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Sturm aufs Stadthaus. Die Sprengung der Stadtverordnetensitzung am 6.9. 1948 durch hinbefohlene „Werktätige“ war einer der Auslöser für die Gründung des West-Berliner Presseverbandes.

© AP

70 Jahre DJV: Eine Geburt mit Hindernissen

Der Deutsche Journalistenverband feiert seinen 70. Geburtstag. Gegründet wurde er mitten im Kalten Krieg, am 10. Dezember 1949, in Berlin. Ein Rückblick.

Zusammenkünfte von Journalisten haben gemeinhin nichts Infernalisches an sich. Das Gründungstreffen des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) am 10. Dezember 1949 in Berlin aber schon – zumindest soweit es das festliche Begleitprogramm betraf. In München hatte es einen handfesten Theaterskandal um Werner Egks Ballett „Abraxas“ gegeben. Der bunte Reigen hatte das Publikum in der Bayerischen Staatsoper begeistert, kirchliche und politische Kreise aber schockiert. Und CSU-Kultusminister Alois Hundhammer untersagte kurzerhand die Wiederaufnahme, besonders entrüstet über eine getanzte „Schwarze Messe“.

In der Städtischen Oper Berlin hingegen, damals zu Hause im Theater des Westens, lief das Skandalstück in der Saison 1949 ohne jede öffentliche Erregung. Am Abend des DJV-Gründungstreffens erlebten dessen Teilnehmer als Gäste des Magistrats dort ausgerechnet eine „Abraxas“-Festgala. Werner Egk dirigierte, und gerade bei der orgiastischen „Schwarzen Messe“ registrierte der Tagesspiegel demonstrativen Beifall.

Auf die Gründung eines Dachverbandes hatten sich die bereits bestehenden Journalistenverbände Westdeutschlands und West-Berlins erst wenige Monate zuvor geeinigt und dabei Berlin als Gründungsort festgelegt. Angesichts der überstandenen Blockade ein politisches Signal, wie ohnehin der Zusammenschluss vor dem Hintergrund des immer eisigeren Kalten Krieges zu sehen ist.

Vorbild war der bereits föderal aufgebaute, in der NS-Zeit gleichgeschaltete und 1945 aufgelöste Reichsverband der Deutschen Presse, an dessen Weimarer Traditionen man anknüpfen wollte. Das war mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Abgesehen von den anfangs desolaten Arbeitsbedingungen für Journalisten hatten die vier Siegermächte sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Wiederaufbau des Pressewesens. Das beeinflusste besonders in Berlin die Anfänge der Verbandsarbeit massiv, die zum Spiegelbild des Ost-West-Konflikts wurden.

Erster Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes wurde Erich Klabunde (l.), hier mit Stellvertreter Helmut Cron.
Erster Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes wurde Erich Klabunde (l.), hier mit Stellvertreter Helmut Cron.

© picture-alliance / dpa

Im August 1945 fand im Rathaus Schöneberg eine vorbereitende Versammlung zur Gründung des Verbandes der Deutschen Presse statt, der im Oktober vom Alliierten Kontrollrat genehmigt wurde. Entsprechende Verbände in den Westzonen folgten erst Monate später. Allerdings stand die Berliner Gründung, aus der später der Verband der Journalisten der DDR wurde, klar unter sowjetischer Kontrolle: Der Verband, dem anfangs auch West-Berliner Journalisten sogar im Vorstand angehörten, war der Gewerkschaft „Kunst und Schrifttum“, die wiederum dem KPD-kontrollierten Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) zugeordnet worden. Das konnte nicht lange gut gehen, waren doch die Vorstellungen von Pressefreiheit in Ost und West diametral entgegengesetzt. Bemühungen „um eine politisch neutrale Führung des Verbandes und um seine Entscheidungsfreiheit“ seien vergeblich gewesen, bilanzierte später das ehemalige Vorstandsmitglied Hans Dawill. Auch sei „von allen Funktionären eine Loyalitätserklärung verlangt worden, sich vorbehaltslos der Politik der kommunistischen Führung zu unterwerfen“, hieß es in einem Bericht einer Gruppe von West-Mitgliedern, die sich der Unabhängigen Gewerkschaftsopposition (UGO) angeschlossen hatte. Die UGO hatte sich Ende Mai 1948 vom FDGB abgespalten, wurde der Dachverband der West-Berliner Gewerkschaften.

Der Gipfel der Brutalität, mit der die Ost-Berliner Führung und die sowjetische Besatzungsmacht ihre Vorstellung von Pressefreiheit durchzusetzen suchten, war mit der Verschleppung unliebsamer Journalisten erreicht. Auch der Tagesspiegel war betroffen: Am 6. September 1948 ließ die SED die Sitzung der noch Gesamtberliner Stadtverordneten im Neuen Stadthaus in Mitte sprengen. Die Partei wollte geplante Neuwahlen verhindern und schickte Kolonnen demonstrierender „Werktätiger“. Danach durchsuchten Volkspolizisten und Sowjetsoldaten das Gebäude in der Parochialstraße und verschleppten Dutzende Menschen, darunter den 20-jährigen Tagesspiegel-Reporter Wolfgang Hanßke. Unter fadenscheiniger Anklage wurde er zur Haft in Sibirien verurteilt – wohl als Vergeltung für die kritische Berichterstattung der Zeitung. Erst 1955 kehrte er zurück.

