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Politik: A Hund is er scho!

Hubert Aiwanger ist Chef der Freien Wähler und auf Werbetour in der Hauptstadt. Sein Ziel: Aufmerksamkeit – um jeden Preis.

Den Trachtenjanker lässt Hubert Aiwanger im Schrank, wenn er zweimal im Monat nach Berlin fliegt. Für die Bundeshauptstadt muss es schon ein Anzug sein, dunkel, Nadelstreifen, edle Krawatte. Der Bundesvorsitzende der Freien Wähler will nicht unangenehm auffallen in Berlin – zumindest nicht äußerlich. Geht es um die politische Sache, sieht das anders aus. Hubert Aiwanger ist auf Krawall gebürstet.

Seiner Meinung nach haben es sich Angela Merkel und ihre Regierung, überhaupt die meisten Konservativen, etwas zu bequem in ihren Sesseln gemacht. Deshalb hat der Freie-Wähler-Chef nun beschlossen, sich in Berlin verstärkt „bemerkbar zu machen“. Mission: Unruhe stiften. Aufmerksamkeit erregen.

Und womit ließe sich das besser arrangieren als mit einem Thema, das die Deutschen ohnehin spaltet? Aiwanger hat die Autobahnmaut für sich entdeckt, ein Thema „wider den gesunden Menschenverstand“, dem er sich eigenen Aussagen zufolge höchstpersönlich verschrieben hat.

Am Dienstag, 13. Mai, spricht er dazu auf dem Alexanderplatz. Dass der Alex vor allem ein riesiger Durchlauferhitzer ist, über den täglich tausende Menschen in Primark & Co. hasten – und nicht zwingend interessiert vor einer Kundgebung stehen bleiben – stört ihn nicht. „Es ist mir auch egal, ob mir da Bayern oder Berliner zuhören. Egal, woher sie aus Deutschland sind: Wenn ich so jemanden erreiche, ist das doch gut.“

Einen zusätzlichen Bremseffekt erhofft sich Aiwanger von einem breiten Bauzaunbanner, das er extra für diesen Termin hat entwerfen lassen: Walter Ulbricht ist darauf zu sehen, darunter: Angela Merkel. Im direkten Vergleich. „Ulbricht hat damals gesagt, niemand habe die Absicht eine Mauer zu errichten. Angela Merkel hat gesagt, mit ihr werde es keine Maut geben.“ Zwei faustdicke Lügen, findet Aiwanger, die einen Vergleich der beiden Politiker locker rechtfertigen. „Sicher ist das zugespitzt“, sagt er. Aber: Kann man machen.

Mauer und Maut, fängt beides mit einem großen M an – und auf die Titelseite der „Bild“ hat es Aiwanger mit dem Ulbricht-Merkel-Vergleich neulich auch schon geschafft. Als Verlierer der Woche. Ist ihm egal. Millionen Menschen haben Aiwanger an diesem Tag auf der Seite eins gesehen. Partei-PR fast ohne Aufwand: „Das war schon in Ordnung.“ Seine Haltung ist relativ schmerzbefreit und zeigt: Aiwanger hat keine Angst vor Negative Campaigning.

Ein dialektgefärbter Niederbayer in Berlin. Auf dem Alex. Wollen die Berliner das sehen? Aiwanger weiß es auch nicht so recht. Aber versuchen will er es. Bisher endeten die Ambitionen der Freien Wähler nämlich regelmäßig am Weißwurstäquator, 2013 holten sie bei der Bundestagswahl nur magere ein Prozent der Stimmen. Aiwanger rechnet zwar positiv: „Die Erde hat gut 40 000 Kilometer Umfang. Wir hatten zuletzt im Bund über 400 000 Wähler. Das heißt, würden wir mit unseren Wählern zur Bundestagswahl eine Menschenkette einmal um den Erdball bilden, würde alle 100 Meter ein Freier Wähler stehen.“

In Berlin hat seine Partei allerdings nur zwanzig bis dreißig Mitglieder, ganz genau weiß der Freie-Wähler-Chef es gar nicht. Auf jeden Fall lächerlich wenig in einer Metropolregion mit mehr als sechs Millionen Einwohnern. Zu wenig. Geht es nach Aiwanger, dürften es gerne mehr sein.

