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Die Schieflage von Lehman Brothers - hier die Zentrale in New York - löste 2008 die Finanzkrise aus. Seither ist viel unternommen worden, um Bankenpleiten vorzubeugen.

© Peter Foley/dpa/EPA

Debatte über Trennbankengesetz: Nur Spareinlagen verwalten - oder auch zocken?

Wie kann das Investmentbanking vom Geschäft mit den Spareinlagen getrennt werden? Die EU-Finanzminister wollen am Freitag darüber reden. Die Gesetzespläne sind umstritten.

Das mahnende Beispiel sind die Lehman Brothers. Als die US-Finanzbehörden im September 2008 entschieden, die strauchelnde Investmentbank nicht aufzufangen, setzten sie eine verheerende Lawine in Gang. Die Erwartung, den Schaden begrenzen zu können, entpuppte sich als eine der dramatischsten Fehleinschätzungen der Geschichte. Zu riskant war Lehmans Geschäftsmodell, zu groß letztlich die Bank, als dass ihre Pleite folgenlos hätte bleiben können – die globale Finanzkrise nahm ihren Lauf. Da so etwas nicht noch einmal passieren sollte, konnten sich alle klammen Geldhäuser danach darauf verlassen, mit Steuerzahlergeld gerettet zu werden.

Viel ist seither unternommen worden, um einem marktwirtschaftlichen Grundprinzip wieder Geltung zu verschaffen: dass der das unternehmerische Risiko trägt, der in guten Zeiten auch die Gewinne einfährt. In der EU beschlossen die Finanzminister höhere Eigenkapitalquoten für Banken und eine Bankenabgabe, die im Pleitefall herangezogen werden sollen. So steht es in der neuen Abwicklungsrichtlinie, für die Euro-Zone gibt es obendrauf sogar eine gemeinsame Abwicklungsbehörde, die im Krisenfall den Stecker ziehen soll – bevor sich die Krise ausbreitet und nach zuvor festgelegten Regeln: Die Geldinstitute müssen in „Testamenten“ niederlegen, wie sie ohne Gefahr für die Allgemeinheit zu schließen sind.

Eine Frage aber bleibt ungeklärt: Was, wenn die schiere Größe einer Bank die Verantwortlichen, Lehman vor Augen, doch zögern lässt, die neuen Regeln anzuwenden? Die EU-Kommission hat daher Anfang 2014 als letzten Baustein einer neuen Finanzarchitektur eine Trennbanken-Verordnung vorgeschlagen. Neben einem Verbot für die 30 größten Banken Europas, aus eigenem Antrieb statt auf Kundenwunsch Spekulationsgeschäfte zu tätigen, sollte es auch die Möglichkeit der Zerschlagung geben. Die Aufsichtsbehörden würden befugt sein zu verlangen, dass das riskante Investmentbanking schon in guten Zeiten vom Geschäft mit den Spareinlagen abgetrennt wird – falls die Zockerei des betreffenden Geldhauses als gefährlich eingeschätzt werden sollte. „Die Vorschriften betreffen die wenigen Großbanken, für die immer noch ,too big to fail’ gelten könnte“, sagte der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier damals.

Weil das ein großer Eingriff ins Wirtschaftsleben wäre, wird seither intensiv verhandelt – und lobbyiert. Ziel sind die Europaabgeordneten und die EU-Finanzminister, die der neuen Verordnung am Ende beide gleichermaßen zustimmen müssen. In diesen Wochen sollte der Gesetzgebungsprozess auf die Zielgerade einbiegen. Die Minister wollen sich Diplomaten zufolge an diesem Freitag einig werden, um dann in die Schlussverhandlungen mit den Parlamentariern einzusteigen. Doch diese haben den avisierten Zeitplan erst mal über den Haufen geworfen. Vor gut zwei Wochen scheiterte das Votum über das Trennbankengesetz im zuständigen Ausschuss spektakulär – mit 29:30 Stimmen.

