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Maike Kohl-Richter hatte ihren späteren Mann im Kanzleramt kennen gelernt.

© dpa

Kanzler-Stiftung kommt nach Berlin: Warum Helmut Kohls Witwe ein anderes Andenken an ihren Gatten wollte

Maike Kohl-Richter fühlt sich von der CDU hintergangen. Ihre Wünsche seien ignoriert worden, sagt sie. Was wird aus den politischen Dokumenten, die sie hütet?

Helmut Josef Michael Kohl, dem sechsten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, wird eine besondere Würdigung zuteil. Wie Willy Brandt (SPD) und Helmut Schmidt (SPD) bekommt der CDU-Politiker und „Kanzler der Einheit“ eine Bundesstiftung mit seinem Namen. So hat es der Bundestag einstimmig beschlossen, unter Enthaltung der AfD. Sitz der Stiftung wird Berlin; wo genau, ist unbekannt.

Weshalb es vergleichsweise lange dauerte mit der förmlichen Gründung, wurde spätestens unmittelbar vor der Parlamentsabstimmung offenkundig. Da begab sich Kohls Erbin und Witwe Maike Kohl-Richter mit einem elfseitigen Schreiben ihrer Anwälte in die Öffentlichkeit, was sie sonst selten tut. Eine Zusammenfassung stellte sie selbst voran: Sie habe „dem Vorhaben nicht zugestimmt“, heißt es auf ihrer Gedenk-Webseite „helmut-kohl.de“. Es widerspreche dem letzten Willen ihres Mannes. Die CDU habe sich „von meinen Bedenken und Vorstellungen“ nicht beeindrucken lassen und riskiere mit der Entscheidung, „dass Helmut Kohl zum Spielball der Politik und neuer Mehrheitsverhältnisse wird“.

Nun könnte eingewendet werden, Kohl-Richters Zustimmung sei für das Projekt entbehrlich. Allerdings war vorgesehen, sie in das Kuratorium aufzunehmen, wie es auch bei Helmut Schmidts Tochter Susanne geschah. Eine Einbindung hätte möglicherweise die Türen zu Kohls früherem Wohnsitz im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim geöffnet. Dort sollen Hunderte Aktenordner mit Dokumenten aus der Amtszeit Kohls lagern; Briefe, Vermerke, Schriftwechsel mit Politikern und Regierungschefs.

Die Bedingungen schienen unerfüllbar

Kohl-Richter verweigert den Zugang. Zweck der Stiftung ist es, so steht es im neuen Gesetz, das „Andenken an das politische Wirken Dr. Helmut Kohls“ zu wahren. Sie soll einen „Beitrag zum Verständnis der Zeitgeschichte“ leisten. Wie soll das gehen ohne Aufzeichnungen, die einen wesentlichen Teil des politischen Wirkens dokumentieren könnten?

Die Bedingungen, welche die Witwe gestellt zu haben schien, waren für die Verantwortlichen in Partei und Regierung unerfüllbar. Welche das waren, geht aus dem umfänglichen Anwaltsschreiben nur indirekt hervor. Doch offenbar hat Maike Kohl-Richter andere Vorstellungen vom Stiftungszweck: Es soll nicht nur an Kohls Leistung erinnert werden; vielmehr sind die Vorwürfe gegen den 2017 Verstorbenen aus der Welt zu schaffen.

Im Zentrum steht dabei die Spendenaffäre. Ab 1999 wurde ein verzweigtes System enttarnt, das der CDU Millionen in die Kassen spülte. Kohl selbst gab zu, mehr als zwei Millionen D-Mark angenommen zu haben; er könne die Spender nicht benennen, da er sein Ehrenwort gegeben habe. Im Ergebnis musste die Union eine Millionenstrafe wegen falscher Rechenschaftsberichte zahlen.

Kohl-Richter wollte nun als „vertrauensbildende Maßnahme“ und damit faktisch als Bedingung ihrer Kooperation erreichen, dass die CDU „mit einer ehrlichen, auch internen Aufarbeitung und Einordnung der Ereignisse ab Herbst 1999 zunächst ihr Verhältnis zu Helmut Kohl klären möge“. Dabei sei der „Faktor Zeit“ eher hilfreich, weil sich eine „unbelastete Generation“ leichter damit tue, dies alles „vorurteilsfrei“ aufzuarbeiten.

