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Döner muss sein. Unser Autor Per Meurling ist gebürtiger Schwede und seit vielen Jahren Wahl-Berliner. Der Journalist und Restaurantkritiker betreibt den Blog "Berlin Food Stories".

© Sonni Holmstedt

Berlin oder Istanbul: Wo gibt es den besten Döner?

Bekenntnisse eines Döner-Abhängigen: Seit Jahren isst sich unser Autor durch die Welt des gefüllten Fladenbrots. Hier verrät er seine Tipps

Ein Freund fragte mich neulich: „Wie viele Döner-Läden hast du eigentlich schon ausprobiert?“ Wie sollte ich das beantworten, die Suche nach dem besten Döner beschäftigt mich ja schon mehr als ein Jahrzehnt, und nachgezählt habe ich nicht. 75 vielleicht? Wahrscheinlich schon eher hundert, so genau kann ich das nicht sagen. Es waren unzählige. Aber an meinen allerersten Berliner Döner kann ich mich noch sehr genau erinnern.

Ich war 16 und zum ersten Mal zu Besuch in Berlin. Irgendwann spätnachts stand ich in der Schlange vor einem Döner-Imbiss in Ku’damm-Nähe. „Hier, mein Freund“, sagte der Mann, als er mir das randvolle Fladenbrot über den Tresen reichte. Und er sah mir zu, wie ich tief hineinbiss in meinen Döner. Teile der Füllung fielen rechts und links auf den Bordstein, Knoblauchsauce lief mir den Arm hinunter. Von alldem merkte ich nichts vor Gier nach diesem warmen Riesensandwich.

In meinem Kopf herrschte Chaos, mein Innerstes jubelte. Die Kombination aus saftigen Fleisch, Salat und Saucen in knusprigem Fladenbrot sprengte meinen kulinarischen Vorstellungsrahmen. Es blieb ein Gedanke, eine fixe Idee: „Ich werde nie wieder etwas anderes essen.“ Ganz so schlimm kam es nicht, aber das Erlebnis war der Startschuss für meine Döner-Faszination. Und die wurde im Laufe der Jahre immer intensiver.

Die Suche beginnt

2009 zog ich nach Berlin, nachdem ich den WM-Sommer 2006 hier verbracht hatte. Die romantische Beziehung zu meiner Wahlheimat war gesteuert von meinem Bauchgefühl, der Döner blieb das pulsierende Herz dieser Liebesgeschichte. Die Suche nach dem besten gefüllten Fladenbrot Berlins bestimmte meine Agenda. Blind folgte ich allen Tipps, von Kreuzberg bis zu den entlegensten Ecken in Tempelhof. Und ich aß sehr viele, sehr schlechte Döner.

Mein Anspruch aber stieg stetig und ich lernte, dass vielversprechende Aussagen wie „Das ist der Lieblings-Döner von Heidi Klum“ nicht wirklich ein Garant für Qualität waren. Die bittere Wahrheit ist: Der Qualitätsanspruch der Deutschen in Sachen Döner ist erschreckend niedrig und die Toleranz gegenüber Tiefkühl-Pressfleisch und Fertigsaucen scheinbar endlos. Den Leuten scheint alles egal zu sein, Hauptsache, der Döner kostete nicht mehr als 3,50 Euro.

Wer hat's erfunden? Die Türken!

In Berlin gehört der Döner zum kulinarischen Kulturgut. Die Hauptstadt ist weltweit für diese Variante des Kebaps bekannt. Und das vollkommen zu Unrecht: Der Döner wurde weder in Berlin erfunden noch ist er hier in seiner wirklich besten Version erhältlich. Erfunden wurde er natürlich in der Türkei und nicht, wie oft behauptet und geschrieben, 1972 von Kadir Nurman in seinem Laden am Zoo. Die Legende rund um seine Berliner Erfolgsgeschichte habe ich auch lange geglaubt, schließlich wurde Nurmann vom Verein türkischer Döner-Hersteller in Europa (ATDID) vor seinem Tod 2013 für sein Lebenswerk und die Erfindung des Döners geehrt.

Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen: in der Türkei, mit Hilfe einiger Spitzenköche. Mehmet Gürs, mit seinem Restaurant „Mikla“ der wohl bekannteste Koch des Landes, erzählt eine ganz andere Version, die in der Türkei als belegt gilt: Die Methode, auf einem vertikalen, sich um die eigene Achse drehenden Spieß dünn geschichtetes Fleisch zu grillen, sei in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Bursa erfunden worden, einer Stadt in der Westtürkei, bekannt für ihre Fleischkultur. Wer am Ende auf die Idee kam, das klassische Tellergericht, mundgerecht geschnitten, in ein Brot zu packen, ist unklar – und interessiert auch in der Türkei niemanden. „Aber es war garantiert nicht in Deutschland!“, sagt Mehmet Gürs.

Döner ist nur vom "Yaprak", vom handgeschichteten Spieß, gut - so wie bei "Kebap with Attitude", dem neuen Premiumdönerladen in Mitte. Hier verwenden sie Bio-Fleisch.
Döner ist nur vom "Yaprak", vom handgeschichteten Spieß, gut - so wie bei "Kebap with Attitude", dem neuen Premiumdönerladen in Mitte. Hier verwenden sie Bio-Fleisch.

© Per Meurling

Bekannt ist, dass die ersten Döner-Verkäufer in Istanbul Ende der fünfziger Jahre auftauchten und dass in Deutschland erst Anfang der Siebziger Döner im Brot verkauft wurde, dafür gibt es genügend Zeitzeugen. Ein anderer Istanbuler Spitzenkoch, Maksut Askar aus dem „Neolokal“, erklärt die Geburtsstunde des Döners so: „In den Fünfzigern und Sechzigern zogen viele Türken vom Land in die Städte, manche davon nach Istanbul, andere nach Deutschland. Sie alle waren es gewohnt, auf dem Land Grillfeste zu feiern – und schufen sich mit dem Döner auf die Hand die urbane Version des Kebaps.“ Sozusagen Grillgut to go.

In Istanbul ist der Döner eine puristische Angelegenheit, außer Fleisch kommen dort bei den bekanntesten Imbissen höchstens ein paar Pickles oder rohe Zwiebeln in die Fladenbrote, die gute Döner-Läden nach eigenem Rezept backen. Unter keinen Umständen würde man Salat, Saucen oder Rotkohl hinzufügen, das würde ja vom Sinn der Sache, dem puren Fleischgeschmack, ablenken.

Wenn etwas in Berlin erfunden wurde, dann jene Version des Döners, die sich erst in Deutschland verbreitete und später die Imbisse des ganzen europäischen Kontinents eroberte: Kebap-Fleisch im Brot mit verschiedenen Saucen, Salat, Tomaten und Zwiebeln. Ein Grund, warum der Döner in Deutschland anfangs als „gesundes Essen“ vermarktet wurde.

Das kleine Döner-Einmaleins

Für Berliner Döner-Fans erst einmal ein paar Tipps. Man sollte die zwei wichtigsten Sorten Döner kennen: den „Klassiker“ mit Rind und Kalb und den „Newcomer“ mit Hähnchen. Der Rindfleisch-Döner ist am häufigsten verbreitet und hat mehrere Varianten. Meiden sollte man jegliche Hack- oder Formfleisch-Version. Unbedingt immer nach „Yaprak“-Spießen, also „Blatt-Döner“, Ausschau halten, da sind die einzelnen Fleischstücke gut sichtbar aufeinandergestapelt.

Ich esse am allerliebsten den Rindfleisch-Döner, den es in den Filialen der Berliner Kette „Imren“ gibt. Deren Variante kommt der aus Istanbul noch am nächsten. Das Rindfleisch wird über Nacht in Gewürze, Zwiebeln und Joghurt eingelegt und dann unter Zugabe von Lammfett manuell zum Döner-Spieß aufgebaut. In Kombination mit dem frisch gebackenen Brot und der milden Sesam-Soße (ohne Mayonnaise) ein Produkt, das, vor allem in Sachen Geschmack, der Konkurrenz überlegen ist.

