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Denkmalgeschützt saniert.  55 Millionen Euro hat die Genossenschaft GeWoSüd in die Erhaltung der Lindenhof-Siedlung in Schöneberg investiert.

© GeWoSüd/Rainer Milzkott

100 Jahre in Genossenschaftsbesitz: Berliner Lindenhof-Siedlung für 55 Millionen Euro zukunftssicher gemacht

Ganz im Süden von Schöneberg liegt die Lindenhof-Siedlung. Sie war ein Vorreiter der Gartenstadtbewegung. Auch heute sind die Wohnungen begehrt.

Wer durch das Torhaus in der Röblingstraße in die Siedlung Lindenhof kommt, hat das Gefühl, ein eigenständiges Gemeinwesen, fast ein Dorf, zu betreten. Zur Rechten erstreckt sich ein Weiher, dessen Ufer mit großen, alten Bäumen bewachsen ist und über den eine kleine Fußgängerbrücke führt. An diesem Nachmittag liegt Ruhe über dem Platz. Die Gartenstadtsiedlung Lindenof, vom Schöneberger Stadtbaurat Martin Wagner entworfen, entstand ab 1919.

Sie bot einen Mix aus Ein- und Dreifamilienreihenhäusern und Mehrfamilienhäusern; hatte eine Einrichtung wie ein Ledigenheim für alleinstehende Männer, die bis dahin als „Schlafburschen“ zur Untermiete hatten unterkommen müssen. Das Heim war übrigens von dem bedeutenden Architekten Bruno Taut gebaut worden; im Krieg wurde es aber komplett zerstört. Die Siedlung hatte Vorbildcharakter, sollte gutes Wohnen in einem gesunden Umfeld zu günstigen Mieten ermöglichen.

1921 – also vor genau 100 Jahren – wird der Lindenhof in eine Genossenschaft überführt. Seit damals „galt der Lindenhof als Pioniersiedlung der Gartenstadtbewegung und Ort gelebter Demokratie“, sagt Norbert Reinelt, Vorstandsvorsitzender Genossenschaft GeWoSüd. Reinelt, der Ende dieses Monats in den Ruhestand geht, hat sich ausführlich mit der Geschichte der Siedlung befasst.

Der Lindenhof – ganz im Süden Schönebergs an der Grenze zu Tempelhof und in fußläufiger Entfernung zum Naturpark Schöneberger Südgelände gelegen – ist die größte Wohnanlage der GeWoSüd, rund 1500 Genossen mit ihren Familien leben dort.

Stark zerstört im Zweiten Weltkrieg. Der Lindenhof ist ein früher Vertreter des Gartenstadtbaus, ist aber nicht so bekannt wie beispielsweise die Gartenstadt Falkenberg in Treptow, wegen ihrer farbigen Häuser auch als Tuschkastensiedlung bekannt, oder auch die Hufeisensiedlung in Britz. Diese gehören seit einigen Jahren zum Unesco-Weltkulturerbe, in das sechs Berliner Siedlungen der Moderne (entstanden zwischen 1913 und 1934) aufgenommen wurden.

Das alte Ledigenheim. Der Bau, entworfen von Bruno Taut, wurde im Krieg komplett zerstört.
Das alte Ledigenheim. Der Bau, entworfen von Bruno Taut, wurde im Krieg komplett zerstört.

© GeWoSüd

Die Lindenhof-Siedlung war damals nicht in die Auswahl für diese Auszeichnung gekommen. Reinelt sieht den Grund dafür in den starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und dem darauf folgenden Bau neuer Wohnhäuser. Rund 60 Prozent der Siedlung fiel ab 1943 den Bomben zum Opfer. Wo einst viele Gärten für die Bewohner der 470 Wohneinheiten lagen, wurden in den fünfziger Jahren langgestreckte, weiße Wohnhäuser, sogenannte Zeilenbauten, hingesetzt.

14 dieser Gebäude entstanden, zudem ein siebengeschossiges Haus, „Punkthochhaus“ genannt. Von den einst 470 Gärten waren nur 103 erhalten geblieben. Das ursprüngliche Ensemble bekam so ein anderes Gesicht.

