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Justitia in Berlin.

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100 Jahre Staatsexamen für Frauen: Die Justiz in Berlin ist überwiegend weiblich

1919 durften Juristinnen erstmals das Staatsexamen ablegen. Seitdem hat sich in Berlin einiges getan. Nur nicht in höheren Positionen.

Von Laura Hofmann

Am Sonntag vor genau 100 Jahren, am 5. Mai 1919, erließ der damalige preußische Justizminister eine Verfügung „über die Zulassung weiblicher Personen zur ersten juristischen Prüfung“. Bis dahin durften Frauen zwar Jura studieren – allerdings auch erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts –, das Studium berechtigte sie aber lediglich zur Promotion. Noch bis 1922 mussten Juristinnen warten, um Berufe der Rechtspflege ergreifen zu können, also um etwa Richterin oder Staatsanwältin zu werden.

„Die Zulassung von Frauen zum Staatsexamen war ein wichtiger Schritt gegen Jahrtausende Patriarchat“, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) dem Tagesspiegel. Seitdem hat sich im Justizbereich einiges in Richtung Gleichberechtigung der Geschlechter getan. Während es 1980 nur 13 Prozent Frauen unter den Richterinnen und Richtern in Deutschland gab, lag deren Anteil 2016 bei rund 44 Prozent. In Berlin sind es heute sogar mehr Frauen als Männer im Richteramt. Unter den 1476 Richterinnen und Richtern sind aktuell 822 Frauen.

Bei der Staatsanwaltschaft stehen 176 Männer 232 Frauen gegenüber. Darüber freuen sich allerdings nicht alle. Denn viele Staatsanwältinnen setzen aus, wenn sie Kinder bekommen, oder arbeiten Teilzeit, weil sie immer noch häufig den größeren Anteil der Sorgearbeit innerhalb von Familien übernehmen. Deren Arbeitskraft, so klagen einige innerhalb der Behörde, fehle dann der ohnehin schon überlasteten Berliner Staatsanwaltschaft.

Viele Männer gehen in die Wirtschaft

Dass der Frauenanteil in der Justiz inzwischen so hoch ist, dürfte unter anderem damit zusammenhängen, dass besonders Männer sich nach einem guten Examen eher für einen Job in der Wirtschaft entscheiden, wo deutlich besser bezahlt wird. Und: „Auch in der Berliner Justiz ist die volle Chancengerechtigkeit bei Karrierepositionen immer noch nicht hergestellt“, sagt Behrendt. Will heißen: Die Beförderungspositionen sind weiterhin mehrheitlich von Männern besetzt.

Die Senatsverwaltung für Justiz will nun gemeinsam mit dem Deutschen Juristinnenbund (DJB) zumindest erreichen, dass mehr Frauen Prüferinnen für das erste und zweite juristische Staatsexamen werden. Derzeit sind Frauen in den Berliner Prüfungskommissionen mit 30 Prozent noch deutlich unterrepräsentiert. Justizsenator Behrendt und Sabine Wildfeuer, Vorsitzende des Berliner Landesverbands des DJB, sehen darin ein Problem, das zur Diskriminierung von Frauen beitragen könnte.

Marie Munk, eine Vorreiterin

Eine groß angelegte Studie aus Nordrhein-Westfalen kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Frauen in mündlichen Prüfungen besser abschneiden, wenn wenigstens eine Frau in der Kommission sitzt. Die Berliner Justizverwaltung und der Juristinnenbund rufen interessierte Juristinnen deshalb auf, sich als Prüferinnen bei der Senatsverwaltung zu melden. Zudem seien sie auch an Informationen darüber interessiert, was Frauen bisher davon abgehalten hat , Referendarinnen und Referendare zu prüfen.

Womit man – zumindest könnte man das annehmen – wieder bei der oben angesprochenen Sorgearbeit wäre. Wer neben dem Job als Juristin auch den Hauptanteil der Hausarbeit erledigt, hat vielleicht keine Lust, Zeit oder Energie, für eine Aufwandsentschädigung von 21 Euro pro Prüfling in einer Kommission zu sitzen.

Zum heutigen Jahrestag sei auch an eine Vorreiterin erinnert: Marie Munk, 1885 in Berlin geboren, legte kurz nach der Verfügung des preußischen Justizministers am 24. Januar 1920 das erste juristische Staatsexamen mit dem Prädikat „gut“ ab. 1929 wurde sie die erste Richterin in Preußen, zunächst am Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, ab 1930 am Landgericht des Kammergerichtes Berlin. Von 1930 bis 1933 war sie Präsidentin des Deutschen Vereins berufstätiger Frauen. Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde Munk 1933 aus dem Justizdienst entlassen. 1936 verließ sie Deutschland und ging in die USA. Dort wurde sie 1943 Gastprofessorin und ab 1953 außerordentliche Professorin an der Harvard University. Am 17. Januar 1978 starb Marie Munk in Cambridge/Massachusetts.

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