Viel Salat, aber das Fleisch fast wie in Istanbul: Die Berliner Dönerkette "Imren" mariniert ihr Rindfleisch über Nacht mit Gewürzen, Zwiebeln und Joghurt und baut den Spieß jeden Morgen von Hand.
Viel Salat, aber das Fleisch fast wie in Istanbul: Die Berliner Dönerkette "Imren" mariniert ihr Rindfleisch über Nacht mit Gewürzen, Zwiebeln und Joghurt und baut den Spieß jeden Morgen von Hand.

© Per Meurling

Der Hähnchen-Döner ist tatsächlich eine Berliner Erfindung. Gastronom Mustafa Demir soll 1996 damit begonnen haben, die Light-Version in seinem Imbiss in Friedrichshain zu verkaufen. Hähnchenfleisch, frittiertes Gemüse, Salat, Tomaten, Zwiebeln, krümeliger Weichkäse und ein paar Tropfen Zitrone: Die etwas zeitgemäßere und farbenfrohe Variante des Döners kam gleich enorm gut an. Zehn Jahre später kam Gastronom Tarik Kara und machte diese Döner-Version durch Werbung und eine coole Website berühmt.

Heute sind Wartezeiten von 45 Minuten an seinem Imbiss „Mustafas Gemüse Kebap“ normal. In der Schlange trifft man fast ausschließlich Touristen, kein Berliner würde sich länger als zehn Minuten für einen Döner anstellen. Meine persönliche Empfehlung für Hähnchen-Döner liegt deshalb in Charlottenburg und heißt „Rüya“ (übersetzt: Traum), ein Imbiss, der 2018 aus Schöneberg dorthin gezogen ist und in dem sich Yalcin Yilmaz, der Chef, persönlich darum kümmert, dass sein Produkt immer die beste Qualität hat.

Die Kunst der "Ustas"

Mancher Döner in Berlin ist also schon ganz gut, der in der Türkei aber ist unvergleichlich besser. Den hohen Anspruch der „Ustas“, der Istanbuler Döner-Meister, die jeden Morgen mit viel Liebe und Stolz Döner-Spieße von Hand schichten und die Spezialität des Landes dann mit Sorgfalt grillen, hat hier niemand.

Seriöse Döner-Läden in Istanbul tragen keine Namen, dort kennt man ausschließlich den des Döner-Meisters und Besitzers: Sahin Usta, Asim Usta, Engin Usta ... Ein gemeinsames Erkennungszeichen aber gibt es: Menschen, die sich vor diesen Imbissen in endlosen Schlangen reihen, bis ihnen die Füße wehtun. Das Fleischaroma der dort verkauften Premium-Döner ist unschlagbar: Fett, Salz und Grillaroma bringen das saftige Rind- und Lammfleisch erst so richtig zur Geltung. Da braucht es keine Saucen. Und der Preis ist für hiesige Verhältnisse ein Witz: Um die zwei Euro kostet ein Döner dort.

Hähnchen-Döner gilt als die moderne, zeitgemäße, weil leichtere Variante des Klassikers. Bei "Rüya" in Charlottenburg achtet Chef Yalcin Yilmaz persönlich auf gleichbleibend gute Qualität.
Hähnchen-Döner gilt als die moderne, zeitgemäße, weil leichtere Variante des Klassikers. Bei "Rüya" in Charlottenburg achtet Chef Yalcin Yilmaz persönlich auf gleichbleibend gute Qualität.

