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2006 starb Kurt Mühlenhaupt, der lange Zeit in Kreuzberg lebte. Seine Witwe brachte sein Museum zurück nach Berlin.

© Tim Köhler / promo

100 Jahre Kurt Mühlenhaupt, 100 Jahre Kreuzberg: Die Witwe des verstorbenen Berliner Künstlers plant ein großes Jubiläumsjahr

Seit Sommer 2020 sind die Werke des Milieu-Malers in einem neuen Museum in Kreuzberg ausgestellt. Zum 100. Geburtstag sind verschiedene Aktionen geplant.

Ein bärtiger Mann mit Hut und wachen Augen hält ein Papier auf dem steht: „Kurt Mühlenhaupt, Maler der Liebe, * 19. Januar 1921, † 16. April 2006“. Gemeint ist das farbige Porträt auf dem Grabstein des Kreuzberger Milieu-Malers, Bildhauers und Schriftstellers, der vergangenen Dienstag 100 Jahre alt geworden wäre. Das Bild auf der Betonstele wurde von Mühlenhaupt selbst gestaltet, genauso wie die drei daneben für andere Familienmitglieder. Sie stehen auf dem Friedhof der Bethlehemsgemeinde nahe des Halleschen Tors.

Von seiner Ruhestätte könnte der Künstler auf die Heilig-Kreuz-Kirche schauen, die er in seiner Kreuzberger Zeit von 1958 bis 1975 so oft malte – mit den Menschen auf den Straßen oder in den Kneipen. Er malte sie wie sie waren – mit dicken oder dünnen Beinen, traurig, fröhlich, schimpfend – und erzählte so von ihrem ganz alltäglichen Leben.

An seinem 100. Geburtstag bekam der Künstler Besuch: von seiner Ehefrau und „Lebensorganisatorin“ Hannelore Mühlenhaupt. Sie bringt Rosen, drei Blasmusiker spielen ein Ständchen – erst ist die Melodie getragen, am Ende wird sie unbeschwerter. „Die Jahre, die ich mit dir zusammen und deinem Talent zum Glücklichsein verbracht habe, waren die schönsten meines Lebens“, sagt die Witwe am Grab ihres Mannes. Am Ende ihrer Rede verschüttet sie ein Glas Schnaps, eigentlich ist es Wasser. „Das passt zu einem Leierkastenmenschen“.

Das von Kurt Mühlenhaupt gegründete Künstlerlokal „Leierkasten“ an der Baruther/ Ecke Zossener Straße liegt nur wenige Schritte vom Eingang des Friedhofs entfernt. Hier verkehrten Künstler wie Artur Märchen oder Oskar Huth. Lange Kreuzberger Nächte, bis das Lokal 1977 abgerissen wurde. Der Künstler selbst trank meist nur Wasser statt Schnaps. „Sonst hätte er gar nicht so viel arbeiten können“, verrät seine Frau. Neben der Kneipe und dem Malen betrieb er noch eine Trödelhandlung.

„Den ganzen Sommer haben wir Kurts 100. Geburtstag geplant, doch dann war alles Makulatur“, erzählt sie. Doch ihr Mann habe immer gesagt: „Man muss es nehmen wie es kommt“.

In der ehemaligen Brauerei in der Fidicinstraße ist eine Erinnerungsstätte entstanden

Der Pandemie wegen verlaufen die großen Pläne eben anders, geplant ist trotzdem viel. Schon im Frühjahr 2020 wollte Hannelore Mühlenhaupt in den verwinkelten Höfen der ehemaligen Brauerei in der Fidicinstraße 40 das neue Kurt-Mühlenhaupt-Museum eröffnen: mit zahlreichen Ölbildern, Grafiken und Plastiken des Künstlers. Für dieses Vorhaben war sie nach 30 Jahren auf dem Gutshof im brandenburgischen Bergsdorf wieder zurück nach Kreuzberg gezogen.

Im Sommer wurde es dann eine Eröffnung unter besonderen Bedingungen. Statt einer großen Feier gab es ein Hoffest mit „Abstand und den bekannten Hygienevorschriften“. Auf der Webseite des Museums wurde wöchentlich ein neues Bild von Kurt Mühlenhaupt veröffentlicht – zum Herunterladen, Ausdrucken und Ausmalen. Ein Museum im Stand-by-Modus.

