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Gemeinsames Erlebnis. Die meisten Männer haben gute Erinnerungen an die Geburt. Foto: BSIP/Your Photo Today

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Werdende Väter: Papa als Geburtshelfer

Väter im Kreißsaal: Je stärker Männer in das Geschehen einbezogen werden, umso besser fühlen sie sich. Oder ist die beste Freundin die bessere Begleiterin für die Mutter?

Bei der Geburt der eigenen Kinder dabei zu sein ist für die meisten Männer unseres Kulturkreises heute, anders als noch vor wenigen Jahrzehnten, selbstverständlich. Eine belastbare Statistik gibt es für Deutschland zwar nicht, aber wahrscheinlich lassen sich die Zahlen aus Großbritannien gut auf hiesige Verhältnisse übertragen. Dort sind 86 Prozent der werdenden Väter bei der Geburt dabei, von denen, die zu diesem Zeitpunkt mit der werdenden Mutter zusammenleben, sind es sogar 93 Prozent.

Längst sind die Väter im Kreißsaal auch zu einem Thema der medizinischen Forschung geworden. Die Studien befassen sich oft mit naheliegenden Fragen, etwa der Rolle der Väter bei der Entbindung oder nach den Auswirkungen auf die Bindung zum Kind. Seltener geht es darum, wie sich die Männer fühlen, wenn sie die Geburt ihres Kindes hautnah miterleben.

Um diese Lücke zu schließen, wurde 2004 eine Studie an der Klinik für Geburtsmedizin am Campus Virchow der Charité gestartet, bei der 86 Väter ausführlich befragt wurden. Die Ergebnisse der Untersuchung von Kai Bühling, der inzwischen am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf tätig ist, und seiner Kollegin Obaida Awad sind gerade in der Zeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ (Band 71, Seite 511) erschienen.

Die beste Nachricht zuerst: Keiner der befragten jungen Väter bereute nachträglich, die Geburt miterlebt zu haben. Nur einer war nicht sicher, ob er das bei einem weiteren Kind wieder tun würde. Für die positive Sicht der Dinge dürfte wohl entscheidend sein, dass die werdenden Väter sich im Kreißsaal nicht als fünftes Rad am Wagen vorkamen, sondern sich weitgehend nützlich gefühlt haben. 94 Prozent der Befragten gaben jedenfalls an, ihrer Partnerin während der Geburt des Kindes behilflich gewesen zu sein. Das spricht dafür, dass Hebammen und Ärzte der Geburtsklinik sich um die Väter bemüht haben.

Frühere Studien zeigen, dass Väter schlechte Erinnerungen an den Kreißsaal behalten, wenn sie dort keine aktive Rolle übernehmen konnten. Das Personal von Geburtskliniken solle die Partner der Gebärenden in den Geburtsverlauf einbeziehen, „damit die Geburt des Kindes ein positives Erlebnis für beide Elternteile darstellt, das zur Festigung der Vater-Mutter-Kind-Beziehung beitragen und sich somit auch positiv auf die Sexualität des Paares auswirken kann“, folgern die Autoren.

Auch dazu haben sie die Männer befragt; die Hälfte von ihnen war erstmals Vater geworden. Immerhin sechs der 86 jungen Väter äußerten nun, kurz nach der Geburt, die Befürchtung, die Erlebnisse im Kreißsaal könnten sich negativ auf ihr Sexualleben auswirken. Leider wurden sie nicht im Abstand von einigen Monaten zum zweiten Mal zu diesem Thema befragt.

Strikte Gegner der Anwesenheit des Kindsvaters im Kreißsaal wie der Franzose Michel Odent – bekannt geworden als Verfechter der Wassergeburt – argumentieren vor allem mit den Auswirkungen auf das Liebesleben des Elternpaares. „Es kann das Bild der Geliebten beeinträchtigen, wenn Männer ihre Frau in dieser Situation erleben“, gibt auch Friedrich Dreßler, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann, zu bedenken. Damit es nicht so weit kommt, sollten die werdenden Eltern vorher über die Situation sprechen. Kein Paar sollte sich unter Druck gesetzt fühlen, die Geburt des gemeinsamen Kindes auch von Anfang bis Ende gemeinsam zu erleben, sagt Dreßler. „Väter sind immer willkommen, aber universelle Forderungen sind schlecht, es kann auch sinnvoll sein, die beste Freundin oder die Mutter mitzubringen.“ Wer dabei ist, sollte gut darauf vorbereitet sein, dass ihn kein schmerzfreies, sondern ein bewegendes, aber auch belastendes Erlebnis erwartet.

In der Charité-Studie nannten die meisten Männer, die gerade die Geburt ihres Babys miterlebt hatten, als schlimmsten Moment den Zeitpunkt, an dem ihre Frau zu schreien oder zu weinen begann. Andere schlimme Situationen: Wenn Komplikationen auftraten, wenn ungeplant doch noch ein Kaiserschnitt nötig wurde. Eine Studie von der Uni Greifswald hat vor einigen Jahren gezeigt, dass der Schmerzmittelverbrauch höher ist, wenn auch die Väter im Kreißsaal sind. „Wahrscheinlich ist das Ausdruck der Tatsache, dass die Männer für ihre Partnerinnen kämpfen und unbedingt möchten, dass etwas gemacht wird. Sie helfen ihnen allerdings am besten, wenn sie ihre Autonomie stärken“, sagt Michael Abou-Dakn, der die Geburtshilfe im St.-Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof leitet. Dort sind inzwischen 96 Prozent der Väter im Kreißsaal dabei. Einmal im Monat wird für sie im Rahmen der Geburtsvorbereitungskurse auch ein Termin angeboten, an dem die Männer unter sich sind.

In einer Studie hat Abou-Dakn zusammen mit seinem Kollegen Achim Wöckel vor einiger Zeit untersucht, was das bringt: Nach dem Zufallsprinzip haben sie bei 90 von insgesamt 170 Paaren die Männer für eine Gesprächsrunde mit einem männlichen Gynäkologen in einen eigenen Raum geholt. Drei Monate nach der Geburt des Kindes bewerteten diese Männer das Geburtserlebnis besser, die Frauen gaben an, sich hätten sich in den ersten Wochen nach dem großen Ereignis besser unterstützt gefühlt – bei der Säuglingspflege und auch beim Stillen.

Ein Fünftel der für die neue Charité-Studie befragten Männer gaben übrigens an, es habe während der Entbindung überhaupt keinen schlimmen Moment gegeben. Für 80 Prozent der Befragten stand von vornherein fest, dass sie die Geburt ihres Kindes miterleben wollten. Drei der Männer gaben an, sie seien allein auf Wunsch ihrer Partnerin mit in den Kreißsaal gekommen.

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