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Stephan Kohler führt die Dena seit ihrer Gründung im Jahr 2000. Eigentlich soll die Dena Märkte für Energieeffizienz-Dienstleistungen entwickeln helfen. Dass gelingt ihr aber nur sehr bedingt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Für oder gegen die Energiewende?: Stephan Kohler - Wie eine Spinne im Netz

Der Chef der Deutschen Energieagentur, Stephan Kohler, gibt sich als neutraler Experte. Bezahlt wird er vom Staat – und großen Konzernen.

Kaum ein Lobbyist schafft es so erfolgreich wie Stephan Kohler, Debatten um die Energiewende zu prägen. Bei Fachleuten unvergessen ist seine Warnung vor einer „Stromlücke“ 2008. Die späteren Regierungsparteien Union und FDP machten sich das Argument ihres Lieblingsexperten zu eigen. Für sie war die „Stromlücke“ das wichtigste Argument für eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke. Tatsächlich existierte damals schon ein Überangebot an Strom. Seit Jahren ist der Import-Export-Saldo Deutschlands beim Strom deutlich im Plus.

Wie viel Energiekonzerne zahlen, ist Geschäftsgeheimnis

Aber wenn der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Energieagentur (Dena) Stephan Kohler spricht, hat das Gewicht. Das liegt daran, dass die Dena zur Hälfte vier Bundesministerien gehört. Die andere Hälfte gehört seit 2008 drei Banken und einer Versicherung, zuvor hielt die bundeseigene KfW 50 Prozent der Anteile, jetzt noch 26 Prozent. Das gibt Kohler den Nimbus einer neutralen Instanz.

Die Konstruktion der Dena verhindert allerdings genau das. Die wichtigsten Auftraggeber der Dena sind die vier großen Energiekonzerne. Wie hoch ihr Anteil an den eingeworbenen Drittmitteln ist, ist zwar nicht veröffentlicht. Die Grünen im Bundestag haben versucht, darüber Auskunft zu erhalten, zuletzt im April. Doch die Bundesregierung verweist stets auf schützenswerte „Geschäftsgeheimnisse“.

Für RWE hat die Dena mehrfach gearbeitet

Manchmal wird der Einfluss aber trotzdem deutlich. 2012 beispielsweise bestellte RWE bei der Dena eine Studie, die zu der Erkenntnis kam, dass die Braunkohle sogar 2050 noch 60 Prozent zur Stromerzeugung beitragen werde. Das passt zwar nicht zu den Energiekonzepten von Parlament und Regierung, aber dafür zum Geschäftsmodell von RWE. Ebenfalls im Auftrag von RWE nannte eine Dena-Studie es „wenig erfolgreich“, Energieanbieter aufs Sparen zu verpflichten, um die europäischen Effizienzziele zu erreichen. Dänemark und mehrere US-Bundesstaaten hatten damit allerdings beachtlichen Erfolg.

Kohlers Gehalt ist höher als das anderer Behördenleiter

Warum schreibt Kohler solche Studien? Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Eine verfolgen die Grünen seit Jahren. Stephan Kohler verdient deutlich mehr als ein vergleichbarer Behördenleiter im öffentlichen Dienst. Im Corporate-GovernanceBericht 2012 der Dena wird sein Jahresgehalt mit 183 755 Euro angegeben. Der Wirtschaftsminister verdient nur ein paar tausend Euro mehr. Kein Wunder, dass Kohler kurz nach der Regierungsbildung einem anderen Lobbyisten anvertraute, er habe schon daher nicht Staatssekretär werden können, „weil ich mich dann finanziell verschlechtert hätte“.

Die Dena soll sich zur Hälfte privat finanzieren

Die großzügige Vergütung steht Kohler allerdings nur dann zu, wenn die Dena mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes aus privaten Aufträgen bestreitet, was 2009 und 2010 nicht der Fall war. Der Bundesrechnungshof hat das mehrfach kritisiert und die Regierung aufgefordert, für den Fall einer Unterschreitung der 50-Prozent-Marke Geld zurückzuverlangen. Im Jahresbericht 2012 – der von 2013 soll nach Dena-Angaben Ende August veröffentlicht werden – heißt es gleich am Anfang, es sei „erfreulich“, dass die „Zuwendungsquote trotz der zu Lasten der Dena unterjährigen Veränderung der Zuordnung von EU-Mitteln unter 50 Prozent gehalten werden konnte“. Insider aus Regierungskreisen bezweifeln, dass das je funktioniert hat, „ohne das Ergebnis schönzurechnen“. Solche Vorwürfe weist Kohler souverän zurück. Zuletzt 2013, als er erklärte: „Die Darstellungen in dem Bericht des Bundesrechnungshofs kann die Dena nicht bestätigen und teilt auch die darin enthaltenen Wertungen nicht.“

Erfüllt die Dena ihre Aufgabe in Sachen Energieeffizienz?

Seit Jahren gibt es in der Energieszene Debatten, ob die Dena tatsächlich dazu beiträgt, „Energieeffizienzmärkte zu entwickeln“, wofür sie gegründet wurde. Lange wusste sie nicht einmal, welche Branchen und Gewerke einem solchen Effizienzmarkt überhaupt zuzuordnen sind. Seit zwei Jahren bemüht sich statt der Dena der noch junge Wirtschaftsverband Deneff, dies zu definieren. Nachdem Wirtschafts- und Naturschutzverbände mehrere Effizienzbündnisse gründeten, tat dies auch die Dena: die Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz. Wer mitmachen wolle, so kritisieren allerdings einige kleinere Wirtschaftsverbände, müsse „viel Geld mitbringen“.

Im vergangenen November hat das Wuppertal-Institut auf Initiative seines ehemaligen Leiters Peter Hennicke ein Konzept für eine Bundesagentur für Energieeffizienz und Energiesparfonds erarbeitet, das helfen könnte, die europäischen und deutschen Energiesparziele zu erreichen. Für die Dena ist in diesem Konzept kein Platz mehr.

Kohler belebt den Mythos vom Atomkraftwerk als Reserve wieder

Stephan Kohler ist unterdessen dabei, einen alten Mythos neu zu beleben. Bei einer Tagesspiegel- Diskussion Mitte Mai wetterte er, wegen der Energiewende müsse das alte unsichere Atomkraftwerk im elsässischen Fessenheim am Netz bleiben, um Baden-Württembergs Versorgung im Winter zu sichern. Die Bundesnetzagentur widerspricht: Atomkraftwerke seien keine Reservekraftwerke.

Gute Verbindungen in die SPD

Kohler schafft es dennoch, solche Aussagen zu platzieren. Er ist gut vernetzt. Mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) besitzen er und seine Frau Anke Brummer-Kohler ein Ferienhaus. Sie ist gerade zur Abteilungsleiterin im Umweltministerium befördert worden, nachdem sie bis 2009 das Büro des damaligen Umweltministers Sigmar Gabriel (SPD) geleitet hatte. Gabriel, jetzt Energieminister und Vizekanzler, hat die Agentur vor wenigen Tagen besucht, „um über Kooperationsmöglichkeiten zu sprechen“.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 1. Juli 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie jeweils bereits am Montagabend im E-Paper des Tagesspiegels lesen. Ein Abonnement des Tagesspiegels können Sie hier bestellen:

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