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Philipp Amthor, der gegenwärtig jüngste Bundestagsabgeordnete der CDU

© dpa/Bernd Wüstneck

Wahl der Bundeskanzlerin: Von hart bis liberal: Der CDU-Nachwuchs nach Merkel

Angela Merkel ist zum vierten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt worden. Doch die Zukunft in der CDU gehört anderen. Ein Überblick.

Es ist eine Gratwanderung, aber sie gelingt. „Hören Sie mir mal zu, dann können Sie nämlich noch was lernen über die Verfassung“, ruft Philipp Amthor der AfD vom Rednerpult im Bundestag aus zu. Der 25-jährige CDUler mit der kleinen Deutschlandfahne am Revers soll erklären, warum die CDU dem Antrag der AfD für ein Burkaverbot im öffentlichen Raum nicht zustimmen kann – obwohl sie die Vollverschleierung selbst kritisch sieht. „Überall dort, wo der politische Islam versucht, unsere offene Lebensweise zu beschränken, da werden wir ihm die Härte des Rechtsstaats entgegenhalten“, wettert Amthor. Aber der AfD-Antrag strotze nur so vor Fehlern. „Sie haben nicht mal das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes gelesen, wo drin steht, dass Ihr Entwurf verfassungswidrig ist“, wirft er der AfD vor.

Amthor – meist im blauen Anzug und mit Seitenscheitel unterwegs – ist der jüngste Abgeordnete der Unionsfraktion, die Rede ist erst seine zweite im Bundestag. „Bild“ titelt kurz darauf: „Merkels Bubi gibt der AfD Saures“, und das Video von der Rede wird zehntausendfach im Internet angesehen. „Schön, dass ich mittlerweile nicht mehr nur als jüngster Abgeordneter, sondern auch inhaltlich wahrgenommen werde“, merkt Amthor später beim Gespräch in seinem Büro an und lächelt leicht. Auf einem Fernseher läuft die Parlamentsdebatte, Amthor kommt gerade aus der Sitzung des Innenausschusses. „Was am Ende zählt im Bundestag“, sagt er, „ist die Qualität des Arguments.“ Amthor klingt wie einer, der noch viel vorhat.

Seine Partei, die CDU, hat da gerade eine wochenlange Debatte über Verjüngung hinter sich. Neue Gesichter sollten nach vorn, die Kanzlerin musste reagieren. Der 37-jährige Jens Spahn wird nun Gesundheitsminister, die 45-jährige Julia Klöckner Landwirtschaftsministerin. Daneben fielen in der Verjüngungsdebatte immer wieder dieselben Namen: Ministerpräsidenten wie Michael Kretschmer aus Sachsen oder Daniel Günther aus Schleswig-Holstein standen im Fokus, auch Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, und Paul Ziemiak, der Vorsitzende der Jungen Union.

Die Überraschung war groß

Als dann aber nach der Berufung von Annegret Kramp-Karrenbauer zur Generalsekretärin ein weitgehend Unbekannter wie der 40-jährige Tobias Hans als Ministerpräsident im Saarland nachrückte, war die Überraschung groß. Die CDU hat eine junge Garde, die in den Ländern und auf Bundesebene fleißig Karriere macht, aber bislang nur selten im Fokus der bundesweiten Öffentlichkeit stand. Wer sind also die politischen Enkel der Kanzlerin? Und wie ticken sie? Wer das versteht, weiß, wohin sich die CDU in den kommenden Jahren entwickeln wird.

Manuel Hagel hat eine Karriere in der Politik eigentlich nicht geplant. Der 29-jährige Baden-Württemberger mit den zur Seite gegelten Haaren wollte ursprünglich Förster werden, später machte er eine Lehre zum Bankkaufmann, studierte und wurde mit 24 Jahren Sparkassendirektor in seiner Heimatstadt. Zur gleichen Zeit wurde er dort Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat. Damit war er zufrieden, sagt Hagel. „Aber es hieß dann bei vielen Kandidaturen: Der Manuel soll’s mal machen.“ Mittlerweile sitzt Hagel im Landtag und ist Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg. Er soll die Partei so auf Vordermann bringen, dass sie bei der nächsten Landtagswahl wieder stärkste Partei wird. In einem Papier mit dem Titel „Wach auf CDU“ forderte er eine deutlich konservativere Grundausrichtung der CDU ein. Einige kritisierten ihn für den Alleingang. Andere sehen in ihm Ministermaterial.

Auch Nadine Schön hat es schon weit gebracht. Die 34-jährige Juristin wurde mit gut 20 Jahren Landtagsabgeordnete im Saarland, fünf Jahre später zog sie in den Bundestag ein, mit 30 wurde sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „Man muss versuchen, seine Nische zu finden. Dann wird es auch eher geschätzt, dass man mit einem jüngeren Blick die Sachen anpackt“, sagt sie. Bei Schön ist diese Nische neben der Familienpolitik die Digitalpolitik.

