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"Freiheit für Peter!!" steht am 24.07.2017 in Berlin an der Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg auf einem Zettel.

© dpa/Paul Zinken

100 Tage Haft in der Türkei: Als Peter Steudtner den Berlin-Marathon mitlief

Pfarrerin Almut Bellmann spricht im Interview über die Briefe des inhaftierten Menschenrechtlers aus Berlin

Am Freitag, den 13. Oktober 2017, sitzt der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner genau 100 Tage in türkischer Untersuchungshaft. Jeden Abend hält die evangelische Gemeinde der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg eine Andacht für ihr Gemeindemitglied ab, Dutzende Leute finden sich dann zusammen, singen und halten Fürbitte. Wir haben mit Pfarrerin Almut Bellmann darüber gesprochen, wie es Peter Steudtner nach gut drei Monaten Haft bei Istanbul geht.

Frau Bellmann, haben Sie selbst Kontakt zu Peter Steudtner?

Ich selbst stehe nicht in direktem Kontakt zu ihm, aber er verfasst offene Briefe an Freunde und Unterstützer. Davon gibt es jetzt vier, der erste kam Anfang September – davor war das gar nicht möglich. Dieser Briefverkehr läuft über die „Kurve Wustrow“, eine Bildungs- und Begegnungsstätte, für die er auch arbeitet. Die gibt nach Absprache mit seinen Anwälten, die wöchentlich Kontakt zu ihm haben, eine Art Newsletter heraus.

Wie geht seine Familie mit dieser unerträglichen Situation um?

Die Familie darf alle zwei Wochen für zehn Minuten mit ihm telefonieren. Außerdem ist sie viel mit den Anwälten im Gespräch, die es als Zeichen der Hoffnung werten, dass nun die Anklageschrift vorliegt und das Verfahren losgeht. Denn aus der U-Haft ist bislang niemand entlassen worden. Daran hält sich auch die Familie fest. Manche Gemeindemitglieder haben engen Kontakt zu ihr. Dadurch sowie durch die Anwälte und Steudtners Briefe wissen wir, wie es ihm geht.

Und, wie gehts es ihm? Was schreibt er?

Er beschreibt darin, wie er sich selbst bei Kraft und Hoffnung erhält. Er macht Sport so gut es geht, läuft viel. Er ist sogar in seinem kleinen Gefängnishof den Berlin-Marathon mitgelaufen. Er hat aber nicht die ganze Strecke geschafft – zu viele Ecken und Kurven. Außerdem hat er sich mit seinem türkischen Mithäftling Spiele gebastelt, unter anderem eine Art Backgammon. Der junge Mann bringt ihm Türkisch bei. Neuerdings stehen ihm auch endlich Stift und Papier zur Verfügung, momentan schreibt er wohl an einem Workshop für die „Kurve Wustrow“.

Wie wirken die Briefe auf Sie?

Seine Berichte strahlen eine Energie aus, die beeindruckend ist. In einer Situation, in der man auch nur Ohnmacht empfinden könnte. Er versucht, sich auf Dinge zu konzentrieren, die im sinnvoll erscheinen. Er will produktiv bleiben.

Weiß Steudtner von den allabendlichen Andachten, die ihm gewidmet sind?

Ja. Anfangs war es für uns ein täglicher Kraftakt, diese Andachten aufrechtzuerhalten. Doch es ist leichter, seit die Information zu uns gedrungen ist, dass Peter Steudtner von unseren Fürbitten weiß. Er schrieb, dass er jeden Abend um 18 Uhr daran denke und einen Teil der Lieder, die er kennt, mitsinge.

Almut Bellmann ist seit anderthalb Jahren Pfarrerin an der Gethsemanekirche in der evangelische Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord – der Gemeinde Peter Steudtners.
Almut Bellmann ist seit anderthalb Jahren Pfarrerin an der Gethsemanekirche in der evangelische Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord – der Gemeinde Peter Steudtners.

© EKPN/promo

Wie ist die Stimmung bei den Andachten?

Es ist eine große Verbundenheit zu spüren, aber die Menschen gehen unterschiedlich mit der Situation um. Die Nachricht am Sonntag, dass eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren möglich sei, erschütterte viele im Raum, regte sie auf. Dann verbreitete jemand Optimismus, sagte, das sei vielleicht der nächste Schritt, es gehe voran.

Wie viele Menschen kommen da jeden Tag zusammen?

Zwischen fünf und 30 Teilnehmer, montags hingegen an die 100. Das kann als eine Art Wiederaufnaahme der früheren Montagsgebete verstanden werden. Außerdem musiziert dann unser Kantor, und ab sofort wird montags ein offizieller Vertreter der Landeskirche teilnehmen.

Empfinden Sie die Unterstützung von politischer Seite als ausreichend?

Wir hoffen, dass die politischen Verantwortlichen alles tun, was in ihrer Kraft steht. Angela Merkel antwortete uns im Sommer auf einen Brief, sie tue, was sie könne. Darauf müssen wir vertrauen. Aber oft befällt uns eine große Ungeduld.

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