Die Bundesstiftung kommt, „mit ihr oder ohne sie“

Die Witwe schildert sodann minutiös, wie jegliche Maßnahmen der Vertrauensbildung von vornherein unterblieben sein sollen. Im Gegenteil, es soll eher eine Art Kriegserklärung gegeben haben. So habe Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus ihr vor einem Jahr ein Ultimatum gesetzt: Die Bundesstiftung komme, „mit ihr oder ohne sie“. Man habe ihr zwar einen lebenslangen Sitz im Kuratorium angetragen, jedoch ihre Mitsprache im Vorfeld des Projekts abgelehnt und ihr nur den fertigen Gesetzentwurf präsentiert. Fraktion und Partei hätten auf diese Weise lediglich „den Segen der Witwe“ erwirken wollen, wie Kohl-Richters Anwalt formuliert. Brinkhaus wollte auf Anfrage dazu keine Stellung nehmen.

Die Enttäuschung sitzt tief. Dies liegt wohl auch daran, dass eine weitere Idee Kohl-Richters unberücksichtigt blieb. Seit dem Tod ihres Mannes ist sie bemüht, den Ludwigshafener Bungalow zu einer Zentrale des Kohl-Gedenkens auszubauen; hier wäre nach ihrer Ansicht auch der richtige Standort für die Stiftung. Offenbar hat Kohl-Richter eigens dafür das Nachbargrundstück erworben, auf der die Polizei-„Sonderwache“ steht. Früher hielten sich hier die Personenschützer auf. Das Kanzleramt ist in der Pflicht, den drögen Zweckbau abreißen zu lassen, doch es stoppte die Arbeiten.

Für die Erbin ist der Bungalow ein Monument der Geschichte

Für die Erbin ist der eigene Wohnsitz samt Wache ein Monument der Geschichte. Hier hatte Kohl den Zehn- Punkte-Plan für die Wiedervereinigung entworfen. Einst schritten Staatschefs wie Michail Gorbatschow, George Bush, Margaret Thatcher und Jacques Chirac über die Schwelle. Nach Kohls Abwahl war der Bungalow sein Rückzugsort, in dem er die Spendenaffäre aussaß und den Suizid seiner Ehefrau Hannelore erlitt. Später zog Maike Kohl-Richter ein, die Kohl als Mitarbeiterin im Kanzleramt kennengelernt hatte. Sie umsorgte den Pensionär, der nach einem Sturz im Rollstuhl saß.

Kohl-Richters Anwälte schreiben jetzt von einem „historischen Ensemble“. Offenbar hatte sie zunächst Signale erhalten, dass es damit klappen könnte. Ein schlechtes Omen war dann aber, dass die Gebäude nicht in die rheinland-pfälzische Landesdenkmalliste aufgenommen wurden, trotz Anregung der Witwe. Als sie Brinkhaus den Erwerb des Nachbargrundstücks verkündete, soll dieser trocken reagiert haben: „Das freut mich für Sie.“ Nun wirft Kohl-Richter Partei und Regierung vor, den Standort Ludwigshafen niemals ernsthaft erwogen zu haben.

Das Kanzleramt hält sich bedeckt

Aus der Unionsfraktion heißt es nur, dass die „Errichtung der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung“ natürlich begrüßt werde. Auch das Kanzleramt hält sich bedeckt; Kohl-Richter durfte in der Vergangenheit zwar an einem Schreiben an die Presse mitformulieren, das von ihren Kaufplänen ablenken sollte. Sie wird aus der Regierungszentrale auch als „liebe Maike“ adressiert. Ansonsten aber sollte der Zwist möglichst nicht öffentlich verhandelt werden; bis heute hält das Kanzleramt Dokumente zurück, die den Umgang mit Kohl-Richter betreffen.

Offen bleibt damit, was mit Kohls Oggersheimer Akten geschehen wird. Die Witwe bestreitet, dass es sich um amtliches Schriftgut handelt; im Anwaltsschreiben ist von einem „Privatarchiv“ die Rede, das „den Zugang zu Helmut Kohl als Mensch und Politiker“ erleichtern solle. Immerhin, „für Forscher“ soll es zugänglich werden. Eigentlich dürften die Papiere überwiegend ins Bundesarchiv gehören. Die Behörde hatte schon einmal einen Anlauf unternommen, Kohl-Richter dafür zu gewinnen. Vergeblich. Nun gebe es keine „Basis für weitere Verhandlungen“, hieß es am Montag. Zuständig sei ohnedies das Kanzleramt.

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