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Die Diskussionsteilnehmer: Karl-Rudolf Korte, Edda Müller, Thomas Krüger und Holger Lösch.

© Mike Wolff

Arbeit von NGOs: Nur bedingt transparent

Welche Interessen verfolgen NGOs – und wie werden sie kontrolliert? Im Tagesspiegel-Verlag wurden diese Fragen kontrovers diskutiert.

Sie helfen Kindern, wollen Hunger und Armut aus der Welt schaffen. Sie kämpfen gegen Tierversuche, fahren Kampagnen gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Sie sehen sich als Anwälte von Themen, die ohne ihr Engagement kein Gehör finden würden. Und sie verschaffen sich mit spektakulären Aktionen Aufmerksamkeit für ihr Anliegen. Ihr Adressat ist die breite Öffentlichkeit, ihr Ruf ist oft tadellos, sie gelten als uneigennützig und moralisch integer. Doch wie Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs, ihren Einsatz finanzieren, was beispielsweise Campact, Greenpeace oder Attac mit Spenden genau machen, welche Interessen sie verfolgen: Das wird kaum diskutiert. Obwohl NGOs immer einflussreicher werden.

Eine kontroverse Diskussion

Wie transparent sind NGOs? Diese Frage stand im Zentrum einer Veranstaltung des Tagesspiegel-Verlags Ende der vergangenen Woche. Diskutiert haben Edda Müller, die Vorsitzende von Transparency International, Holger Lösch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, und Karl-Rudolf Korte, Direktor der NRW School of Governance. Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff moderierte. Die Debatte lief, um es vorweg zu nehmen, kontrovers.

Es war an Edda Müller, die Grundlage der Debatte zu liefern. Ihr Urteil: In Sachen Transparenz haben etliche Organisationen Nachholbedarf. Denn: In Deutschland gibt es keine einheitlichen Veröffentlichungspflichten für Vereine, also für eine Organisationsform, die die NGOs mehrheitlich für sich gewählt haben. Sie sind demnach nach dem geltenden Vereinsrecht nicht verpflichtet, nach außen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel zu informieren. Rechenschaft sind sie nur ihren Mitgliedern schuldig.

Eine Reform des Vereinsrechts

Kontrolle findet bislang nur durch das Finanzamt statt, das die Gemeinnützigkeit prüft. Außerdem vergibt das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DIZ), ein staatlicher geförderter Zusammenschluss von gemeinnützigen Organisationen, auf Antrag ein Spenden-Siegel. Müller fand das schon 2010 nicht ausreichend und gründete die Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Mit dem Ziel, dass sich möglichst viele NGOs auf feste Parameter für mehr Transparenz einigen. Bislang haben sich 671 Unterzeichner dazu verpflichtet, im Internet offenzulegen, welche Ziele ihre Organisation genau verfolgt, woher ihre Gelder stammen, wie sie verwendet werden und wer darüber entscheidet. Der BUND ist dabei und Campact. Greenpeace und Amnesty International nicht.

Obendrein solle der Gesetzgeber aktiv werden und das Vereinsrecht reformieren, sagte Müller. „Im Vereinsrecht muss das Prinzip der Transparenz verankert werden.“ Ähnlich wie beim Parteiengesetz. Und auch bei der Vergabe von öffentlichen Fördergeldern will Müller Änderungen sehen. Wer Geld vom Staat erhält, solle sich an transparente Parameter halten und das auch öffentlich dokumentieren.

Kritik an Kampagnen von NGOs

Transparenz, auch das wurde in der Debatte klar, ist allein deshalb ein Gebot, weil der Einfluss der NGOs wächst. „Es sind wahnsinnig viel mehr geworden mit den Jahren“, sagte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), in der Tagesspiegel-Diskussion. Rund 8000 gebe es weltweit. Und sie spielten in der modernen Demokratie eine wichtige Rolle. „NGOs sind zwingend notwendig für die partizipative Demokratie“, sagte Krüger. Weil sie Interessen in den Fokus rückten, die sonst vergessen werden würden. Und weil Menschen dadurch sähen, dass auch ihre Belange einen Wert hätten. „Eine lebendige Demokratie sollte sich das leisten.“

So positiv wie Krüger beurteilten nicht alle die demokratische Legitimation der NGOs – und schon gar nicht die Wahl ihrer Mittel. Nüchtern urteilte Karl-Rudolf Korte, Direktor der NRW School of Governance. Für ihn tragen die NGOs zur Meinungsbildung bei, nehmen Interessen wahr und halten Wissen bereit. Um Aufmerksamkeit zu erlangen und damit Einfluss auf politische Prozesse ausüben zu können, müssten sie allerdings emotionaler, alarmistischer auftreten als herkömmliche Verbände. Für Korte ist das kein grundsätzliches Problem. Laut sei nicht zwingend das Gegenteil von seriös. Allerdings könne ein „Scheinbild von öffentlicher Besorgnis“ entstehen, wenn über die Kanäle von Social Media der Eindruck erweckt werde, dass ein Problem von breiteren Schichten als solches wahrgenommen werde.

Beurteilung mit zweierlei Maß

Holger Lösch vom Bundesverband der Industrie (BDI) meldete an dieser Stelle Widerspruch an. „Wenn ich glaube, dass mein Interesse nicht ausreichend wahrgenommen wird, kann ich dann auch mal aggressiv sein?“, fragte er mit Blick auf NGO-Kampagnen. „Das finde ich schon schwierig.“ Grundsätzlich kritisierte Lösch, NGOs und Wirtschaftsverbände würden in der Öffentlichkeit mit zweierlei Maß gemessen – obwohl alle Interessen vertreten. „Wenn Sie für ökologische und soziale Interessen eintreten, sind Sie eine NGO. Wenn Sie ökonomische Interessen vertreten, sind Sie ein Lobbyist.

In diesem Spannungsfeld sah Thomas Krüger von der bpb eine Chance. Die repräsentative Demokratie befinde sich gerade in einer Krise: Komplexere politische Entscheidungen, geringere Wahlbeteiligung, weniger Vertrauen in Politik. In dieser Situation seien Interessenorganisationen eine sinnvolle Ergänzung zu den etablierten Parteien. Sich zwischen den Wahltagen einbringen, sich einmischen sei wichtig. Zu den gegenseitigen Vorwürfen von NGOs und Verbänden, der jeweils andere habe nur sein Thema im Blick, meinte er trocken: „Mein Sohn würde sagen: Heul doch!“

Wie transparent NGOs arbeiten: Für Karl-Rudolf Korte liegt darin ein Forschungsprojekt. Die Diskussion an diesem Tag ist vorbei, die Debatte über das Thema hat erst begonnen. Die Veranstaltung wurde getragen vom Tagesspiegel, der NRW School of Governance und von der Bundeszentrale für politische Bildung.

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