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Nigerianische Soldaten machen mobil gegen Boko Haram. Die Terrorgruppe schwächt das Land gefährlich.

© dpa

Außenpolitik: Normalfall Krise

Selten gab es so viele politische Krisen wie heute. Der Bundesaußenminister glaubt, dass sich an der Weltlage langfristig wenig ändern wird. Auch Entwicklungshilfeorganisationen stellen sich darauf ein.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat in der zurückliegenden Woche selbstkritisch die eigene Politik hinterfragt: „Sind wir auf die Veränderungen in der Welt noch gut vorbereitet?“, sagte er vor jungen Deutschen mit Mirgrationshintergrund, die er für den Auswärtigen Dienst gewinnen wollte. Und er lieferte auch gleich eine Antwort. Angesichts weltweiter Krisen wie in Syrien, dem Irak, in Nordafrika und der Ukraine müsse sich die deutsche Außenpolitik stärker darauf konzentrieren, mögliche Konflikte früh zu erkennen und sie schon im Ansatz zu entschärfen.

Neue Strukturen für das Auswärtige Amt

Bereits im vergangenen Jahr hat Steinmeier einen sogenannten Review-Prozess, eine Überprüfung der deutschen Außenpolitik angestoßen. „Die Frage ist doch, ob das Pendel irgendwann wieder in die andere Richtung ausschlagen, sich wieder im Normalzustand einpendeln wird, oder ob die Krise zum Normalfall wird“, erläuterte der Minister seine Initiative. Sein „Verdacht“ sei, dass Außenpolitik dauerhaft von Krisenpolitik bestimmt werde. Darauf müsse Deutschland reagieren. Im Auswärtigen Amt soll es daher künftig unter anderem eine besondere Stelle geben, die sich mit Krisen befasst.

Auch Entwicklungshelfer müssen umdenken

Auch Entwicklungsorganisationen stellen sich auf neue Verhältnisse ein. Bei der staatlichen Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) diskutierten kürzlich auf Initiative des CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter Experten über das neue Phänomen fragiler Staaten. 60 bis 70 Länder ordneten Johannes Richert vom Deutschen Roten Kreuz und der Friedens- und Konfliktforscher Ulrich Schneckener in diese Kategorie ein. Es sind Länder, in denen die staatlichen Strukturen noch nicht völlig zusammengebrochen sind, die staatliche Autorität durch innere Konflikte aber stark eingeschränkt ist.

Konfliktträchtige Demokratieförderung

Eine wichtige Erkenntnis der Debatte: Die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand hat diese Entwicklung auf gewisse Weise sogar befördert. „Die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit schafft nicht immer Frieden“, sagte Richert. Viele der betroffenen Staaten seien erst im Zuge der Dekolonialisierung, also nach 1960 entstanden, ergänzte Schneckener. „Hier ist der noch junge Staat mit seinen Strukturen in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt erst in Randregionen vorgedrungen. Das verlief nicht immer konfliktfrei.“ Gleichzeitig hätten heute mehr Menschen die Möglichkeit, sich zu informieren und Informationen weiterzugeben. „Das führt dazu, dass marginalisierte Gruppen immer öfter Teilhabe einfordern und die lokalen Eliten unter ungeheurem Druck stehen.“

Missachtung des Völkerrechts

Bewegungen wie Al Qaida und der „Islamische Staat“ verschärfen die Lage. „Solche Gruppen, die in verschiedenen Regionen auftreten und vernetzt sind, gab es früher nicht“, sagte Johannes Richert. Für Helfer wird die Arbeit unter solchen Bedingungen immer schwieriger – und vor allem gefährlich. Selbst das Internationale Rote Kreuz, das sich auf ein völkerrechtliches Mandat für humanitäre Hilfe berufen kann, kommt immer öfter an seine Grenzen. Richert: „Völkerrecht ist an Staatlichkeit gebunden, doch diese Gruppen haben keinen Zugang zum Völkerrecht.“

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