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1968 im Tagesspiegel: Berliner CDU fordert Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre

Vor 50 Jahren gab es eine lebhafte Diskussion auf dem Landesparteitag der CDU über die Jugend

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 31. März 1968 forderte die Berliner CDU die Herabsetzung des Wahlalters.

Der Landesparteitag der Berliner CDU, der am Sonnabend beendet wurde, hat mit großer Mehrheit beschlossen, auf eine Herabsetzung des Wahlalters in Berlin von 20 auf 18 Jahre hinzuwirken. Die CDU wird über die CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Artikels 26 der Verfassung von Berlin Im Parlament einbringen. Gleichzeitig beauftragte der Parteitag den Landesvorstand, auf dem kommenden Bundesparteitag einen Antrag einzubringen, der die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre für das ganze Bundesgebiet zum Ziele hat. Der Abstimmung war eine lebhafte Diskussion vorausgegangen, in der nahezu alle Redner ein teilweise leidenschaftliches Votum zugunsten der politischen Mündigkeit der jungen Menschen abgaben.

Der Parteitag war am Vormittag mit einem Referat des geschäftsführenden Landesvorsitzenden Schmitz fortgesetzt worden. Er rief die Parteien auf, sich mit aller Deutlichkeit von Gruppen zu distanzieren, die die demokratische Ordnung angriffen. Es sei aber auch Pflicht der Parteien, sich die vorwiegend jugendlichen Kritiker "genauer anzusehen". "Der von ihnen erreichte Solidarisierungsprozeß sollte uns herausfordern." Eine Prüfung der außerparlamentarischen Gruppen würde nach Auffassung von Schmitz ergeben, daß sie in Wahrheit antiparlamentarisch seien.

Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten warf er vor, sie seien ein Meinungsmonopol und verletzten durch teilweise einseitige und falsche Berichterstattung die Fairness, zu der sie verpflichtet seien. Die meinungsbildende Macht des Fernsehens bezeichnete Schmitz als "erschütternd". Man müsse sich noch viel energischer darum kümmern, daß dieses Monopol nicht mißbraucht werde. Zu einer stärkeren Belebung der parlamentarischen Demokratie sei nach Auffassung von Schmitz eine bessere Ausrüstung der Opposition mit personellen und technischen Hilfsmitteln zur Kontrolle der Regierung, notwendig, die sich infolge ihres umfangreichen Beamten-Staates einer unangemessenen Überlegenheit erfreue.

In der Aussprache rügten mehrere Sprecher die Farblosigkeit des Parteitages. Ein Delegierter aus Wilmersdorf erklärte: "Der Verlauf des Parteitages hat Franz Amrehn Recht gegeben, daß er nach Südamerika gefahren ist." Nach Meinung des Delegierten ist ein solcher Parteitag einer der Gründe, warum die junge Generation so unzufrieden mit den Parteien sei. Auch bei der Auswahl ihrer Führungskräfte sei die CDU der Mittelmäßigkeit anheimgefallen.

Zum Thema Vietnam sagte der 2. CDU-Landesvorsitzende, Lorenz, die Berliner CDU müsse zum Vietnam-Krieg eine Stellungnahme veröffentlichen. Lorenz gab jedoch zu bedenken, daß Berlin der ungünstigste Ort sei, um den USA einen Rückzug aus Vietnam zu empfehlen. Zuvor hatte der Charlottenburger Gesundheitsstadtrat, Legien, über die Berliner SPD gesagt, sie habe jetzt ihren Führungsanspruch verloren. Die Berliner SPD sei nicht mehr die Partei, für die sich die Wähler 1967 entschieden hätten.

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