"Das ist eine wunderbare Unternehmensform"

Reinelt kam 1992 als technischer Leiter zur GeWoSüd. Der gelernte Tischler und studierte Architekt hatte in den achtziger Jahren Erfahrungen bei der Sanierung von Wohnraum in Kreuzberg mit dem damaligen Selbsthilfeprogramm des Senats gesammelt. Von der Genossenschaftsidee ist er begeistert: „Das ist eine wunderbare Unternehmensform – selbst verwaltet und selbst organisiert.“ Mit einem großen Vorteil:“Das Geld bleibt im Haus.“ Dieses könne man für besondere Zwecke einsetzen.

Das neue Torhaus der Siedlung. 10 Wohnungen entstanden durch den Neubau.
Das neue Torhaus der Siedlung. 10 Wohnungen entstanden durch den Neubau.

© GeWoSüd

„Wir leisten uns beispielsweise Sozialarbeiter in den Siedlungen“, sagt Reinelt. Man habe ein kleines Café eingerichtet. Und auch eine Besonderheit der Siedlung: ein Waschhaus mit Waschmaschinen. Die Idee dahinter: Die Wohnungen sind klein, man brauchte nicht extra eine eigene Maschine. Im Waschhaus kann man gegen eine geringen Betrag die dortigen Maschinen nutzen oder aber den Service der Waschmeisterin in Anspruch nehmen. Das Angebot wird viel genutzt.

Eine Schule mitten in der Siedlung. „Das ist natürlich ein tolles Pfund“, sagt Reinelt. Dabei sollte die zweizügige Grundschule in den Nuller-Jahren geschlossen werden. Es fehlten Räume für den Freizeitbereich, es gab nicht ausreichend Fluchtwege. Die Genossenschaft konnte Abhilfe schaffen. Die Schule blieb. Das Gebäude war einst als städtisches Obdachlosenheim gebaut worden, noch bevor die Siedlung entstand. Es wurde dann aber bereits ab 1920 als Schule genutzt.

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Laut Reinelt hat die Genossenschaft seit 2004 rund 55 Millionen Euro in die sukzessive Sanierung der Siedlung sowie in Dachaufstockungen, den Bau eines neuen Torhauses und das Anlegen der Außenanlagen und neuer Gärten investiert. „Heute ist der Lindenhof runderneuert“, sagt Reinelt. Die Siedlung zeige, wie man Denkmalschutz, modernes Wohnen und Klimaschutz vereinbaren könne.

Die Gebäude waren farblich akzentuiert

Auf die energetische Sanierung wurde ebenso geachtet, wie darauf, dass die Treppenhäuser und die Fassaden entsprechend der historischen Farbgutachten gestaltet wurden. Denn auch den Erbauern der Siedlung war einst die farbliche Akzentuierung der Gebäude wichtig.

Jubiläumsgäste. Zum 100. Geburtstag der Siedlung waren auch Bundespräsident Frank-Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender zu Gast. Norbert Reinelt und Walter Schuller erklären das Modell.
Jubiläumsgäste. Zum 100. Geburtstag der Siedlung waren auch Bundespräsident Frank-Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender zu Gast. Norbert Reinelt und Walter Schuller erklären das Modell.

© GeWoSüd

„Die Menschen leben gerne hier“, sagt Reinelt. Und die Mieten in der Lindenhof-Siedlung sind günstig: Sie liegen nettokalt zwischen 5,71 und 5,91 Euro pro Quadratmeter bei den modernisierten historischen Gebäuden, bei 6,69 Euro durchschnittlich bei den nicht modernisierten Reihenhäusern. Die neugebauten Wohnungen in den Dachaufstockungen und im neuen Torhaus sowie die sanierten Reihenhäuser werden aktuell für 9,05 Euro vermietet.

Bei der Vermietung beispielsweise der Reihenhäuser, kommen nur Familien mit Kindern zum Zuge. Ohnehin muss man Mitglied der Genossenschaft sein. Die GeWoSüd hat wie viele andere Genossenschaften auch weitaus mehr Mitglieder als Wohnungen, deshalb begrenzt sie deren Zahl; man kann derzeit lediglich sein Interesse anmelden. gewosued.net

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