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Gesundheit: Alt werden wie ein Fadenwurm

Forscher finden Gene, die die Lebenserwartung von Würmern und Mäusen stark erhöhen – können auch Menschen davon profitieren?

Immer mehr Menschen können mittlerweile den hundertsten Geburtstag feiern. Wird uns bald eine noch längere Lebensspanne vergönnt sein? Die Molekularbiologen Ralf Baumeister und Maren Hertweck von der Abteilung für Bioinformatik und Molekulargenetik der Uni Freiburg wurden jetzt bei ihrer Suche nach Schlüsselgenen für die Alterung fündig. Vorerst aber nicht beim Menschen, sondern beim Fadenwurm „Caenorhabditis elegans“, der im Schnitt nur eine Lebenserwartung von 14 Tagen hat.

Die Forscher identifizierten das Gen, das ein Enzym namens „ SGK-1“ bildet. Das Enzym verhindert normalerweise die Aktivierung lebensverlängernder Gene. Als das SGK-1-Gen ausgeschaltet wurde, waren die Würmer auch im Alter von 14 Tagen noch munter und zeigten nicht die sonst üblichen Alterserscheinungen.

Insulin beeinflusst Alterung

Die Lebensspanne war um mehr als 60 Prozent verlängert. Gleichzeitig waren die Tiere gegenüber Stress deutlich widerstandsfähiger. „Der Verlust von SGK-1 ist entscheidend für Langlebigkeit", schreiben die Forscher im aktuellen Fachblatt „Developmental Cell“.

Das Enzym beeinflusst die Wirkung von Insulin in den Körperzellen. Das Hormon ist vor allem im Zusammenhang mit Diabetes bekannt. Dass Insulin im Alterungsprozess eine Rolle spielen könnte, wird schon länger vermutet. Das Schlüsselgen bezeichnet Baumeister als lang gesuchten Baustein der Informationsübertragung in der Zelle. „Auch Menschen besitzen ein Gen für SGK-1“, sagt er. Über 75 Prozent der Aminosäure-Bausteine seien in den entscheidenden Bereichen identisch.

Der kurz „C. elegans" genannte, durchsichtige Fadenwurm lebt normalerweise in Gartenerde. Er ist leicht zu untersuchen und taugt gut als biologischer Modellorganismus. Sein Genom wurde vor fünf Jahren entschlüsselt. Mehr als 60 Prozent aller bisher bekannten menschlichen Krankheitsgene haben beim Fadenwurm eine Entsprechung. Im Rahmen der Mission Delta fliegen einige Millionen Exemplare jetzt sogar zur internationalen Weltraumstation ISS.

Mäuse stehen dem Menschen biologisch gesehen deutlich näher als Fadenwürmer. Zumindest im Labor werden die Nagetiere normalerweise etwas mehr als zwei Jahre alt. Im Institut für Alternsforschung der Universität in Ann Arbour werden Mäuse genetisch verändert, um den Einfluss von Genen und Hormonen auf Krankheiten im hohen Alter zu untersuchen.

Der Zwergmausmann „Yoda“ konnte kurz vor Ostern sogar seinen vierten Geburtstag feiern. Damit handelt es sich wohl um die älteste Labormaus der Welt. Auf menschliche Verhältnisse umgerechnet wäre Yoda 136 Jahre alt geworden. Der älteste bisher bekannte Mensch, die Französin Jeanne Calmant, brachte es „nur“ auf 123 Jahre.

Yoda sei trotz des hohen Alters noch fit, sexuell aktiv und gut aussehend, erklärte Altersforscher Richard Miller. Die Zwergmaus verdankt die Langlebigkeit einer genetischen Veränderung, die Auswirkungen auf Hirnanhang- und Schilddrüse sowie die Insulinproduktion hatte. Der Eingriff führte auch dazu, dass Yoda etwa ein Drittel kleiner als die Artgenossen und sehr kälteempfindlich ist. Doch Zellengenossin „Prinzessin Leia“ sorge mit ihrer Körperwärme dafür, dass sich Yoda nicht zu Tode friere, sagt Miller.

Nach den genetischen Voraussetzungen für Langlebigkeit wird schon länger gesucht. So wurde in der Zeitschrift „Science“ spekuliert, dass man sie bei sardinischen Bauern suchen sollte. Denn auf Sardinien haben auffallend viele Männer die Hundert überschritten. Da die Menschen dort lange abgeschieden lebten, kommt neben Umweltfaktoren auch eine genetische Mitgift in Frage.

Auf der Ebene der kleinsten selbstständigen Einheiten des Organismus, der Zellen, ist man nun durch den Freiburger Fadenwurm den molekularen Prozessen des Alterns ein wenig mehr auf die Schliche gekommen. Hier eingreifen zu wollen, wäre nicht nur verfrüht, sondern auch gewagt. Das Absterben von Zellen ist auch ein Kontrollmechanismus und eine wichtige Voraussetzung für Gesundheit. Krebsgeschwüre sind Ansammlungen unsterblicher, wuchernder Zellen.

„Jedes Gen hat beim Menschen eine Funktion“, betonte Baumeister gegenüber dem Tagesspiegel. Die komplette Ausschaltung einzelner Gene könnte schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Sie zeigen sich schon beim Wurm: Wenn das Gen für SGK-1 bei C. elegans ausgeschaltet wird, haben die Tiere deutliche Entwicklungsverzögerungen.

„Die Natur hat dem ewigen Leben wahrscheinlich nicht ohne Grund einen Riegel vorgeschoben." Baumeister will denn auch mit seinen Forschungen nicht primär zur Verlängerung des menschlichen Lebens, sondern eher zu besserer Lebensqualität im Alter beitragen. „Denkbar ist etwa die Entwicklung von Medikamenten, die SGK-1 gezielt in der Haut ausschalten und dadurch UV-Schäden vermeiden helfen, den übrigen Körper aber in Ruhe lassen", sagt der Biologe.

Adelheid Müller-Lissner

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