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Weinkritiker Stuart Pigott war Freund und Förderer des "Weinsteins". Hier traf er sich auch mit uns für die Kolumne "Auf eine Flasche Wein mit ..."

© David Heerde

Auf eine Flasche Wein mit: Stuart Pigott

Wir trafen den international bekannten Weinjournalisten auf vinophiler Erinnerungstour in seiner ehemaligen Wahlheimat Berlin im "Weinstein"

Von Kai Röger

Eigentlich wäre es ganz einfach gewesen, die Flasche Wein auszusuchen, die ich mit Stuart Pigott trinken werde. In seinem neuen Buch "Planet Riesling" schreibt er nämlich: "Das erste Glas Wein muss hier der trockene Haus-Riesling sein, 'Schlank im Schrank', vom Weingut Karlsmühle an der Mosel." Mit "hier" meint Pigott das "Weinstein" in Prenzlauer Berg, in dem ich mit ihm verabredet bin. Aber "Schlank im Schrank" ist ausgetrunken. Welchen Wein trinkt man mit jemandem, der seit über 30 Jahren den "Planet Wein" bereist und weltweit zu den wichtigsten Weinkennern gehört?

"Ich hab dir mal was eingeschenkt", sagt der Wirt und reicht mir ein Glas. Durch das Fenster sehe ich Pigott mit Tasche und Fahrrad. Er trägt einen schwarzen Ledermantel und einen schwarzen Helm, der ein wenig an den eines Soldaten erinnert. Das Fahrradschloss scheint zu klemmen. Er flucht.

Das "Weinstein" gehört für Pigott zum festen Bestandteil jedes Berlinbesuchs

Wir wählen einen Tisch im hintersten Winkel des Gastraums. Pigott ist nur für wenige Tage zu Besuch, er lebt inzwischen in New York. Aber Berlin, in dem er über 20 Jahre wohnte, bleibe seine "seelische Heimat" und "Anker". Wir stoßen an. Ich habe keine Ahnung, woher er so schnell ein Glas bekommen hat. "Wenn ich nach Berlin zurückkomme", sagt er, "besuche ich immer dieselben Orte, dieselben Freunde und trinke dieselben Weine."

Pigott ist in London geboren und aufgewachsen, hat Kunst studiert, bis ihn die Leidenschaft für Wein packte. Er zieht nach Deutschland an die Mosel, trifft Winzer und beginnt, über Wein zu schreiben. Doch erst mit dem Umzug nach Berlin Anfang der 1990er-Jahre findet er zu seinem unverwechselbaren Stil: "Berliner­Härte gemischt mit schwarzem britischen Humor und dem anerzogenen Skeptizismus, alles zu hinterfragen." Ich erinnere mich an sein Buch "Wilder Wein": In einer der Reportagen schlüpft Pigott in die Rolle des neureichen texanischen Kotzbrockens Stephen Taylor, um die Machenschaften eines der größten Weinmagazine der USA aufzudecken. "Gonzo-Journalismus" hat er das damals genannt.

Winzer Horst Hummel sitzt plötzlich mit am Tisch

Mich würde allmählich interessieren, was wir trinken. "Ein Riesling von Maximin Grünhaus" sagt der Wirt. "Das ist der Wein, den ich 1995 trank, als ich das erste Mal im Weinstein war - der Kreis schließt sich", sagt Pigott sichtlich zufrieden. Ich denke "Anker!" und bestelle eine ganze Flasche davon. Mein erster Wein, den ich im "Weinstein" trank, hieß Casa Solar: ein Tempranillo ohne Persönlichkeit: nett und sehr günstig. Das muss 1993 oder 94 gewesen sein. Wenn ich einmal nicht mehr in Berlin wohnen sollte, hoffe ich, dass mir noch andere Weine einfallen, mit denen ich meine Sehnsucht nach Vertrautheit stillen kann.

Die Flasche leert sich wie von selbst. Wir sprechen über den Rheingau und dessen "Traum von einer mythischen Zeit", der Schwierigkeit, das amerikanische "medium sweet" elegant ins Deutsche zu übersetzen und dem inflationären Gebrauch von "mineralisch", als sich jemand mit großer Tasche zu uns an den Tisch setzt: "Der Winzer Horst Hummel, ein Freund ...", sagt Pigott "... und mein Anwalt". Ich bin irritiert, Pigott amüsiert. Winzer Hummel greift in die Tasche und stellt zwei Flaschen von seinem ungarischen Weingut auf den Tisch. Auch Pigott zieht aus seiner Tasche einige Flaschen hervor: "Weine von Freunden, die probiert werden müssen", sagt er gutgelaunt. Pigott badet in Vertrautheit, ich werde im Laufe der Nacht darin ertrinken.

Die getrunkenen Weine 2011er Riesling von Maximin Grünhaus: "Leicht und doch mit Tiefe. Ich muss nicht darüber nachdenken, wenn ich es aber tue, finde ich etwas, das mir gefällt" Stuart Pigott

2011er Merlot aus Villányi vom Weingut Hummel: "Es gibt keine schlechten Rebsorten, nur dumme Winzer" Horst Hummel

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