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Im "sloopy" traten jede Menge bekannter Namen auf, unter anderem der amerikanische Musiker James Brown.

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1968 im Tagesspiegel: Twist nur noch aus purem Jux

Vor 50 Jahren feierte die Einrichtung des Berliner Jugendclubs "sloopy" einjährigen Geburtstag

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 10. März 1968 wurde über das einjährige Bestehen des Jugendtanzcafes "sloopy" berichtet.

"Wenn de Schütte jekriegt hast, könn' wa uns doch mal ne Pulle Sekt genehmigen." Möchtegern-Bonnie, kariert behost, sonst rundherum mädchenhaft, sagt's und zupft an ihren schwarzen Puppenlocken. "Clyde" hört's, allein ihm fehlt die perlende Laune, "mir is aber nach Bier". Nach einem zügigen Schluck schiebt er seine "Braut" zum diffus beleuchteten Parkett. "Soul"-Idol James Brown läßt Wände und Nerven vibrieren. Der "sound" lockert ungemein Arme und Beine. Wedeln, ein Knicks, ein Hopser und Schütteln. "Soul", Hit der Saison, beatet Rhythmus bis zur Ekstase. Bonnie hat ihren Sekt vergessen.

Soul tanzt man solo. So fällt es nicht gleich auf, daß auch ein paar Jungen miteinander, besser gegeneinander, tanzen. Das Jugendtanzcafe "sloopy" am Kurt-Schumacher-Platz gibt sich nur im Namen altenglisch, deutsch hieße es kleine Schaluppe. Der Käpt'n, Jugendpfleger Peter Mathow , sagt mit leichtem Zweifel, "mal sehen, die Diskussion meiner Mitarbeiter über die Tanzerei zwischen Jungen oder Mädchen ist noch nicht beendet. Vorläufig beobachten wir s". Der Anblick ist ungewöhnlich, aber nicht beunruhigend.

140 000 Besucher im letzten Jahr

Die Segel für das zweite Jahr sind gesetzt: Morgen feiert Sloopy, größte und jüngste von vier Einrichtungen des Berliner Jugendclubs e. V., Einjähriges mit Balla-Balla, Go-Go-Girls und einer Non-Stop-Beat- und Soul-Show. Eintritt unbezahlbar, nämlich unentgeltlich. 140 000 Besucher brachten im letzten Jahr die Schaluppe in volle Fahrt. Das normale Pensum pro Abend sind bis 550. Als es einmal "an einem ganz normalen Tag" 650 waren, ging die zwei Zentimeter dicke Scheibe der Eingangstür in Brüche und ein Besucher schlankweg durch den splitternden Rahmen.

Man pflegt hier den neuzeitlichen Jugend-Stil mit Pfiff und paßt sich dem allgemein an. Mädchen kommen gern in Mini oder Maxi. In der Garderobe hing - einsame Klasse - ein knöchellanger Schiwago-Mantel mit Pelz. "Find'sten den? Wie auf der Flucht, wa?" - so eine in Mini. Sonst ist es fast ein bißchen bürgerlich. Bärte und Beatles muß man schon suchen.

"Nur beim Soul wird's ernst"

Ein frisch polierter Glatzkopf lehnt mit Freunden an der Bar. Er läßt sich leicht gequält bewundern, streicht dann lässig 150 Mark ein; die waren ihm das Opfer seiner gezüchteten schwarzen Mähne wert. Der permanente "Barhocker" neben ihm - an die 23 und damit einer der alteren Herren - lacht sich einen: "Rock n Roll, Twist, Slop? Nee, nee, so antik geben wir uns nur noch aus purem Jux. Nur beim Soul wird´s ernst".

Für den sorgen die Disc-Jockeys Nero, Holly und Peter. Der Plattenschrank wird regelmäßig mit den neuesten Hits der Woche aufgemöbelt, 600 Stück haben sie schon. Es gibt nicht nur Musik aus der Konserve, auch viele Amateur-Bands bekommen hier eine Chance. Anschaffungen werden aus den Einnahmen bezahlt, ohne jede Unterstützung, denn alle Club-Einrichtungen finanzieren sich selbst. Dabei ist das Vergnügen jugendlichen Portemonnaies angepaßt. Je nach Programm und Wochentag kostet der Eintritt 50 Pfennig bis 2 Mark, Saft 50 Pfennig, Bier 90, ein Martini 1,30. Wein und Sekt werden hier meist warm. Der Jugendschutz wird ernst genommen.

Durchschnittsalter liegt bei 18 Jahren

Denn der Berliner Jugendclub, vor acht Jahren gegründet, wird von Jugendpflegern geleitet, seinem Vorstand gehören auch Vertreter der Jugendbehörde an. Die Ausweise müssen von den Besuchern vorgezeigt werden und das heißt: nicht unter 16 und nicht über 25 (Durchschnittsalter ist 18): Nach 22 Uhr ist nur noch tanz für die über 18; und zwischen 23 und 24 Uhr ist auch für sie Schluß. Gerade weil pädagogisch, aber attraktiv geleitet, hat sloopy wie die zur Familie des Jugendclubs gehörende Dachluke in Kreuzberg, Popp Inn in Steglitz und Swing Point in Spandau bereits internationales Interesse erweckt: brasilianische Lehrer und Sozialpädagogen holten sich in der Scharnweberstraße 17-20 Tips, und auch das südafrikanische und das kanadische Fernsehen gaben sich die Ehre.

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