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Eine Szene aus dem ersten Asterix-Zeichentrickfilm "Asterix der Gallier" .

© imago

1968 im Tagesspiegel: "Asterix der Gallier" - eine neue Gestalt des Trickfilms

Vor 50 Jahren wurde die Zeichentrickfigur Asterix zum Filmhelden

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 25. Februar erschien ein Artikel über den Film und die Comicfigur Asterix, den französischen Nachfahren der Mickey Mouse.

Das neueste Filmidol der Franzosen heißt Astérix. Es ist weder ein attraktiver weiblicher Superstar noch ein harter Revolverheld, überhaupt keine menschliche Kreatur, sondern eine Trickfigur. An vielen großen Kinos in Paris und der Provinz prangt das rotbehoste Kerlchen mit gewaltigem Schnauzbart und Flügelhelm. Denn Astérix.ist ein Gallier, "ein kleiner, pfiffiger und blitzgescheiter Krieger, dem alle gefährlichen Missionen übertragen werden". Die großen Füße, dünnen Beinchen und höchst beweglichen Augen verweisen auf das Vorbild: es ist Walt Disneys Mickey Mouse. Begleitet wird der Knirps auf seinen Abenteuern von Obélix, einem elefantendicken, bärenstarken, aber gutmütigen Kerl. Seines Zeichens Steinklopfer, trägt er blauweißgestreifte Hosen, rote Zöpfe, ist etwas einfältig, verrückt auf Wildschweinbraten und immer rauflustig. Wenn Astérix die Kräfte schwinden, bereitet ihm der Druide Panoramix einen stärkenden Zaubertrank.

Das fröhliche Völkchen lebt um 50 vor Christus in einem Dorf der Bretagne, dem einzigen ganz Galliens, das die Römer noch nicht besetzt haben. Ebenso listig wie stark, legen Astérix und Obélix die durch Masse, Technik und Ordnung imponierenden Besatzer immer wieder- herein. So wie man in den schlauen, jeder Lage gewachsenen Galliern unschwer ein ideales französisches Selbstporträt erkennt, so auch in den geprellten Römern Gegner oder unbequeme Partner der jüngeren Zeitgeschichte.

"Astérix der Gallier", erläutert uns der Textautor Rene Goscinny, ist der erste Film, der sich mit den Galliern zur Zeit Julius Caesars beschäftigt. Er tut das auf burleske Art, da die Autoren lediglich unterhalten und eine amüsante Weltgeschichte vorführen wollen. Der Film beruht auf einem Comic-Strip von Goscinny und dem Zeichner Albert Uderzo, mit dessen lawinenartigem Erfolg sich heute Soziologen und andere Wissenschaftler ernsthaft belassen. Man hat ermittelt, daß mindestens jeder vierte Franzose Astérix liest und daß sich unter diesen Lesern genauso viele Erwachsene wie Kinder befinden.

Seit es diesen mit Römerzitaten gespickten Cartoon gibt, hat sich das Interesse am Lateinunterricht in den Schulen nachweislich belebt. 1961 erschien der erste Bildstreifen in einer Jugendzeitschrift. Vier Jahre später war ganz Frankreich vom Astérix-Taumel erfaßt. Funk und Fernsehen nahmen sich des Phänomens an. Die Reklame spannte die Beliebtheit der Gallier für ihre Werbezwecke ein und die Spielwarenindustrie liefert unzählige Nachbildungen für das Haus oder als Automaskottchen.

Von den zehn Astérix-Alben sind bisher acht Millionen Exemplare verkauft worden. Die Geschichte erscheint in acht europäischen Ländern, darunter den deutschsprachigen. Goscinny und Uderzo begründen den Erfolg damit, daß ihr Gallien eine Art Paradies des mittleren Franzosen ist, eine heitere Rückprojektion des gegenwärtigen Frankreich. In den witzig beschrifteten Blasen wie in den turbulenten Szenen selbst wimmelt es von Anspielungen auf heutige Zustände wie die steigenden Preise, die olympischen Spiele, den Kanaltunnel, den schlechten Wohnungsbau und die verstopften Straßen. Weder die Beatles noch das Rugby fehlen, und unsere Helden begeben sich auf eine veritable Tour de France.

Nach dem Erfolg der gezeichneten Saga lockte die Umsetzung in filmische Beweglichkeit. In Zusammenarbeit mit einer Mannschaft von Animateuren und Gag-Technikern entstand der größte französische Zeichentrickfilm in Farben. Auch als Film wurde Astérix ein Kassenschläger. In Paris hatten ihn gleich in den ersten Wochen einige Hunderttausend gesehen. Und dies, obschon "Astérix der Gallier" alle Unvollkommenheiten des Erstlings aufweist. Allzu sklavisch folgte man der Bildaufteilung des Originals. Als Gefangener der Römer rollt Astérix mit Hilfe seines schlauen Druiden das gegnerische Lager sozusagen von innen auf. Die Bewegungen sind vielfach noch steif. Bei starren Rümpfen rühren sich nur flinke Glieder. Auch die gemalten Hintergründe waren etwas monoton.

In den kommenden Filmen soll das anders werden. Schon ist die Leinwandadaptation von "Astérix und Kleopatra" in Vorbereitung, weitere Produktionen sind geplant. Die Bearbeitung wird künftig freier sein, eine Sondergruppe baut spezifisch filmische Gags ein, die Kampfszenen sollen amerikanisches Tempo erhalten. In dem neuen Film ist dafür viel Platz. Kleopatra hat nämlich mit Julius Caesar gewettet, daß sie ihm binnen drei Monaten ein Palais errichten wird. Aus dem fernen Gallien ruft der Baumeister seinen alten Freund Panoramix zu Hilfe, den Astérix und Obélix begleiten. Alle Arbeiter erhalten das Kraftelixier, so daß die Säulen nur so hochschießen. Währenddessen haben unsere Braven mit lokalen Intrigen zu tun. Man sucht sie zu vergiften, lockt sie in das Labyrinth einer Pyramide. Schließlich werden sogar Caesars Legionen gegen sie mobilisiert. Natürlich sind dies keine Hindernisse für die gewitzten Gallier. Denn so, wie es in dieser fröhlichen Welt keine Toten gibt, so gibt es auch immer ein Happy-End, das die heimgekehrten Helden zu Hause beim Wildschweinschmaus feiern.

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Günter Metken

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