Das ist der springende Punkt seiner neuen Aggressivitäts-Kampagne. Oft wurden Aiwanger sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene autoritäre Züge angekreidet, ein Landwirt, der sich in seiner Partei wie ein kleiner König gebärdet. Denkt man an die Freien Wähler, denkt man an Aiwanger. Andere Namen sind rar. In Bayern ist das zwar oft positiv konnotiert, doch Rest-Deutschland fallen bei seinem Namen vor allem zwei Dinge ein: die Spötteleien über seinen Dialekt und die Panne, bei der über seinen Twitter-Account seltsame Blondinen-Witze verbreitet wurden. War er übrigens nicht selbst, sagt er. Ein Mitarbeiter habe heimlich seinen Account missbraucht. Twitter hat Hubert Aiwanger seitdem nicht mehr.

Nicht jeder kann sich mit einem Niederbayern im Lodenjanker identifizieren. Aiwanger ist schlau genug, das genau zu wissen. Deshalb macht er in Berlin auch nicht Rabatz, um sich – einmal mehr – in die erste Reihe zu drängeln. Sicher, wenn durch die Rede auf dem Alexanderplatz ein paar Wähler auf seine Partei aufmerksam werden, ist das gut.

Lieber wäre es ihm aber, in der Bundeshauptstadt einen potenziellen Spitzenkandidaten zu finden. Aiwanger ist sozusagen auf Casting-Tour, denn unter den wenigen Freien Wählern in Berlin hat er augenscheinlich noch keinen potenziellen Hoffnungsträger entdeckt, der bundesweit tragen würde. „Ich will jemanden finden, den man mit gutem Gewissen vorne hinstellen kann. Der Berliner muss sich nicht mit mir identifizieren, aber vielleicht mit einem anderen Kandidaten.“

Auf der Suche nach Berliner und Brandenburger Lokalkolorit, das die Freien Wähler auch abseits von Bayern sattel- und wahlfest machen soll, schließt Aiwanger auch nicht aus, bereits etablierte Politiker von anderen Klein- und Kleinstparteien abzuwerben. Aber den richtigen Hintergrund, den hätte Aiwanger schon gerne. Nicht nur politisch – mit Anhängern der Piraten kann er eher weniger anfangen –, sondern auch monetär.

Sprich: Es wäre nicht schlecht, wenn der strahlende Hoffnungsträger in spe auch die ein oder andere Plakatkampagne selbst finanzieren könnte. Und sich ordentlich anziehen kann. Lodenjanker ist kein Problem, aber schmuddelige, zerrissene Jeans möchte der Freie-Wähler- Chef nicht unbedingt an seinen Parteigenossen sehen.

Hoffnungsträger bei den Freien Wählern – war da nicht was? Stimmt, es gab ja mal Hans-Olaf Henkel. Der setzte allerdings wegen mauer Umfragewerte auf ein populistischeres Pferd und lief zu Bernd Luckes Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland (AfD) über. Henkels Karriere dort ist seit Kurzem ebenfalls Geschichte. Aiwanger bedauert das nicht wirklich, sagt aber: „Da hat er auch nicht hingepasst.“ Bei den Freien Wählern war Henkel allerdings auch nicht ganz richtig, „mit unserer lokalen, regionalen Verwurzelung konnte er nie etwas anfangen. Er war immer für die große Politik, wir dachten auch, das würde ganz gut passen“. Hat es dann doch nicht. Ob man Henkel nach seinem Aus bei der AfD wieder bei den Freien Wählern brauchen könnte? An diesem Punkt weicht Aiwanger aus. Henkel, na ja, aber jemand von Henkels Format: Da würde er sicher nicht nein sagen.

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