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Die Wegeachsen im Park verlaufen zu zentral, sagen die Loidl-Planer.

© Thilo Rückeis

Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg: Der Weg ist das Problem

Die Dealer sind nicht an allem schuld, was im Görlitzer Park schief läuft, sagen die Landschaftsarchitekten vom Büro Loidl. Dem Park fehle es an "Inszenierungen". Naturschützer sorgen sich unterdessen um die Nachtigallen.

Der Görlitzer Park ist frisch gestutzt. Bezirksamtsgärtner haben potenzielle Drogennester gekappt. Viele Wege sind vom Regen aufgeweicht, auf dem Rodelhügel liegt kein Rodelschnee. Die Spielplätze sind verwaist. Ein Park zum Frösteln. Nur die Dealer warten ungestört auf ihre Kunden. Der Görlitzer Park ist die Freiluftzone für das östliche Kreuzberg, eine wichtige Verbindung im Grüngewebe der Stadt.

Der Park, nach langem Planungsvorlauf 1998 fertiggestellt, funktioniert nicht mehr so, wie er mal gedacht war. Aber hat er jemals funktioniert? Der Omnipräsenz der Dealer, an der auch vermehrte Polizeieinsätze nicht viel geändert haben, können nicht alle Probleme des 14 Hektar großen ehemaligen Bahngeländes angelastet werden.

Die Loidl-Planer Leonard Grosch, Bernd Joosten und Martin Schmitz.
Die Loidl-Planer Leonard Grosch, Bernd Joosten und Martin Schmitz.

© Mike Wolff

Die Landschaftsarchitekten vom renommierten Büro Loidl haben eine ganz andere Erklärung für die Görli-Misere: Das „Grundübel" sei der breite Mittelweg, die zentrale Rennpiste durch den Park. „Die Ränder sind deaktiviert. Hier gibt es Barrieren wie den Fußballplatz, den Kinderbauernhof oder das abgezäunte Biotop", sagt Loidl-Partner Leonard Grosch. Diese Barrieren führten ein introvertiertes Eigenleben statt sich dem Park und seinen Besuchern zu öffnen. Die Planer haben sich ein paar Gedanken gemacht und eine Ideen-Skizze für einen anderen Görli vorgelegt.

Die Streuobstwiese ist die jüngste Innovation im Park. Sie gehört zum Programm "Essbarer Bezirk".
Die Streuobstwiese ist die jüngste Innovation im Park. Sie gehört zum Programm "Essbarer Bezirk".

© Thilo Rückeis

Grosch vermisst Bühnen und Inszenierungen wie am Gleisdreieck-Park. Die einzige Bühne des Görlis, der Pamukkale-Brunnen, ist leider eine Investitionsruine. Aber immerhin, eine Bühne. Die Erwähnung des Gleisdreieck-Parks liegt nahe, denn die 20köpfige Loidl-Mannschaft hat den jüngsten Berliner Park entworfen und dafür mehrere Preise abgeräumt. Am Gleisdreieck werden die verschiedenen Nutzergruppen nicht voneinander getrennt. Die BMX-Fahrer an den Halfpipes freuen sich über Zuschauer, die nebenan ihren Latte trinken. Himmelsschaukeln, Spielplätze und Bühnen strahlen ins Gelände aus, statt sich abzuschotten.

Wege sollen an die Ränder verlagert werden

Grosch wohnt selbst am Görli und vermisst einen Rundweg zum Joggen. Skater werden vom Kopfsteinpflaster abgehalten, eine große Liegewiese fehlt. Die Grillzone fördert die Vereinzelung, deshalb würde Grosch die Griller lieber in den Plänterwald verbannen. Und die engen Parkeingänge müssten aufgeweitet werden, sagt der Experte. Doch behoben werden sollte zunächst das Grundübel, glauben die Loidl-Planer. Der Mittelweg trennt den Park in zwei Hälften, die kaum miteinander korrespondieren. Die Wege sollten an die Parkränder verlagert werden, damit großzügigere Flächen entstehen.

So könnte der Görlitzer Park nach Vorstellung der Loidl-Planer aussehen: Ohne breiten Mittelweg.
So könnte der Görlitzer Park nach Vorstellung der Loidl-Planer aussehen: Ohne breiten Mittelweg.

