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Romy Schneider und James Mason tanzen auf dem Filmball der Berliner Filmfestspiele.

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1968 im Tagesspiegel: Der Filmball und das Modebewußtsein: Durchsichtige Damen und Herren im Rollkragen

Vor gut 50 Jahren fand die Berlinale im Sommer statt und der Rollkragen war Mode auf dem Filmball

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 2. Juli berichtete der Tagesspiegel über den Filmball zur Berlinale, die damals noch im Sommer stattfand.

Lang, lang ist s her, daß der Filmball noch Anziehungskraft für ganze Scharen von Autogrammjägern hatte. Zur diesjährigen Festivität zwischen Sonnabend und Sonntag kamen nur verschwindend wenige Star-Verehrer zum Palais am Funkturm, aber selbst sie wurden einigermaßen enttäuscht, denn nur selten entstiegen den Limousinen und Taxis Prominente. Selbst Jeanne Moreau fehlte, und um sie hatte sich die Festspielleitung wirklich bemüht. Wen wundert's also, daß auch im Ballsaal Platz blieb. Auch das war bezeichnend: Für den Höhepunkt der Nacht sorgte Pierre Cardin mit einer munteren Modenschau zu Schallplattenmusik. Cardin selbst trug, wie zahlreiche Gäste, einen Rollkragen zu seinem Smoking und sah der Show der zwölf Mannequins und Dressmen gelassen zu, die ungezwungen und verspielt Astronauten-Look in Leder, russische Varianten mit Schäferhüten, tragbare Tages- und aufsehenerregende Abendkleider zum Teil mit Metallbeschlägen zeigten. Braut samt Bräutigam wurden schließlich von Badenden eingerahmt.

Während dieser Darbietung schwand bei mancher Dame etwas, die in dem Bewußtsein, modisch gekleidet zu sein, begründete Sicherheit. Nur diejenigen, die die Vorschrift "Abendkleid" falsch aufgefaßt hatten und ein durchsichtiges Nachtgewand trugen, machten sich gar nichts aus Cardin. Sie wollten selbst beachtet sein.

Aber die Beachtung galt den namhaften Gästen des Abends, dem Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz, dem Romy Schneider die Modenschau kommentierte, seiner Frau Heidi Schütz. James Mason, Teddy Staufer, May Spils und Gila von Weitershausen, auch Cliff Robertson, Dieter Borsche, Max Schmeling und nicht zuletzt Heinz Drache. Um zwei Uhr morgens begann das Fest abzubröckeln, aber die, die länger blieben, amüsierten sich dann richtig ausgelassen.

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Horst Zimmermann

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