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In der Bonner Innenstadt demonstrierten mehrere hundert Studenten und Jugendliche gegen das Attentat auf Rudi Dutschke und den Polizeieinsatz gegen Demonstranten.

© Peter Popp/dpa

1968 im Tagesspiegel: Hunderte von Festnahmen bei den Aktionen gegen Springer-Zeitungen in zahlreichen Städten

Vor 50 Jahren wurde nicht nur in Berlin gegen den Springer-Konzern demonstriert

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 17. April 1968 ging es um bundesweite Unruhen nach dem Attentat auf Rudi Dutschke.


Hunderte von meist jugendlichen Demonstranten sind während der Osterfeiertage bei den Unruhen in zahlreichen deutschen Großstädten festgenommen worden. Ein kleiner Teil von ihnen wurde wegen Landfriedensbruchs und anderer Delikte in Haft behalten, über die Zahl der verletzten Demonstranten und Passanten besteht noch keine völlige Klarheit. Nach offiziellen Angaben wurden allein in Hamburg 46 Polizeibeamte beim Einsatz gegen Demonstranten verletzt. In Hamburg war ein Student schwer verletzt worden, als er von einem Zeitungswagen des Springer-Verlages angefahren wurde. Ein Student erlitt in Esslingen schwere Bißwunden, als ein Mann einen Schäferhund auf ihn hetzte. In München wurde ein Pressephotograph durch einen Steinwurf verletzt.

Die Bundesanwaltschaft stellte am Dienstag fest, daß sie in Zusammenhang mit den Studentenunruhen bisher kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet habe. Es werde jedoch sorgfältig geprüft, ob Anlaß zu Strafverfolgungsmaßnahmen im Rahmen der Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft bestehe.

Die Beurteilung des Verhaltens der Polizei und der Demonstranten ging am Dienstag weit auseinander. Während der SDS dem Essener Polizeipräsidenten in einem offenen Brief "für die faire Haltung der Polizei gegenüber den Demonstranten" dankte, übten die Studenten in Hamburg schärfste Kritik am Einsatz der Polizei. Entgegen ihrem Versprechen seien die Polizeibeamten auch gegen die Demonstranten, die sich friedlich verhalten hätten, mit Wasserwerfern und Gummiknüppeln vorgegangen. Der Hamburger Senat hat gestern abend dem für den Polizeieinsatz verantwortlichen Innensenator Ruhnau das Vertrauen ausgesprochen

Die Demonstrationen in der Nacht zum Dienstag hatten in den meisten Städten nicht mehr den gleichen Umfang wie in den vorangegangenen Nächten. Die Polizei stellte in allen Städten sicher, daß die Zeitungen des Springer-Konzerns ausgeliefert werden konnten. Gestern nachmittag beteiligten sich mehr als 500 Studenten an einem Demonstrationszug durch die Bonner Innenstadt. Der Verkehr war teilweise erheblich behindert; die Bevölkerung nahm von der Demonstration nur wenig Notiz.

In Hamburg hatte die Polizei am Montagnachmittag das Büro des SDS besetzt und mehrere SDS-Mitglieder festgenommen, denen vorgeworfen wurde, Material von einer Baustelle gestohlen zu haben. Später kam es zu einer Demonstration vor dem Springer-Hochhaus. Weitere Zusammenstöße gab es vor dem Polizeipräsidium und am Hauptbahnhof.

Bei Zusammenstößen von Demonstranten und Polizei in München sind in der Nacht zum Dienstag 120 Personen festgenommen worden. In Hannover nahm die Polizei im Verlauf der Demonstrationen an den Ostertagen 48 Personen fest. Alle bis auf einen wurden wieder freigelassen. In Esslingen wurden über Ostern 20 Personen bei Demonstrationen verletzt, darunter zwei Polizeibeamte und drei Zuschauer.

In Frankfurt nahm die Polizei bei schweren Zusammenstößen in der Nacht zum Dienstag zehn Demonstranten fest. Das Polizeipräsidium meldete sieben verletzte Polizeibeamte und drei verletzte Passanten. Unter dem Schutz von Wasserwerfern der Polizei und berittenen Einheiten gelang es Fahrzeugen des Springer-Verlages, den dichten Ring der Belagerer zu sprengen. Häufig blieben sie jedoch liegen. Mehrere Fahrer wurden aus den Wagen gezerrt und die Reifen zerstochen. Teilweise wurden die Wagen umgestürzt. Als die Polizisten mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgingen, flogen Pflastersteine. Eine Gruppe von Demonstranten kletterte auf die Eisenbahngleise.

Die Polizei in Essen gab bekannt, dort seien am Montagabend 19 junge Leute festgenommen worden, gegen die Anzeige wegen Verdachts des Landfriedensbruchs und des Widerstands gegen die Staatsgewalt erstattet werden soll.

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