© Loidl

Und der Teich an der Ostecke, vom Mittelweg abgezäunt und gar nicht erkennbar, müsste als Badeteich stärker ins Bewusstsein der Parknutzer rücken. Bei der jüngsten Parksanierung 2009 habe man zu sehr auf einzelne Verbesserungen gesetzt, statt dem Park einen vernünftigen Masterplan zu verpassen, kritisiert Grosch. Die Dealer ließen sich durch veränderte Wegführungen kaum beeindrucken, aber das krasse Missverhältnis zwischen privaten Parknutzern und Drogengewerbetreibenden würde sich zugunsten der Nutzer verbessern. Damit würde auch das Angstgefühl schwinden.

Die Idee aus der Vogelperspektive.
Die Idee aus der Vogelperspektive.

© Loidl

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verändert den Park in kleinen Schritten: Mal wird eine Obstwiese angelegt, dann ein Eingang geschlossen. In diesem Jahr sollen ein Spielplatz saniert und eine Toilette gebaut werden. Man kümmert sich um den Park - mehr schlecht als recht. Für das Gleisdreieck-Areal ist das Landesunternehmen Grün Berlin zuständig, und Grosch fände es gut, wenn Grün Berlin auch den Görli übernehmen würde.

Grün-Berlin-Chef Christoph Schmidt ist nicht abgeneigt. „Als privat organisiertes Unternehmen können wir etwas effizienter arbeiten als der Bezirk." Finanziell wäre es für den Senat ein Nullsummenspiel. „Das Geld richtet sich nach der Pflegestufe." Das Gleisdreieck hat die Stufe 2, Müll und Graffiti werden innerhalb von 24 Stunden entfernt, verspricht Schmidt. Für die Pflege stehen pro Jahr 850 000 Euro zur Verfügung. Auch für die Bewässerung der Rasenflächen.

1,5 Millionen Euro für alles Grün im Bezirk

Im Görli gehören Graffiti und verdorrtes Gras im Sommer zum Ambiente, beim Müll ist die Lage etwas besser. 1,5 Millionen Euro gibt der Bezirk jedes Jahr für Parkpflege aus, allerdings für alle „öffentlichen Grünanlagen, Spielplätze und Bäume" in Friedrichshain-Kreuzberg. Der starke Rückschnitt von Hecken und Bäumen im Park wird von Kritikern als „Kahlschlag“ diffamiert. Bei der Vorstellung eines neuen Pflegekonzepts für den Park gab es in der vergangenen Woche Buhrufe und Schmähungen gegen den zuständigen Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne).

Linke Gruppen werten das Zurückschneiden als rein polizeiliche Maßnahme und damit als schlecht. Beim Pflegekonzept geht es vor allem um einen Ausgleich zwischen Freizeitnutzung und Naturschutz. Themen wie Graffiti oder Sicherheit spielten keine Rolle. „Zum Zeitpunkt der Entscheidung, ein Parkpflegewerk in Auftrag zu geben, spielte die Drogenproblematik keine nennenswerte Rolle", verlautet aus dem Stadtplanungsamt des Bezirks. „Hintergrund war eine zunehmend ideologisch geführte öffentliche Diskussion von Gegnern jeglicher Schnittmaßnahmen im Görlitzer Park."

So wurden wegen „Rodungsmaßnahmen" angeblich fünf Nachtigallen aus dem Teich-Biotop vertrieben. Es gibt eben linksorientierte Naturschützer, die sich an den Dealern nicht weiter stören. Und umgekehrt Eltern mit Kindern, denen die Nachtigallen relativ schnuppe sind.

Die „Anwohnerinitiative Görlitzer Park“ versteht sich als Sprachrohr der pragmatischen Parknutzer, die zunehmende Gewalt und Kriminalität nicht mehr hinnehmen wollen. „Wir brauchen ein Konzept, um Konflikte zu managen“, sagt der Sprecher der Initiative, Martin Heuß. Mangelnde Streitkultur gibt es auch zwischen den Interessengruppen am Görli. Diskussionsrunden werden regelmäßig gestört. Die nächste ist übrigens am 19. Februar.

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