© Per Meurling

Und doch, es gibt einen Hoffnungsschimmer am Berliner Döner-Horizont, eine neue Generation von Gastronomen, die finden, das kulinarische Potenzial des Döners sei bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die Pioniere nennen ihr Projekt „K. W. A. – Kebap with Attitude“ und haben im Mai ihr Döner-Restaurant in Mitte geöffnet. Bei meinem ersten Besuch traute ich meinen Augen kaum: Selbst gebaute „Yaprak“-Spieße? Bestes Fleisch? Beinahe zu schön, um wahr zu sein. Auf der Speisekarte wird eine bunte Mischung aus Hähnchen- und Rindfleisch-Döner-Gerichten angeboten, etwa der „O. G.“-Döner im Fladenbrot: saftiges Rind, gegrillte Paprika, Joghurt, Tomatensauce und Butter. Eine Version, die der aus Istanbul ähnelt und mit saftigem Fleisch und knackigen Zutaten jedes Döner-Herz höher schlagen lässt.

Neue Berliner Döner-Küche

Deniz Buchholz, einer der drei Gründer, ist Halbtürke, seine Mutter stammt aus Bursa, der Mann hat quasi Kebap im Blut. Er nennt seinen Stil „neue Berliner Küche“ und hat klare Ambitionen: „Wir wollen den Döner ins Jahr 2019 bringen und das schlechte Image des Gerichtes mithilfe guter Zutaten verbessern. Berlin hat bessere Döner verdient.“

Das gelingt seinem Team erstaunlich gut, (noch) nicht ganz Istanbuler Niveau, aber doch beste Produkte und viel Liebe zum Detail. Die Sache hat Potenzial. Vor allem leistet das „K. W. A.“ Pionierarbeit, weil es zeigt, dass die Berliner Kundschaft bereit ist, durchaus acht Euro für einen Qualitäts-Döner mit Fleisch aus artgerechter Freilandhaltung zu bezahlen.

Ist Berlin also reif fürs nächste Döner-Zeitalter? Ja, davon bin ich überzeugt, das „K. W. A.“ öffnet gerade die Pforten dorthin. Bessere Nachrichten kann es für Döner-Fans nicht geben. Also dann, auf zu neuen Döner-Ufern!

HIER SCHMECKT DER DÖNER RICHTIG GUT

In Berlin

Per Meurlings Favorit: Kebap With Attitude, Gipsstr. 2, Mitte, täglich 12 bis 23 Uhr, eatkwa.de

Gute Alternative: Imren Grill, zum Beispiel: Boppstr. 10, Kreuzberg, tgl. 8 bis 2 Uhr; Karl-Marx-Str. 75, tgl. 8 bis 2 Uhr; Karl-Marx-Str. 75, Neukölln, tgl. 9 bis 3 Uhr; Wiener Str. 10, Kreuzberg, rund um die Uhr offen; Buttmannstr. 1, Gesundbrunnen, tgl. 7 bis 0.30 Uhr; Müllerstr. 134, Wedding, tgl. 8 bis 0.30 Uhr; imren-grill.de

Wenn es Hähnchen sein soll: Mustafas Gemüse Kebap, Mehringdamm 32, Kreuzberg, Mo bis Do und So 11 bis 2, Fr und Sa 11 bis 5 Uhr, mustafas.de

oder schneller: Rüya, Otto-Suhr-Allee 19, Charlottenburg, Mo bis Fr 11.30 bis 20, Sa 12 bis 21 Uhr.

In Istanbul
Der bekannteste Döner der Stadt: Karadeniz Döner Asim Usta, Sinanpasa, Mumcu Bakkal Sokak No:6, 34353 Besiktas/Istanbul

Sehr bekannt und direkt am Kapali Çarsi, dem „Großen Basar“: Dönerci Sahin Usta, Mollafenari, Kiliçcilar Sk. No:5, 34120 Fatih/Istanbul

Geheimtipp von Spitzenkoch Maksut Askar: Dönerci Engin Usta, Necatibey Caddesi No:10, Karaköy/Beyoglu, donercienginusta.com

Lieblings-Döner des türkischen Starkochs Mehmet Gürs: Bayramoglu Dönercisi, 2 Cumhuriyet Caddesi, Istanbul, 34805, bayramogludoner.com.tr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

Per Meurling

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