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Freie Fahrt. Spreefahrten sind wieder erlaubt, noch fehlen aber die Gäste.

© Kay Nietfeld/dpa

Weltoffen, sobald es wieder geht: Der Berlin-Tourismus läuft schleppend wieder an

Zu Pfingsten bleiben viele Hotels leer, einige öffnen erst gar nicht. Berlins Tourismusbranche wirbt jetzt für die grüne Stadt.

Alexander Wieberneit seufzt ins Telefon. „Wir hoffen auf 30 Prozent Auslastung“, sagt er. Dramatisch sei die Situation, normal seien 90 Prozent. Seit der vergangenen Woche hat der Marketingleiter im Mövenpick Hotel am Anhalter Bahnhof das Buchungssystem wieder geöffnet. „Ganz sachte und vorsichtig“ gebe es die ersten Anfragen und Buchungen, sagt Wieberneit, der seit März für die FDP im Abgeordnetenhaus sitzt.

Für das Pfingstwochenende reicht es jedoch nicht. Ein Betrieb wäre nicht wirtschaftlich, die Öffnung teurer als die jetzige Schließung. Am 8. Juni, so hofft Wieberneit, sollen im Mövenpick wieder Gäste übernachten.

Eigentlich dürfen in Berlin seit Montag Touristen wieder übernachten, doch für Pfingsten kamen die Lockerungen offenbar zu spät. Fünf bis 20 Prozent Auslastung erwartet Gerrit Buchhorn, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands für Hotels und Gaststätten Dehoga, für das verlängerte Wochenende. Je nach Lage und Angebot vereinzelt auch mehr. Genau Zahlen gibt es nicht. „Es gab viele kurzfristige Buchungen.“

Hotels vermieten Zimmer als ausgelagertes Home Office

Im Hotel Tiergarten in Moabit spürt man davon wenig. Bislang hätten „fast keine“ Touristen gebucht, sagt eine Mitarbeiterin. Das Hotel hatte die gesamte Krise geöffnet und seine Zimmer an Wohnungssuchende vermietet oder als ausgelagertes Home Office angeboten. Damit habe man immerhin rund 40 der normalerweise 100 Gäste. „Für die Miete reicht es nicht, aber besser als nichts.“

„Momentan verhalten sich die Touristen wie eine Herde Zebras. Wenn die ersten Leittiere loslaufen, folgt hoffentlich der Rest“, sagt Burkhard Kieker, Geschäftsführer von Visit Berlin. Er ist der Mann, der die Touristen zurück nach Berlin locken soll. Auf ihm ruhen die Hoffnungen vieler Hoteliers.

Wirbt für die grüne Stadt: Visit Berlin-Geschäftsführer Burkhard Kieker.
Wirbt für die grüne Stadt: Visit Berlin-Geschäftsführer Burkhard Kieker.

© Paul Zinken/dpa

Dafür hat Kieker, unterstützt von der Wirtschaftsverwaltung, die große Werbetrommel angeworfen. Visit Berlin wirbt in diesen Tagen auf allen Kanälen: Instagram, Twitter, Facebook, Blogs. Erste Pressereisen werden wieder angeboten, in den kommenden Wochen sollen in ganz Deutschland Plakate und Filme an Bushaltestellen und Bahnhöfen für Berlin werben.

37 Prozent der Deutschen planen keinen Urlaub

Normalerweise reist Kieker um den Globus, trifft Politiker und Tourismusvertreter, wirbt für Berlin in der Welt. Doch der Tourismus hat sich mit der Pandemie verändert – und damit auch Kiekers Job. Noch sind die Grenzen geschlossen, aber auch wenn am 15. Juni die ersten Reisen in Europa wieder möglich sind, werden wohl viele Menschen in diesem Sommer zu Hause bleiben.

In einer aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometer gaben 37 Prozent der Befragten an, dieses Jahr keinen Urlaub zu planen. Von den Reisenden hatte nur etwa jeder Zehnte ein Ziel im Ausland.

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Kieker weiß, dass Berlin 2020 nicht im Wettbewerb mit Barcelona, London und Paris steht. „Unser Hauptkonkurrent ist aktuell Usedom“, sagt Kieker. Dafür zeichnen Kieker und sein Team gerade ein neues Bild von Berlin. Grün und Blau sei die Stadt, biete für Radfahrer und Spaziergänger mit seinen vielen Seen und Wäldern deutlich mehr als andere Metropolen.

Nichts los am Wannsee. Bald könnten wieder mehr Touristen nach Berlin kommen.
Nichts los am Wannsee. Bald könnten wieder mehr Touristen nach Berlin kommen.

© Britta Pedersen/dpa

Zudem gibt es Kooperationen mit Brandenburg. Intern wurden Werbesprüche wie „Grunewald – Social Distancing seit der Eiszeit“ erarbeitet, wegen des Coronabezugs jedoch verworfen. „Wir setzen auf die Kommunikation, dass Berlin Großstadtkribbeln und Naherholung bietet“, sagt Kieker. Am Montag war er sogar in der Tagesschau.

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Schon jetzt gibt es von Visit Berlin eine „Welcome Back Card“. Für 2,50 Euro gibt es bis zu 50 Prozent Ermäßigung auf 50 Berlin-Highlights, wie den Fernsehturm, das DDR-Museum oder Stadtrundfahrten. „Diese Angebote richten sich in erster Linie an Berliner, Brandenburger und Tagesausflügler.“

„Wir haben reges Interesse aus China.“

Doch Kieker hofft, dass sich der nationale Tourismus rasch erhole. Mit 55 Prozent der Übernachtungen machten die Deutschen schon vor der Pandemie den größten Anteil der Berlin-Besucher aus, vor allem in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen ist die Hauptstadt beliebt.

Im Juli, wenn Schweizer, Österreicher, Niederländer und Skandinavier wieder kommen könnten, spekuliert Kieker auf 50 bis 60 Prozent Auslastung. Auch aus anderen Ländern erwartet er Gäste, sobald die Grenzen geöffnet werden. „Wir haben reges Interesse aus China.“

Berlin profitiert davon, dass die Corona-Pandemie in Deutschland bislang eher glimpflich verlaufen ist. Die Airlines würden die Lage genau verfolgen. Geht es nach Kieker fliegen Easyjet, Ryanair und Co. zuerst wieder Berlin an. „Deswegen müssen alle Lockerungen jetzt aber auch verantwortlich umgesetzt werden. Einen weiteren schweren Rückschlag können wir uns nicht erlauben.“

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