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Immer mehr Unternehmen rüsten ihre Flotte auf e-Transporter um.

© Illustration: Jens Bonnke für den Tagesspiegel

E-Mobility in der Stadtlogistik: Lautlose Lieferung

Das Angebot an Elektro-Transportern für die Stadtlogistik ist immer noch dünn - aber die Nachfrage wächst.

Mercedes-Benz plant, 1500 elektrische „Sprinter“ an den Paketdienst Hermes zu liefern – bis 2020. Berlin und Hamburg wollen künftig 200 Elektrobusse bestellen – pro Jahr. Volkswagen will sein Schmuddelimage loswerden und Weltmarktführer der Elektromobilität werden – auch mit Transportern für die Stadtlogistik.

Je weiter man in die Zukunft blickt, desto beeindruckender werden Zahlen und Visionen. Doch beim elektrischen Transport von Gütern und Passagieren ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch größer als auf dem Pkw- Markt. Dort haben die deutschen Hersteller aktuell gut 30 Modelle im Ange bot. Bei Vans, Transportern, leichten Lkw und Bussen haben sie hingegen wenig zu bieten.

Wer sich einen Marktüberblick verschafft, stößt vor allem auf ausländische Hersteller, Anbieter von Umbauten oder auf exotische Nischenmarken. Und auf die Deutsche Post. Sie baut seit 2016 ihren eigenen Lieferwagen „Streetscooter“ in Serie. Der für den Postbetrieb und Lieferverkehr optimierte Transporter soll künftig auch an externe Abnehmer verkauft werden, an Kommunen oder Flottenbetreiber im In- und Ausland. Die Deutsche Post ist – mangels Angeboten der Fahrzeughersteller – zum Autobauer geworden, noch im laufenden Jahr soll eine neue Fabrik eröffnet werden. Kommendes Jahr könnten dann rund 20 000 „Streetscooter“ vom Band rollen – doppelt so viele wie heute.

Die Nachfrage ist offenbar groß, und sie wird wachsen. Denn der zunehmende Online-Handel führt dazu, dass künftig immer mehr Pakete und Postsendungen auf der „letzten Meile“ zum Kunden, also bis vor die Haustür in den Städten, geliefert werden. Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) erwartet, dass im Jahr 2020 in Deutschland fast vier Milliarden Sendungen im Kurier-, Express- und Paketverkehr verschickt werden – knapp eine Milliarde mehr als 2015.

In Stuttgart haben Daimler und Hermes bereits 2016 einen ersten Flottendienst mit e-Nutzfahrzeugen begonnen

Zugleich steigt die Lärm- und Abgasbelastung in den Innenstädten, sodass alternative, klimafreundliche Antriebe attraktiver werden – und werden müssen, wenn immer mehr Städte und Kommunen die Drohung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge wahr machen.

Die Vorbereitungen der Autokonzerne auf dieses Szenario befinden sich bestenfalls in der Startphase. „Es ist noch vieles im Fluss“, beschreibt ein Daimler-Sprecher den aktuellen Stand der Elektro- „Sprinter“-Produktion. Noch sei offen, wo der Transporter produziert werde, womöglich auch im Mercedes-Werk im brandenburgischen Ludwigsfelde. Mitte Mai wolle man sich erst einmal mit Hermes zusammensetzen, um über Stückzahlen und Termine zu sprechen. Anfang 2018 soll es mit Pilot-Einsätzen in Stuttgart und Hamburg losgehen.

In Stuttgart, wo die Luft besonders belastet ist und Diesel-Fahrverbote drohen, haben Daimler und Hermes bereits 2016 einen ersten Flottentest mit Elektro-Nutzfahrzeugen begonnen. Die Stadt setzt noch bis zum Frühsommer vier Sechstonner vom Typ Fuso Canter E-Cell im Betriebsalltag ein, zum Beispiel als Kipper im Straßen- und Landschaftsbau. Noch 2017 will Mercedes außerdem den auf der IAA präsentierten „Urban eTruck“, einen elektrischen 25-Tonner für den Verteilerverkehr, in Kleinserie bauen.

