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Viel zu warm für Schnee: Das Brandenburger Tor und ein Weihnachtsbaum stehen hinter der Scheibe eines Autofensters auf dem Regentropfen hängen.

© Paul Zinken/dpa

...und wieder kaum Schnee!: So warm war das Wetter 2019 in Berlin

Etwa alle sieben Jahre nur gibt es laut Statistik in Berlin weiße Weihnachtstage. Auch diesmal war es dafür wieder viel zu warm. Wie soll das weitergehen?

Weiße Weihnachten wären überfällig gewesen, nachdem Berlin bereits acht Jahre ohne auskommen musste. Aber was versteht Petrus schon von Statistik? Jedenfalls weniger als die Meteorologen, die anhand der Aufzeichnungen ermittelt haben, dass Berlin etwa alle sieben Jahre dran ist. Wobei „weiße Weihnachten“ meteorologisch nur dann als solche zählen, wenn an allen drei Feiertagen jeweils morgens mindestens ein Zentimeter Schnee liegt.

Das gab es zuletzt 2010 im Wowereitschen Berlin-ist-nicht-Haiti-Winter: Heiligabend lagen in Berlin schon 23 Zentimeter, am ersten Feiertag 29 und am zweiten 30 Zentimeter, die später zu einem unzerstörbaren Eisbuckelpanzer wurden. In den Jahren 2001 und 2002 hatte es mit weißen Weihnachten sogar zweimal nacheinander geklappt, aber davor waren es 15 lange Jahre ohne. Diese Jahr? Wieder nichts.

In diesem Jahr ist die Schneedecke nicht einmal mehr bis Silvester zu schaffen. Im Gegenteil: Nach leichter Abkühlung wird es zum Jahreswechsel noch mal richtig mild, prophezeit Jörg Riemann. Der meteorologische Leiter des Dienstes Wettermanufaktur in Tempelhof, der beispielsweise die BSR und Flughäfen zum Winterdienst berät, hat für den Tagesspiegel nicht nur nach vorn geschaut, sondern auch zurück auf dieses Jahr, das als wärmstes seit Messbeginn in die Statistik eingeht. Schon wieder.

11,3 Grad sind es – inklusive Prognose für die letzten Dezembertage – im Durchschnitt dieses Jahres in Berlin geworden. Der Wert entspricht exakt dem historisch normalen Jahresmittel des tausend Kilometer südlich gelegenen Zagreb. Für die Region Berlin liegt er 2,4 Grad zu hoch.

Wobei Riemann als Bezugsgröße stets die Daten vom Potsdamer Brauhausberg nimmt, weil die Station seit 1893 misst und – im Gegensatz zu allen Berliner Stationen – weder umgezogen noch auf andere Technik umgestellt worden ist: Es gebe dort zwar ebenso moderne Automatikmessgeräte, aber eben auch noch Menschen, die aufs Quecksilber schauen und den Regenmesser ablesen, sagt Riemann.

2019 wahrscheinlich das wärmste Jahr bislang

Ein neuer Temperaturrekord wurde in Potsdam nicht und in Berlin nur an neueren Messstationen verzeichnet, aber bei etwa 39 Grad ist in unseren Breiten – bisher zumindest – offensichtlich Schluss. Am 30. Juni war es fast so heiß. Es war das Finale eines extremen Monats: 5,9 Grad Abweichung nach oben seien speziell im Sommerhalbjahr hart an der Grenze des Möglichen, sagt Riemann. 2019 waren abgesehen vom Mai sämtliche Monate wärmer als normal. So kommt es, dass selbst das bisher mit weitem Abstand wärmste Jahr 2018 um ein Zehntelgrad überboten wurde.

Dass der Natur solches Wetter nicht gut bekommt, ist spätestens seit dem dramatischen Waldsterben offenkundig, das in diesem Jahr begonnen hat. Die Frage, inwieweit die Natur sich erholt, führt direkt zum Thema Niederschlag: Etwa 590 Liter pro Quadratmeter und Jahr sind im Langzeitvergleich üblich. Dank des durchwachsenen Herbstes werden es in diesem Jahr wohl knapp 560 Liter werden.

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Aber die Statistik sieht besser aus als die Realität: Zum einen, weil einiges mit Getöse, aber wenig nachhaltig und nur lokal bei Unwettern im Sommer herunterkam. Zum anderen, weil die Natur nach dem beispiellos trockenen Jahr 2018 (359 Liter in Berlin, 353 in Potsdam) schon durstig ins Frühjahr gestartet war. Und schließlich, weil bei der Wärme viel mehr verdunstet ist als sonst.

Die Seen im Umland sind längst nicht wieder aufgefüllt, die Talsperre Spremberg – als letzter großer Spreespeicher vor Berlin – ist gerade zur Hälfte gefüllt, und die Böden sind zwar oberflächlich gut durchfeuchtet, aber laut dem „Dürremonitor“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in 1,8 Meter Tiefe noch immer knochentrocken.

Im Januar wird es endlich winterlich

Genau da, woher die ökologisch besonders wertvollen alten Bäume den Hauptteil ihres Wassers beziehen. „Irgendwoher bräuchten wir also noch mindestens 300 Liter Wasser pro Quadratmeter“, sagt Riemann: 30 große Wassereimer auf die Fläche eines nicht besonders großen Schreibtischs, aber eben für ganz Berlin und Brandenburg und am besten auch gleich für Sachsen.

Großräumig haben sich die Wetterverhältnisse seit dem Herbst insoweit normalisiert, als es die Regentiefs vom Atlantik nach langer Abstinenz wieder bis nach Mitteleuropa schaffen. „Das Gefüge ist noch nicht komplett wieder intakt“, sagt Riemann, „aber es befindet sich zumindest in der Reparatur“. Die knapp 20 Grad aus der vergangenen Woche in Süd- und Westdeutschland – Nebenwirkungen eines bedenklich verspäteten Mittelmeerhochs – waren ein Signal, wie fragil die Erholung ist.

Weiße Weihnacht? Auch der Schnee vom 10. Dezember 2017 blieb nicht lange genug liegen.
Weiße Weihnacht? Auch der Schnee vom 10. Dezember 2017 blieb nicht lange genug liegen.

© imago/Marius Schwarz

Nach den aktuellsten Trends könnte sich das Wetter im Januar weiter normalisieren: Nach dem Neujahrstag sollen die Temperaturen auf die dann üblichen Werte sinken, also tags knapp über null Grad und nachts leicht darunter. Auch der Regennachschub reißt nicht ab. Die Erfahrung spricht dafür, dass das nasskalte Wetter eine Weile bleibt.

Graues Westwind-Wetter hält die Luft sauber

Denn die Zeit um Dreikönig ist das Winter-Pendant zum Siebenschläfer: Die Wetterverhältnisse haben sich dann großflächig der minimalen (bzw. im Sommer maximalen) Sonneneinstrahlung angepasst und sind oft entsprechend stabil.

Ein positiver Nebeneffekt des grauen Westwindwetters ist seine reinigende Wirkung für die Luft: Während sich bei Windstille und Hochnebel im Winter der Dreck der Stadt anreichert und bei Südostwind die Abgase der Lausitzer und schlesischen Kraftwerke herziehen, wird Berlin bei Westwind durchgelüftet.

Auch deshalb ist der – fast nur im Winter kritische – Feinstaubgrenzwert in diesem Jahr in Berlin so selten überschritten worden wie seit Jahrzehnten nicht. Die Zeit mit der schlimmsten Belastung ist ohnehin immer dieselbe: die Silvesternacht.

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