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Lobbyisten wollen raus aus der Korruptionsecke.

© picture alliance / dpa

Lobbyregister im Bundestag: Lobbyisten wollen raus aus der Korruptionsecke

Die im Dunkeln sieht man nicht: Viele Lobbyisten wollen in Deutschland nicht mehr im Verborgenen arbeiten – und fordern nun selbst ein Lobbyregister. Doch die Politiker winken ab.

Von Antje Sirleschtov

Andreas Geiger ist wahrscheinlich einer der wenigen Lobbyisten in Berlin, die von sich behaupten können, nicht nur in der deutschen Hauptstadt, sondern auch in Brüssel über beste Kontakte zur Politik zu verfügen. Hier wie dort betreibt Geiger mit seinem Partner eine Anwaltskanzlei, die keinen Hehl daraus macht, die Interessen ihrer Mandanten gegenüber Regierungen und Parlamenten zu vertreten. Geiger ist schlicht ein Lobbyist. Was konkret er tut, wen er vertritt und vor allem, wer ihn dafür bezahlt, kann jeder online im Brüsseler „transparence-register“ nachlesen. Dort steht unter anderem, dass Geiger voriges Jahr das deutsche Unternehmen Gauselmann vertreten hat und dass ihm das süddeutsche Unternehmen dafür mehr als 200.000 Euro bezahlt hat.

In wessen Auftrag Geiger jedoch im Bundestag und in der Bundesregierung lobbyiert, weiß niemand. Nirgendwo taucht „Alber & Geiger“ in öffentlichen Registern auf. Kein Mensch weiß, wessen Interessen er vertritt. Denn ein Transparenzregister, wie es eines in Washington seit Jahrzehnten, in Brüssel auch schon seit längerem und neuerdings sogar in einzelnen deutschen Bundesländern gibt, existiert in der deutschen Hauptstadt noch immer nicht.

Das könnte sich nun ändern. Denn ausgerechnet im Kreis der Lobbyisten selbst läuft seit Monaten eine Debatte darüber, wie der Ruf der Interessenvertreter in der Öffentlichkeit verbessert werden kann. Und die Einführung eines Lobbyregisters steht dabei im Zentrum. Berater, Verbände, Anwälte und Unternehmen, sagt der Kommunikationswissenschaftler Günter Bentele, „haben ein wachsendes Interesse an Legitimität“. Sie wollen raus aus der Korruptionsecke, in die sie immer wieder hineingeraten, wenn in den Medien über Hinterzimmerklüngeleien oder allzu enge Verbindungen zwischen Politikern und Unternehmern diskutiert wird.

Im Koalitionsvertrag kein Wort mehr

Bentele steht seit Jahren dem Deutschen Rat für Public Relations (DRPR), einer Art Ethikkommission, vor, in der Kommunikationsagenturen, Politikberater und Pressesprecher über selbst gewählte Regeln von politischer Kommunikation wachen. Erst vor einigen Tagen haben sich die Kommissionsmitglieder vorgenommen, ihren Verhaltenskodex 2015 komplett zu überarbeiten. Und im Zentrum steht: die Einführung eines Lobbyregisters. Und auch Hildegard Müller, einst engste Vertraute der CDU-Kanzlerin Angela Merkel und heute Cheflobbyistin der Energie- und Wasserbranche, sagt ganz offen, Transparenz sei bei einer guten und modernen Lobbyarbeit „das Entscheidende“, und „ein verpflichtendes Lobbyregister“ könne dafür „wichtige Beiträge leisten“.

Ausgerechnet bei denen, die eigentlich das vitalste Interesse daran haben müssten, dass ihre Arbeit nicht im Zwielicht steht, den Politikern also, ist die Bereitschaft, sich zu einer weitreichenden Diskussion über mehr Transparenz und gesetzlichen Regelungen zu bekennen, jedoch gering. Zwar hatte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im vergangenen Jahr – im Bundestagswahlkampf – noch lautstark verkündet, die SPD werde „ein sehr klares Programm gegen das Lobbywesen in der Politik formulieren“ und ein verpflichtendes Lobbyregister einführen.

Im Koalitionsvertrag mit CDU und CSU stand darüber allerdings kein Wort mehr, und in der SPD wird seit der Regierungsbeteiligung auch nicht mehr ernsthaft gesprochen. Ganz zu schweigen von der Union. „Wir haben im Bundestag ein Lobbyregister, das praktikabel ist“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Bernhard Kaster, über die Auflistung von einigen tausend Verbänden, die man auf der Internetseite des Bundestags lesen kann, und fügt an: „Die Einrichtung eines Lobbyregisters steht nicht auf der Tagesordnung des Bundestags“. Er sagt lediglich, man sei „immer offen“, darüber zu sprechen.

„Vertrauen in Demokratie braucht Transparenz“

Der Politikberater Dominik Meier, Chef des Branchenverbands Degepol, will genau das jetzt tun und eine Debatte darüber führen, welche Informationen Interessenvertreter in einem solchen Register veröffentlichen müssen. Im Detail nämlich zeigen die bereits existierenden Vorbilder, etwa in Brüssel, wie viele Probleme es da gibt. So muss in Brüssel jeder, der mitreden will, nicht nur Eckdaten und Namen seines Unternehmens und der Auftraggeber offenbaren, sondern auch die Geldbeträge, die dafür fließen.

Bei Beratungsgesellschaften mag das noch machbar sein. Welche Summen aber sollen Unternehmen wie Daimler oder Metro dort eintragen? Gehört das Gehalt der Vorstandsassistentin, die im Auftrag ihres Chefs Briefe an Abgeordnete schreibt, auch dazu? Und was ist mit Anwaltskanzleien, die ihre Auftraggeber und Honorare aus Gründen des Mandantenschutzes überhaupt nicht offenlegen müssen? Für Organisationen wie Lobbycontrol oder Transparency International wären solche Angaben essenziell, damit jeder sich darüber informieren kann, wer mit welchem Finanzeinsatz an Gesetzen mitgearbeitet hat.

Im Herzen Berlins, wo sich mittlerweile an jeder Ecke Interessenvertreter finden – von Unternehmensbüros über Wirtschaftsverbände bis hin zu Waldschützern und Verbänden für Alleinerziehende und Rentner –, gehen darüber die Meinungen erwartungsgemäß auseinander. Nur darüber, dass die Debatte über das Register im Bundestag geführt werden muss, scheint weitestgehend Einigkeit zu bestehen. Und Lobby-Rats-Vorsitzender Bentele sagt: „Gerade eine große Koalition hat die Kraft, so eine Debatte anzustoßen.“ Schließlich lebe die Demokratie von der Beteiligung unterschiedlicher Interessen, seien es die von Gewerkschaften und Sozialverbänden oder die von Unternehmen. Allerdings müssten für diese Beteiligungsprozesse klare Regeln gelten, „Vertrauen in Demokratie braucht Transparenz“.

Seit der Bundestagswahl hat sich der SPD-Abgeordnete Marco Bülow manchmal wie ein Störenfried in den eigenen Reihen gefühlt, wenn er über das Lobbyregister sprach. Trotzdem will er nicht aufgeben. Die Einführung des Registers sei schließlich Beschlusslage seiner Partei, sagt er. Und nächstes Jahr will er das Thema wieder auf die Tagesordnung heben. Ein paar neue Verbündete in der Branche scheint er gefunden zu haben.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 18. November 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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