Der Branchenverband BIEK, der die Interessen von GLS, UPS, Hermes, DPD und Go mit einem Gesamtumsatz von 17,4 Milliarden Euro vertritt, bezweifelt, dass die Pilotversuche kurzfristig in den Regelverkehr münden. „Noch ist es für die Branche unwirtschaftlich, konventionell motorisierte Zustellfahrzeuge durch batterieelektrische Fahrzeuge zu ersetzen“, heißt es in einer Nachhaltigkeitsstudie des Verbandes. Zudem sei das Angebot in den Fahrzeugklassen, die für die Zusteller infrage kommen, sehr begrenzt. „Bis zur Marktreife von batterieelektrischen Fahrzeugen bietet die CNG-Technologie (Erdgas) Potenziale für mehr Nachhaltigkeit, insbesondere wenn Bio-Methan verfügbar ist“, schlussfolgern die Autoren. Allerdings sei auch hier die Fahrzeugauswahl dünn.

In Berlin rollen seit 2015 vier E-Busse von Solaris zwischen Hauptbahnhof und Südkreuz

In die Angebotslücken, die die etablierten Transporter-Hersteller lassen, sind derweil kleine Fahrzeugbauer gesprungen. Sie setzen auf Umbauten und Eigenkreationen für ungewöhnliche Zwei-, Drei- und Vierräder. UPS zum Beispiel, einer der weltgrößten Logistiker, lässt seit 2010 seine „Sprinter“-Diesel vom Anbieter Elektro-Fahrzeuge Schwaben (EFA-S) umrüsten. 2016 wurde das 100. Fahrzeug in Paris in die Flotte aufgenommen.

In knapp 30 Projekten wird in Deutschland auch der Einsatz von Elektrobussen erprobt. Ein weites Feld, ist doch der Linienbus das am meisten genutzte Verkehrsmittel im ÖPNV. Unter anderem rollen in Berlin seit 2015 vier E-Busse des polnischen Herstellers Solaris zwischen Hauptbahnhof und Bahnhof Südkreuz. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zählt bundesweit rund 200 Busse mit Diesel-Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellen-Antrieb, die im fahrplanmäßigen Einsatz sind – bei insgesamt gut 78 300 in Deutschland zugelassenen Bussen. Gefördert werden die Anschaffung der Elektrofahrzeuge und die Infrastruktur von Bund, Ländern und der EU.

Nach Meinung von Experten ist die Anschubfinanzierung zu gering. Ein reiner E-Bus kostet doppelt so viel wie ein konventionelles Fahrzeug mit Euro-6-Diesel: rund 700 000 Euro. Hinzu kommen Kosten für Ersatzbatterien, die Umrüstung von Betriebshöfen und Werkstätten sowie für zusätzliches Personal. Konkurrenzfähig ist ein E-Bus so noch nicht. Das zeigen auch Studien, etwa des Öko-Instituts, die die Gesamtkosten verschiedener Antriebsarten vergleichen. Demnach haben batterieelektrische Busse aus wirtschaftlicher Sicht kurzfristig kaum eine Chance gegen Dieselbusse. Selbst unter optimistischen Annahmen würden nach der Studie im Jahr 2020 noch 60 Prozent der Stadtbusse mit Verbrennungsmotor fahren.

Dies könnte sich – wie auch bei den Nutzfahrzeugen – ändern, wenn bei öffentlichen Ausschreibungen verschärfte Lärm- und Emissionsvorschriften gälten. Vorreiter ist London: Bürgermeister Sadiq Khan plant eine „Ultra Low Emission Zone“. So werden von 2020 an Gebühren für Fahrzeuge fällig, die im innersten Stadtzentrum sehr strenge Obergrenzen bei der Schadstoffemission überschreiten.

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