Der 2006 verstorbene Maler Kurt Mühlenhaupt.
Der 2006 verstorbene Maler Kurt Mühlenhaupt.

© imago/Raimund Müller

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Doch 2021 ist ein dreifaches Jubiläumsjahr: „100 Jahre Kurt Mühlenhaupt, 100 Jahre Kreuzberg, 200 Jahre Denkmal auf dem Kreuzberg“ heißt das Geburtstagsprogramm der Kurt-und-Hannelore-Mühlenhaupt-Stiftung. Etwa fünf Ausstellungen, Stadtführungen und Workshops für Kinder sollen ab April starten – sofern die Pandemie es erlaubt.

Ein spannender Ort wurde für die Ausstellung „Mühlenhaupt trifft Schinkel und Schadow“ ausgesucht: das meist verschlossene Sockelgeschoss des Nationaldenkmals auf dem Kreuzberg. Zwischen 28 Reliefplatten zur Geschichte der Münzprägung und Gipsfiguren sollen vom 7. Mai bis zum 20. Juni großformatige Ölgemälde Mühlenhaupts’ gezeigt werden, die er für das Pressezentrum des ICC gemalt hat.

Die zentrale Ausstellung des Jubiläumsprogramms „Die Erfindung Kreuzbergs“ im Kunstquartier Bethanien (geplant 6. August bis 26. September) erinnert an die Kreuzberger Bohème mit ihrer Abgrenzung zum offiziellen Kunstbetrieb. Sogenannte Malerpoeten wie Mühlenhaupt gründeten in den 1960-er und 1970-er Jahren Galerien und Theater und trafen sich abends in Kneipen wie dem „Leierkasten“.

Eine Audio-Tour führt durch Kreuzberg auf den Spuren des Künstlers

Was auf jeden Fall stattfinden kann – umsonst und draußen – sind zwei Audio-Touren. Beide wurden von der Schauspielerin Katharina Thalbach eingesprochen, die dem verstorbenen Künstler für Geschichten aus seiner Autobiographie ihre Stimme leiht. Die erste halbstündige Tour ist ein „Open-Air Museumsrundgang“ durch die Mühlenhaupt-Höfe, die von zehn bebilderten Info-Tafeln begleitet wird. Die Hörgeschichten handeln von Mühlenhaupts Geburt und Jugend, seinem Kunststudium, aber auch von Stationen wie New York, Portugal und Kladow.

[Mehr Hintergründe zum Museum zu Kurt Mühlenhaupt finden sich unter www.muehlenhaupt.de, sowie auf Facebook www.facebook.com/kurtmuehlenhauptmuseum . Zur Audio-Tour durch Kreuzberg gelangt man über die Plattform Guidemate. Den Audio-Open-Air-Musemusrundgang findet man hier.]

Der zweite Hörspaziergang „Auf Kurt Mühlenhaupts Spuren durch Kreuzberg“ hat 17 Stationen und führt in 90 Minuten durch Mühlenhaupts Kreuzberg: Beim Spaziergang vom Mühlenhaupt-Museum über den Chamissoplatz durch den Bergmannkiez bis zum Halleschen Tor trifft man auf „Kreuzberger Originale“ wie Rosi aus der Künstlerkneipe „Leierkasten“, den Künstlerfreund Rudi Lesser oder Mühlenhaupts Bruder Willi.

Der Track „Jerusalem“ ist dem Eingang des Friedhofs der Bethlehemsgemeinde zugeordnet. „Dort wurden die alten Dichterfürsten begraben“, sagt Thalbach im Audioguide. Einst zeigte sich Kurt Mühlenhaupt erstaunt darüber, dass das Grab des berühmten E.T.A. Hoffmann „direkt vor seiner Tür“ liegen solle. An einem kalten Tag machte er sich auf, ihn zu besuchen. „Wer weiß, wen du sonst noch alles triffst“, heißt es. Vielleicht den hundertjährigen Maler der Liebe.

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