Wenige Wochen nach dem Sturm aufs Stadthaus konstituierte sich im Westteil der Stadt der Presseverband Berlin, aus dem 1965 der Journalisten-Verband Berlin, noch später der DJV Berlin wurde, der sich derzeit im Fusionierungsprozess mit dem Journalisten-Verband Berlin-Brandenburg befindet. Als rechtsgerichtetes Überbleibsel einer Spaltung gibt es noch den DJV Berlin-Brandenburg – ein stetes Ärgernis für Bundes- wie Landesverband.

Zurück zu den West-Berliner Anfängen: Als Vorsitzenden wählte man Paul Löbe, zu Kaisers Zeiten wiederholt wegen Majestätsbeleidigung verurteilt, nun einer der Lizenzträger des West-Berliner „Telegrafen“. Nach dem langjährigen SPD-Abgeordneten und ehemaligen Reichstagspräsidenten ist das Bundestagsgebäude gegenüber dem Kanzleramt benannt.

Die Arbeit des West-Berliner Verbandes zielte anfangs auf existenzielle Probleme, die aus heutiger Perspektive banal erscheinen mögen. Man bot Mitgliedern etwa eine „Mangelwarenkarte“ an, damit sie die nötigsten Arbeitsmaterialien wie Farbbänder, Schreib- und Kohlepapier erwerben konnten. Selbstverständlich wurde ebenso pflichtschuldigst wie vergeblich gegen die Verschleppung von Kollegen wie Hanßke protestiert. Und man bemühte sich um die Gründung eines Dachverbandes, dabei vor allem unterstützt von der Berufsvereinigung Hamburger Journalisten und ihrem Vorsitzenden Erich Klabunde. Am 10. Dezember 1949 hatten diese Bemühungen Erfolg.

Die Wahl fand im früheren Verlagsgebäude des „Telegrafen“ am Bismarckplatz statt.
Die Wahl fand im früheren Verlagsgebäude des „Telegrafen“ am Bismarckplatz statt.

© Mike Wolff

Zwölf Landesverbände hatten Vertreter nach Berlin entsandt, 110 Delegierte für insgesamt 4852 westdeutsche und West-Berliner Journalisten. Die Landesvorstände trafen sich vormittags im Presseheim in der Lynarstraße 21 in Grunewald für den juristischen Gründungsakt. Später wurde dies im Rahmen der Delegiertenversammlung im Kinosaal des „Telegrafen“ bejubelt und der Vorstand gewählt. Den Vorsitz übernahm Erich Klabunde. Die Zeitung war 1947 ins Gebäude des ehemaligen Reichsarbeitsdienstes am Grunewalder Bismarckplatz gezogen, heute genutzt als Nebensitz des Umweltbundesamtes.

Abends ging es zu „Abraxas“, tags darauf folgte ein Festakt im Studentenhaus am Charlottenburger Steinplatz. Bürgermeisterin Louise Schroeder übermittelte Glückwünsche des West-Magistrats, Vizebundeskanzler Franz Blücher die der Bundesregierung. Auch ein Gruß von Theodor Heuss wurde verlesen, Adenauer hatte schon vorher telegrafiert. Anschließend skizzierte Klabunde die wichtigsten Aufgaben des Verbandes, die er in der Schaffung einer Pressegesetzgebung, der Förderung des Nachwuchses und der Sicherung der Altersversorgung sah.

War also der Verband aus der Situation des Kalten Krieges geboren, so wirkte dieser auch danach in die Arbeit hinein. Im September 1950 beschloss der Bundesvorstand, die Landesverbände mögen ihre kommunistischen Mitglieder ausschließen. Die kompromisslose Haltung richtete sich auch gegen den Tagesspiegel: Der Vorstand des Landesverbandes monierte 1951 gegenüber Chefredakteur Erik Reger, dass einer Journalistin „die Spalten des ,Tagesspiegels‘ geöffnet wurden“, die „bis in die jüngste Zeit die demokratischen Einrichtungen der westlichen Welt in der kommunistischen Presse in äußerst scharfer Form angegriffen“ habe. „Im Freiheitskampf Berlins“ sei das nicht tragbar.

Regers Antwort fiel knapp aus: Er habe vom Brief Kenntnis genommen und sei „überzeugt, dass der Presseverband damit nicht beabsichtigt, sich in die Führung einer Zeitung einzumischen, die für ihre Politik Gründe und Überlegungen hat, die, obwohl kritisiert, doch respektiert werden müssen. Mit vorzüglicher Hochachtung“.

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