Für die linke Seite des Parlaments war das ein Grund zu feiern. Man habe „eine Feigenblatt-Gesetzgebung auf dem allerkleinsten gemeinsamen Nenner verhindert“, sagte der SPD-Abgeordnete Jakob von Weizsäcker. „Am Schluss fand der miese Deal glücklicherweise keine Mehrheit“, urteilte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold, der moniert, dass die konservativ-wirtschaftsliberale Ecke in ihren Vorschlägen „wieder einmal der Finanzlobby gefolgt“ sei. Tatsächlich lehnte der schwedische Konservative Gunnar Hökmark, Verhandlungsführer der Europäischen Volkspartei, jede Art von Trennungspflicht strikt ab. Stattdessen billigte er in seinem Entwurf der Bankenaufsicht, im Euro-Raum also der Europäischen Zentralbank (EZB), großen Ermessensspielraum in der Frage zu, ob ein Geldinstitut aufgespalten werden soll.

Warnungen vor Zerschlagung des Universalbankensystems

Argumentiert wurde vor allem damit, dass das in Kontinentaleuropa übliche Universalbankensystem nicht beschädigt werden dürfe und Finanzdienstleistungen aus einer Hand möglich bleiben müssten. „Die Wirtschaft fragt keineswegs nur klassische Bankprodukte wie Kredite, Einlagen und Zahlungsverkehr nach“, hieß es schon 2013 in einer Erklärung aller großen deutschen Banken- und Wirtschaftsverbände, „auch Absicherungs- und Finanzierungsinstrumente, die üblicherweise dem Investmentbanking zugeordnet werden, sind unverzichtbarer Bestandteil der Finanzierungsdienstleistungen für Unternehmen.“ Bankenzerschlagungen machten das System nicht stabiler, „beschränken aber die Funktionsfähigkeit der deutschen Kreditwirtschaft“.

Eine klare Ansage, die auch den FDP-Abgeordneten Michael Theurer beeindruckt haben muss: „Universalbanken und ihre bewährten Geschäftsmodelle jetzt zu zerschlagen, wäre der größte Fehler“, sagt der baden- württembergische Liberale vor allem mit Blick auf die für den Mittelstand wichtigen Sparkassen und Genossenschaftsbanken: „Leidtragende wären Sparer und Realwirtschaft.“

SPD und Grüne für Beweislastumkehr

Das rot-grüne Duo Weizsäcker-Giegold hält das für vorgeschoben. Schließlich beträfe die neue Gesetzgebung nur die 30 bis 35 größten europäischen Privatbanken. Aus Deutschland zählen dazu nur die Deutsche Bank, die Commerzbank sowie die zum Sparkassenverbund gehörende Landesbank Baden-Württemberg und die DZ Bank als Zentralbank der Volks- und Raiffeisenbanken. Und: „Ziel ist ja nicht, all diese großen Universalbanken zu zerschlagen“, sagt Weizsäcker, „sie sollen aber automatisch einer Beweislastumkehr ausgesetzt werden“. So müsste nicht mehr die Bankenaufsicht die Schädlichkeit eines Geschäftsmodells belegen, sondern das Institut hätte nachzuweisen, dass es keine Gefahr darstellt. Wenn es nicht gelänge, die Kontrolleure zu überzeugen, hätten die Banken zwei Möglichkeiten – die haftungsrechtliche Trennung durchzuführen oder sich mit mehr Eigenkapital für Krisen zu wappnen.

Ob Grüne und Sozialdemokraten mit dieser Forderung in den erneuten Ausschussberatungen durchkommen, gilt als unsicher. Spätestens auf Widerstand treffen werden sie jedoch bei den EU-Finanzministern, die sich am Freitag im Prinzip auf die Hökmark-Linie verständigen wollen – „eben ohne einen Automatismus, sondern mit einem erheblichen Ermessensspielraum für die EZB, ob sie eine Trennung oder andere Maßnahmen anordnet“, wie ein EU-Diplomat sagt. Auch die Bundesregierung unterstützt demnach diese eher weiche Linie. Das deutsche Trennbankengesetz, 2013 beschlossen, müsste dann wohl kaum geändert werden.

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