Nadine Schön (CDU)
Nadine Schön (CDU)

© dpa/Oliver Dietze

Florian Braun, der vor seinem Einzug in den nordrhein- westfälischen Landtag bei einem Telekommunikationsverband arbeitete, sagt: „Man kann sich nicht darauf verlassen, dass Ältere einen fördern.“ Der 28-Jährige verhandelte in NRW den Koalitionsvertrag mit und ist der Landesvorsitzende der Jungen Union. Die ist für viele in der CDU ein wichtiges Netzwerk – auch wenn man schon längst aus der Jugendorganisation herausgewachsen ist, funktionieren die Kontakte noch. „Die junge Generation muss selbst nach Verantwortung greifen und sich dabei gegenseitig unterstützen, nicht ausgebootet zu werden“, sagt Braun. Im Landtag in Nordrhein-Westfalen habe man es geschafft, dass acht Mitglieder der JU in der Fraktion säßen. „Das ist ein Gewicht, das mit in die Waagschale gelegt werden kann, wenn wir den Eindruck haben, dass der Blickwinkel der jungen Generation in der Fraktionsarbeit nicht genug vorkommt.“

Der Blickwinkel der Jüngeren in der CDU – dieser Eindruck entstand in den vergangenen Wochen – scheint konservativer und wirtschaftsliberaler zu sein als der vieler älterer Parteifunktionäre. Jens Spahn ist dafür ein Beispiel. Und auch Amthor, der jüngste CDUler im Bundestag, sagt Sätze wie: „Ich bin konservativer als viele andere in der CDU. Die Handlungsfähigkeit eines wehrhaften und starken Staates – das ist für mich das zentrale Thema.“

So einfach ist es nicht

Doch ganz so einfach ist es nicht. Das sieht man etwa beim JU-Vorsitzenden Braun aus NRW: Braun war gegen die Abschaffung der Wehrpflicht, hätte einen allgemeinen Staatsdienst für Männer und Frauen favorisiert und fand, über den Atomausstieg in der Partei wurde zu wenig diskutiert. „Im Hinblick auf Innenpolitik und Sicherheit bin ich für hartes Durchgreifen – gleichzeitig bin ich für die Ehe für alle. Das ist kein Widerspruch.“

Florian Braun, Vorsitzender der JU in NRW
Florian Braun, Vorsitzender der JU in NRW

© promo/Junge Union

Hart in der Innenpolitik, liberal beim Gesellschaftlichen: Auch der 33-jährige Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann steht für so eine Wertemischung. Er ist seit 2013 im Bundestag – damals gewann er seinen Wahlkreis im Süden von Thüringen von den Linken zurück, zuvor studierte er in Jena, Yale und Osaka und war Büroleiter eines CDU-Bundestagsabgeordneten. Jetzt ist er Vorsitzender der Jungen Gruppe im Bundestag. „Konservativ heißt ja nicht, die Asche zu verwalten, sondern die Fackel des Fortschritts weiterzutragen“, sagt er. Hauptmann hat „auch aus konservativer Überzeugung“ für die Ehe für alle stimmt. Er fordert ein Ende der, wie er sagt, „Planwirtschaft“ bei der Energiewende. Und er glaubt: „Die Bürger verstehen nicht, warum die Grenzen nicht geschützt werden können, warum bestimmte Delikte nicht geahndet werden. Sie wollen, dass Abschiebungen wieder funktionieren.“ Das seien ganz konkrete Fragen, um die sich der Staat wieder verstärkt kümmern müsse.

Und dann ist da noch Diana Kinnert. Die 27-jährige Unternehmerin hat zwar bislang keine Ämter in der CDU inne, ist aber wohl dennoch eine der prominentesten jungen Stimmen aus der Partei. In ihrem Buch „Für die Zukunft seh’ ich schwarz“ plädierte sie für einen modernen Konservatismus. Das wirkte in der Mischung mit ihrem stets schief sitzenden Basecap und der Tatsache, dass Kinnert einen Migrationshintergrund hat, so interessant, dass sie seitdem häufig in Talkshows sitzt.

Diana Kinnert (Archivbild vom 14.12.2015)
Diana Kinnert (Archivbild vom 14.12.2015)

© dpa/Uwe Anspach

So ehrgeizig die junge Garde in der CDU auch ist – viele von ihnen sehen in der Politik ein Geschäft auf Zeit, von dem man nie weiß, wann es wieder vorbei ist. Man habe bei den Älteren gesehen, zu wie viel Frust es führen könne, unbedingt ein bestimmtes Amt zu wollen und es dann nicht zu kriegen, sagt einer.

Der Baden-Württemberger Hagel glaubt, dass in der jungen Politikergeneration jetzt Werte und Grundüberzeugungen in den Fokus rückten, „während bei der Generation vor uns eher der Pragmatismus und der Kompromiss im Mittelpunkt standen“. Das liege auch daran, dass in einer Zeit von Globalisierung, Anonymisierung und Digitalisierung verstärkt „Heimat, Tradition, Brauchtum und Sicherheit“ an Bedeutung gewönnen.

Die Jungen – das ist eine Generation von Politikern, deren gesamte politische Karriere unter Angela Merkel als Kanzlerin stattgefunden hat, ein Großteil davon in einer großen Koalition. Das prägt sie. Was eigentlich 100 Prozent CDU wären – im Gegensatz zu dem, was im Koalitionsvertrag steht –, das müsse jetzt in der anstehenden Programmdiskussion der Partei herausgearbeitet werden, findet Amthor. „Ein CDU-Mitglied, das man nachts weckt, sollte auf Anhieb die Frage beantworten können: Für welche drei Punkte steht die CDU?“

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