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Teilnehmer des Graduiertenkollegs Islamische Theologie sitzen bei einer Veranstaltung im Publikum.

© Manfred H. Vogel/Graduiertenkolleg Islamische Theologie

Wissenschaftlicher Nachwuchs: Erste deutsche Islam-Theologen ausgebildet

Die ersten an deutschen Unis ausgebildeten islamischen Theologen sind fertig. Sie wollen lieber forschen, als ständig ihre Religion zu verteidigen.

Wie lebte eigentlich Mohammed? Und welche Rolle spielt die Religion für islamistische Terroristen? „Experten für alles“ sollen sie sein, die ersten an deutschen Universitäten ausgebildeten islamischen Theologen. Ob sie diese Rolle annehmen? Die Erwartung, dass die universitäre Ausbildung den Islam in Deutschland „sprechfähig“ machen solle, habe sich erfüllt, sagt Katajun Amirpur, stellvertretende Direktorin der Akademie der Weltreligionen der Uni Hamburg.

Die Gefahr sei nur, dass die jungen Theologen „zerrieben werden, wenn sie in die Arena steigen“, warnte Amirpur jetzt bei der Verabschiedung des Graduiertenkollegs Islamische Theologie in Berlin. Die dringend nötige Grundlagenforschung könnte zu kurz kommen.

"Ich bin kein Prophet aus dem Universum"

„In die Arena steigen“ – so fühlt es sich wohl tatsächlich an für die 16 Absolventinnen und Absolventen des von der Mercator-Stiftung geförderten Graduiertenkollegs. 2011 wurde es gleichzeitig mit den vom Bundesforschungsministerium finanzierten universitären Zentren unter anderem in Münster, Erlangen-Nürnberg und Osnabrück gegründet, um den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden. Die Rechnung scheint aufzugehen, die ersten Absolventinnen und Absolventen sind bereits auf Juniorprofessuren berufen worden.

„Ich bin kein Prophet aus dem Universum“, sagte Serdar Kurnaz, Professor für Islamische Theologie an der Universität Hamburg, bei der Berliner Abschlussveranstaltung. Parallel zu seinen Aufgaben in der Lehre und der akademischen Selbstverwaltung arbeitet Kurnaz an seiner Habilitation. Auch er wünscht sich vor allem Zeit für Grundlagenforschung. Dabei wolle er erst einmal klären, in welcher religiösen Tradition er stehe – und erst dann „ins Gespräch gehen“.

Es geht immer nur vorwärts. Weil die Religion ganz einfach da ist, müssen Staat und Gesellschaft damit produktiv umgehen. Einfach nur ablehnen oder den Kopf in den Sand stecken geht nicht.

schreibt NutzerIn Ex-Noergler

Die Basis erhofft sich Unterstützung gegen negatives Islam-Bild

Auch Mouhanad Khorchide, Leiter des jetzt auslaufenden Graduiertenkollegs und Professor für Islamische Religionspädagogik in Münster, sieht sein Fach „noch zwischen einem Selbstfindungsprozess und der Verkündigung von Wahrheiten“. Die islamische Theologie müsse sich mehr dafür öffnen, „Kritik an ihren Überzeugungen diskursiv zu bearbeiten“. Sie neige aber „zur Defensive mit allen Mitteln“. Gleichzeitig sei die erste Generation der Professoren, die die neuen Islam-Standorte aufbauen, „mehr mit organisatorischen als mit inhaltlichen Fragen beschäftigt“. Da wäre es „fatal“, von der islamischen Theologie auch noch zu verlangen, besorgten Bürgern die Angst vor dem Einfluss des Islam zu nehmen.

So viel Geduld bringt die Basis nicht auf, auch das wurde bei der Berliner Diskussion deutlich. Dass die Wissenschaftler davon träumten, sich erst einmal zur Selbstfindung zurückzuziehen, sei zu bequem, kritisierte Lydia Nofal, Berliner Vertreterin des Zentralrats der Muslime. Es gebe in der Gesellschaft ein „sehr negatives und hochproblematisches Bild“ vom Islam. „Wir brauchen die Theologen für diese Diskussion, das müsst ihr schon bringen“, forderte Nofal.

Moscheen fehlen theologisch fundierte Persönlichkeiten

Die muslimische Community habe „großen Mangel an theologisch fundiert ausgebildeten Menschen“. Gebraucht würden Lehrkräfte, Sozialarbeiter – und Imame. Doch wie sich wie die jungen Akademiker auch praktisch qualifizieren können, um in Moscheen tätig zu werden, sei noch ungeklärt, sagte Nofal. Junge Berliner Muslime, die zum Theologiestudium nach Saudi-Arabien gehen, fänden einen direkten Zugang zu den Jugendlichen in den Gemeinden. Diesen im Ausland geschulten Imamen müsse die deutsche islamische Theologie etwas entgegensetzen.

Berlin könnte mehr als vier Professuren bekommen

Den Berliner Personalbedarf soll das geplante Islam-Institut an der Humboldt-Universität (HU) decken. Der Gründungsbeauftragte Michael Borgolte zeigte sich zuversichtlich, dass der Lehrbetrieb bereits mit dem Wintersemester 2018/19 aufgenommen werden kann – früher als zuletzt angenommen. Und schon jetzt besteht die Chance, mehr als die vom Land Berlin bewilligten vier Professuren zu besetzen. Das Bundesforschungsministerium hat unlängst Forschungsprofessuren und Nachwuchsgruppen für die islamische Theologie ausgeschrieben, um die sich der Berliner Standort bewirbt.

Bei den anstehenden Berufungen setzt Borgolte auch auf die Absolventen des Graduiertenkollegs. Mit dessen Auslaufen werde die Doktorandenausbildung an den einzelnen Standorten weitergehen, sagte Wolfgang Rohe, Geschäftsführer der Mercator-Stiftung. Gestartet seien die Kollegiaten als Promovierende „in einem Fach, das es noch gar nicht gibt“. Heute sei man schon viel weiter. Und bei allen Belastungen, die die Etablierung der islamischen Theologie an deutschen Unis mit sich bringe: „Die wissenschaftliche Freiheit ist an der Universität garantiert.“

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