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Demnächst im Parlament. Marine Le Pen – hier im Europäischen Parlament – ist in die französische Nationalversammlung gewählt worden.

© Reuters/Christian Hartmann

Zeitung im Salon am 3. Juli: Diese Frau bleibt gefährlich

Präsidentin ist sie nicht geworden, aber Marine Le Pen wird weiter für Aufregung sorgen: Frankreich-Korrespondentin Tanja Kuchenbecker stellt im Tagesspiegel-Salon ihr Buch über die Chefin des Front National vor.

Ist sie entzaubert, gebannt, geschrumpft? Vor Kurzem noch fürchtete sich ganz Europa davor, dass Marine Le Pen Präsidentin Frankreichs werden könnte. Heute wissen wir: Sie ist zwar in die Nationalversammlung gewählt worden, aber der Front National (FN) kann noch nicht mal eine eigene Fraktion bilden, so wenige Abgeordnete hat er. Müssen wir uns noch mit Marine Le Pen beschäftigen?

Tanja Kuchenbecker lebt seit 1991 in Paris und berichtet für den Tagesspiegel und andere Zeitungen aus der französischen Hauptstadt. Im Februar erschien ihr Buch „Marine Le Pen. Tochter des Teufels. Vom Aufstieg einer gefährlichen Frau und dem Rechtsruck in Europa“ (Herder Verlag, 223 Seiten, 22,90 Euro). Hätte sie besser ein Buch über Emmanuel Macron schreiben sollen?

"Wir sind die Populisten noch nicht los"

„Über Macron kann man noch nicht viel sagen, da kann man nur die Geschichte seiner Familie und seines rasanten Aufstiegs erzählen“, sagt Kuchenbecker. Die Karriere von Marine Le Pen dagegen hat die Journalistin über Jahre mitverfolgt. In ihrem Buch schildert sie nicht nur Le Pens persönliche Lebensgeschichte, sondern auch die Strategie des Front National allgemein und seine Vernetzung mit rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa. In einem ist sich Tanja Kuchenbecker sicher: „Wir sollten uns nicht zu früh freuen. Die Populisten sind wir noch nicht los.“

Am 3. Juli wird Kuchenbecker ihr Buch im Tagesspiegel-Salon vorstellen und mit Albrecht Meier (Hauptstadtredaktion) über die aktuelle politische Lage in Frankreich sprechen. „Viel wird davon abhängen, ob und wie schnell Macron jetzt seine Reformen umsetzen kann“, sagt die Wahlpariserin. „Das wird ein Drahtseilakt.“ Wird er es schaffen, die tiefgehende Spaltung der französischen Gesellschaft zu kitten? Wird er in den Gebieten, in denen der Front National stark ist, Verbesserungen für die Menschen erreichen? Die rechte Bewegung ist stark. „Marine Le Pen wird im Moment nur durch das französische Mehrheitswahlrecht behindert, nur deswegen hat der Front National so wenige Abgeordnete“, sagt Kuchenbecker. „Aber dass sie überhaupt in die Nationalversammlung gekommen ist, ist für sie eine persönliche Revanche: für den Verlust der Präsidentschaftswahl und gegenüber ihrer Familie.“ Denn nun steht sie auf einer Stufe mit ihrem Vater, der sechs Jahre lang Mitglied der Nationalversammlung war, und ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen, die von 2012 bis 2017 Abgeordnete war.

Le Pen propagiert "eine Art FN light"

Die Familie: Ohne sie ist Marine Le Pen nicht zu verstehen. Ihren polternden, offen antisemitischen Vater schloss sie 2015 aus der Partei, die er selbst gegründet hatte, aus. Sie ging auch gegen andere Parteimitglieder vor, die Sympathie für den Faschismus erkennen ließen. Diese „Säuberung“ der Partei verhalf ihr zu ganz neuen Wählerschichten. Selbst jüdische und homosexuelle Franzosen machen inzwischen ihr Kreuz beim Front National, und dessen Positionen sind bis in die bürgerliche Mittelschicht hinein verbreitet.

„Eine Art FN light“ propagiert Marine Le Pen, aber hinter der gehübschten Fassade erkennt Tanja Kuchenbecker noch immer die alten Motive: „Ihre Botschaft ist klar: Schuld sind die anderen – die Flüchtlinge, die Kinder der Einwanderer, das internationale Finanzkapital, die globalen Weltmärkte, die Digitalisierung, ,die da in Brüssel‘. Es geht um die Vorherrschaft der Weißen und gegen Europa. Und es geht gegen die parlamentarische Demokratie, gegen Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und andere liberale Werte.“

Französische Eliten sind weit von der normalen Bevölkerung entfernt

Marine Le Pen spielt mit den Ängsten der Bevölkerung, und das wird ihr leicht gemacht: Die wirtschaftliche Entwicklung in Frankreich ist desaströs, die koloniale Vergangenheit ist wenig aufgearbeitet, die vernachlässigten Vorstädte produzieren soziale und kulturelle Konflikte, und die Eliten sind nach Kuchenbeckers Analyse deutlich weiter von der normalen Bevölkerung entfernt, als das in Deutschland der Fall ist. Ob Politiker, Journalisten, Manager oder Unternehmer: Sie stellen ein „weitgehend geschlossenes System“ dar, das über den Besuch der richtigen Kindergärten, Schulen und Universitäten gespeist werde. „Seiteneinsteiger in der Politik wie hierzulande Sigmar Gabriel, der im Hauptberuf Lehrer war, gibt es in Frankreich so gut wie gar nicht“, schreibt Kuchenbecker. „Deshalb können sich auch viele dieser Elite-Franzosen nur schwer in die Sorgen des ,einfachen‘ Volkes einfühlen. Sie sind ihnen während ihres gesamten Lebenswegs nie begegnet.“

Unter anderem aus diesem Grund ist das neue französische Parlament so eine Überraschung – die Bewegung von Emmanuel Macron setzt auf unverbrauchte Gesichter, auf Mitglieder der Zivilgesellschaft. Es wird für die Journalistin Tanja Kuchenbecker viel zu berichten geben. Und wer weiß? „In zwei, drei Jahren schreibe ich vielleicht ein Buch über Macron.“

BUCHVERLOSUNG

Wir verlosen Exemplare des Buchs. Mitmachen können Sie bis zum 25. Juni unter www.tagesspiegel.de/gewinnen oder per Postkarte an Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin.

Zeitung im Salon mit Tanja Kuchenbecker und Albrecht Meier, Montag, 3. Juli, 19 Uhr, Eintritt mit Sekt, Snack und Live-Musik 16 Euro, Anmeldung hier.

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