Angebots vom 15. März. Oder es könnte einen Alternativstandort in Eigenregie geben. Dazu finden Gespräche und Wirtschaftlichkeitsberechnungen statt.

Kultursenator Lederer: "Es kann noch keine Lösung in Aussicht gestellt werden. Der Verlust des Hauses wäre für die Musiker*innen ein ernsthaftes Problem und verschärft die Schwierigkeiten, in Berlin geeignete Proberäume, gerade auch für Musik, zu finden."

Das Gebiet um das Rockhaus wird sich in nächster Zeit verändern. Direkt nebenan, in der Buchberger Straße 8a, möchte der Investor Harry van Caem einen modernen Gewerbekomplex errichten. Dieser war zuletzt in den Schlagzeilen, da bekannt wurde, dass van Caem eine Großspende von 60.000 Euro an die CDU-Lichtenberg überwiesen hatte.

Ehemalige Proberäume bereits als Büroräume im Angebot

Auf Immobilienscout24.de werden die Räume vom Rockhaus bereits für 18 Euro Miete pro Quadratmeter angeboten – zur Nutzung als Bürofläche. „Profile Property Consulting GmbH“ agiert im Namen des Eigentümers und wollte sich auf Nachfrage nicht weiter dazu äußern. Die Anzeige sei aber echt und am Wochenende erstellt worden.

Von dort agierenden Musikern wusste eine Ansprechpartnerin nichts.  In der Objektbeschreibung heißt es, das fünfgeschossige „Bürogebäude“ werde umfangreich saniert und um eine Etage aufgestockt, es soll Großräume wie auch Einzelbüros, Lounges und Teeküchen geben.

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