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Das Verwaltungsgebäude der Tobis-Filmgesellschaft hat Krieg und Abrissbirne überstanden.

© Thomas Loy

100 Jahre "Johannisthaler Filmanstalten": Die Traumfabrik des Ostens

Während die staatliche Ufa ihre Filme in Babelsberg produzierte, drehten die privaten Filmfirmen in Johannisthal. Die "Jofa" ist heute fast vergessen.

Ein Wasserbecken für Unterwasseraufnahmen, sowas hatte nur die Tobis Filmkunst GmbH. Für den Film „Titanic“ war das Becken perfekt, um möglichst realistische Innenaufnahmen des untergehenden Luxusliners zu drehen. Die Kameras standen trocken hinter Fenstern, die man in die Beckenwände eingelassen hatte. Am 27. März 1942 fiel die erste Klappe, in den Studios im Treptower Ortsteil Johannisthal, damals auch als Jofa bekannt, Johannisthaler Filmanstalten.
Die Jofa ist heute nur noch Filmhistorikern und ehemaligen Mitarbeitern des DDR–Fernsehens ein Begriff. Anders als die Ufa entwickelte sie nicht die Aura eines deutschen Hollywoods, erlebte nach der Wende keine Renaissance wie die ehemaligen Ufa-Studios in Babelsberg, ist nicht mit Stars wie Marlene Dietrich und Heinz Rühmann verbunden.

Obwohl Rühmann auch in Johannisthal drehte, genau wie Hans Albers, Paul Hörbiger, Theo Lingen, Gustaf Gründgens, Marianne Hoppe, Emil Jannings und Johannes Heesters. „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau wurde in der Jofa gedreht, „Hamlet“ von Asta Nielsen. Ein Traumpaar des deutschen Kinos, Lilian Harvey und Willy Fritsch, begann hier 1926 seine Karriere, mit dem Stummfilm „Die keusche Susanne“. Zwei Jahre später kaufte die Ufa Lilian Harvey aus ihrem Vertrag mit ihrem Entdecker Richard Eichberg, für eine Ablösesumme von 78.000 Reichsmark. Warum die Jofa trotz dieses Staraufgebots aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist, dafür gibt es mehrere Erklärungen. Für Wolfgang May, der ein Buch über die Jofa vorbereitet, hat es vor allem mit der Dominanz der staatlichen Ufa zu tun, die neben dem Studiobetrieb auch als Produzent und Filmverleih auftrat und ihr Logo auf den Plakaten platzierte, auch für Filme, die eigentlich in der Jofa entstanden waren.

„Die Jofa trat nur als Ateliervermietungsgesellschaft auf.“ Die großen Studios, vor 100 Jahren eröffnet, gehörten zu den Albatros-Werken und waren zuvor für die Produktion von Kriegsflugzeugen genutzt worden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Flugzeugproduktion in Deutschland verboten. Albatros-Chef Walther Huth musste schnell eine neue Geschäftsidee entwickeln, um seine Hallen wieder zu füllen. Er ließ die Hallen zu Filmstudios umbauen und heuerte Handwerker an, die Kulissen bauen und Scheinwerfer installieren könnten. Huth wirbt mit dem „größten Kunstlicht-Atelier in Europa“, im Mai 1920 beginnen dort die ersten Dreharbeiten.

Die beiden Jofa-Experten Harry Mehner und Wolfgang May wollen an die Filmgeschichte in Berlin-Johannisthal erinnern.
Die beiden Jofa-Experten Harry Mehner und Wolfgang May wollen an die Filmgeschichte in Berlin-Johannisthal erinnern.

© Thomas Loy

71 Filmfirmen produzierten nach Recherchen von May in den 20-er Jahren in den Jofa-Studios. Hier war die freie Filmszene zu Hause. Anfang der 30-er Jahre stieg die Tobis in die Jofa ein, das Kürzel stand für Tonbild-Syndikat AG. Tobis hatte sich die Patente für die Tonfilmproduktion gesichert und stieg bald zur größten privaten Produktionsgesellschaft auf. Die Nazis verstaatlichten die Tobis und viele andere Filmfirmen, drängten jüdische Filmemacher aus dem Gewerbe.

Bald wurden auch in Johannisthal NS-Propagandafilme gedreht, wie „Der große König“ (Regie: Veit Harlan) über Friedrich den Großen oder eben Titanic. Die Außenaufnahmen für die sechs Millionen Reichsmark teure Produktion wurden am Scharmützelsee und auf dem Ozeandampfer Cap Arcona in der Ostsee gedreht.

Auf die Jofa folgte die Defa, dann das DDR-Fernsehen

Von Filmfans, die vor den Toren der Jofa-Studios auf ihre Stars warten, ist in den damaligen Filmgazetten nichts zu lesen. Eine „Filmstadt“ wie Babelsberg ist Johannisthal nie gewesen, dafür fehlte es schon damals an glamouröser Architektur. Hans Albers oder Willy Fritsch ließen sich aufs Studiogelände an der Straße am Flugplatz chauffieren und anschließend zurück in ihre Villen im Grunewald oder am Wannsee. Im Krieg wurde die große Produktionshalle zerstört, eine kleinere blieb intakt, dort übernahmen nach dem Krieg die Sowjets das Zepter. es wurde nicht mehr produziert, aber in großem Stil sowjetische Filme synchronisiert.

1946 übernahm die neugegründete Defa das Gelände, produzierte insgesamt 50 Filme, überließ die Studios aber nach und nach dem neugegründeten Deutschen Fernsehfunk (DFF), später in Fernsehen der DDR umbenannt, das in Johannisthal und Adlershof seinen wachsenden Sendebetrieb abwickelte, viele Serien und Shows produzierte. Ende 1991 musste das DDR-Fernsehen den Betrieb einstellen, die Kirch-Gruppe übernahm das Gelände, hatte für die meisten Gebäude aber keine Verwendung mehr, sie wurden abgerissen. Bis auf das alte Verwaltungsgebäude der Tobis, das heute noch steht, erinnert nichts mehr an die Filmgeschichte Johannisthals.

Ausstellung zur Jofa in Schöneweide

Das wollen May und sein ehemaliger Fernsehkollege Harry Mehner ändern. Die beiden Johannisthaler planen eine Infotafel, die auf dem Gelände aufgestellt werden soll – wenn der aktuelle Eigentümer mitspielt. Vielleicht findet sich auch noch eine Straße, die nach Richard Eichberg oder Lilian Harvey benannt werden kann. Bislang sind in Johannisthal nur Flugpioniere wie Melli Beese oder die Gebrüder Wright auf Straßenland verewigt. Immerhin gibt es eine Walther-Huth-Straße.

Eine Ausstellung zur Jofa wird am 4. März im Bürgerbüro von Gregor Gysi, Brückenstraße 28 in Schöneweide, eröffnet. Das Buch „Berlins vergessene Traumfabrik“ soll am 28. April im Forum Adlershof, Rudower Chaussee 24, vorgestellt werden. Anschließend wird der Stummfilm „Der Tiger von Eschnapur“ gezeigt, der in der Jofa gedreht wurde.

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