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Johanna Wanka, Bundesbildungsministerin.

© Wolfgang Wilde

Wankas Bilanz: Experiment im vierten Jahr

Wenig Zuständigkeiten, zweckgebundene Etats: Bundesbildungsminister müssen sich durchsetzen können. Johanna Wanka fiel das schwer

"Obacht, wenn Sie von dieser Ministerin überholt werden“, titelte unlängst die „Welt“. Als einzige Bundesministerin bestehe Johanna Wanka darauf, ihren Dienstwagen selbst zu fahren: „Besonders mag die 66-Jährige Tempo auf langen Strecken.“
Rasant am Steuer eines großen BMW – so sieht sich die CDU-Politikerin selbst bestimmt gerne. Allerdings: Auf der politischen Langstrecke, der Legislaturperiode, war Wanka nicht besonders häufig auf der Überholspur unterwegs. Andere, auch Parteifreunde, ließen sie einfach stehen – oder Wanka bremste sich selbst aus.
Bildungsminister(innen) haben es in den Kabinetten von Bund und Ländern ohnehin nicht leicht. Und die im Bund haben eine besonders undankbare Aufgabe: Für die Schule haben sie kaum Zuständigkeit. Und geht es um Hochschulen, müssen immer alle 16 Länder zustimmen. Außerdem kann das Bundesbildungsministerium trotz seines gewaltigen Etats – in Wankas Amtszeit wuchs er um fast vier Milliarden Euro auf 17,6 Milliarden Euro – keine großen Sprünge machen. Denn ein Großteil des Geldes ist an große Programme gebunden.
Jedoch hat Wanka zwei Vorgängerinnen, die trotz der Umstände bildungspolitische Spuren hinterließen: Annette Schavan (CDU) und Edelgard Bulmahn (SPD). An ihnen muss Wanka sich messen lassen.
Bulmahn brachte das milliardenschwere Ganztagsschulprogramm auf den Weg, außerdem die Aufsehen erregende Exzellenzinitiative für Universitäten und den Pakt für Forschung und Innovation, der den außeruniversitären Forschungseinrichtungen über Jahre hinweg finanzielle Zuwächse sichert. Und Schavan stellte im Angesicht einer riesigen Studierendenwelle den Hochschulpakt für hunderttausende neuer Studienplätze auf die Beine. Zur Erforschung der großen Volkskrankheiten rief Schavan an der Helmholtz-Gemeinschaft neuartige Gesundheitszentren ins Leben, in Berlin startete sie das innovative Berlin Institute for Health (BIH).

Über das Bafög entschieden andere - und gegen Wankas Willen

Und Wanka? Als nach der letzten Bundestagswahl die Posten im Kabinett verteilt wurden, lief keineswegs alles zwingend auf sie zu, wie aus Koalitionskreisen berichtet wird: „Sie war nicht gesetzt, weil klar war, dass sie weniger bringt als Schavan.“ Wanka war schon im alten Kabinett ein Dreivierteljahr lang Bundesbildungsministerin gewesen, nachdem Schavan wegen ihres Plagiatsskandals zurückgetreten war. Hätte CSU-Chef Horst Seehofer nicht unbedingt Alexander Dobrindt das Verkehrsministerium überhelfen wollen, wäre Dobrindt Bundesbildungsminister geworden. So aber konnte Wanka, vorher Wissenschaftsministerin in Niedersachsen und davor in Brandenburg, im Amt bleiben. Doch gleich die erste bedeutsame bildungspolitische Entscheidung der Koalition im Mai 2014 wurde von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ohne Wankas Mittun und gegen ihren Willen eingefädelt: Der Bund nahm den Ländern ihre Kosten für das Bafög ab. Wanka wollte, dass die Länder die frei werdenden Mittel nur für die Hochschulen und nicht auch für Schulen und Kitas ausgeben. Aber eine entsprechende Vereinbarung konnte sie nicht aushandeln. So ermahnte sie die Länder in strengen Briefen, nur die Hochschulen mit dem Geld zu beglücken – eine merkwürdig sinnlose Aktion. „Schavan war zehnmal politischer“, sagt dazu ein Insider: „Sie hat die Settings viel früher erkannt.“ Schlechter noch lief es für Wanka, als die Regierungschefs im vergangenen Herbst über den Länderfinanzausgleich verhandelten. Finanzminister Schäuble weigerte sich, den Ländern einfach über mehr Umsatzsteuerpunkte einen Blankoscheck auszustellen. Darum einigte er sich mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann auf ein großes Schulsanierungsprogramm im Umfang von 3,5 Milliarden Euro und auf die dazu nötige Grundgesetzänderung. Wanka war an dieser bedeutenden Einigung nicht beteiligt. Vielleicht erlitt sie damit das für Bildungsminister(innen) typische Schicksal. Doch warum bloß nutzte Schäuble die Gelegenheit nicht dazu, in dem Beschluss Wankas Vorstoß zu einem Digitalpakt für die Schulen zu verankern? Das hätte auf der Hand gelegen.

Beim Digitalpakt zeigt ihr der Finanzminister die kalte Schulter

Denn nur wenige Tage zuvor hatte Wanka viel mediale Aufmerksamkeit für ihre Idee bekommen, die schulische IT-Ausstattung mit fünf Milliarden Euro zu modernisieren. Wanka musste allerdings auch erklären, das Geld dafür noch nicht zu haben. Schäuble hätte den Digitalpakt also leicht als Unterpunkt des Schulsanierungsprogramms festhalten können. Stattdessen ignorierte er seine Parteifreundin und Kabinettskollegin. Überliefert ist seine Bemerkung, Wankas Digitalpakt sei „nicht etatreif“. So steht in den Sternen, ob die Mittel für den Pakt in der nächsten Legislaturperiode in den Haushalt eingestellt werden und ob aus Wankas Vorstoß mehr wird als ein PR-Gag.
Auch bei dem neuen Nachwuchspakt, mit dem der Bund 1000 Professuren finanzieren und die Weichen für planbarere Karrierewege an den Unis stellen will („Tenure track“) , soll Wanka außen vor gewesen sein: „Ohne die Unionsfraktion hätte es den Pakt nicht gegeben“, sagt der Insider. Die Fraktion, nicht Wanka, habe den Kompromiss mit der SPD erzielt und das von Wanka als überflüssig empfundene Projekt auf den Weg gebracht. „Mit Wanka ist ein politisches Tauschgeschäft kaum möglich“, meint der Kenner. „Rechthaberisch“ und „spitz“ sei sie. Der Behauptung, Wanka habe den Nachwuchspakt nicht gewollt, widerspricht allerdings der damals involvierte CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer: „Wanka fand das Programm immer gut. Mit dem Tenure track wird sie in die hochschulpolitische Geschichte eingehen.“
Wanka stand in der Legislatur vor der Situation, dass ihre dynamischen Vorgängerinnen große Themen bereits abgeräumt hatten. Allerdings fiel in Wankas Amtszeit die Verlängerung der Exzellenzinitiative. Dabei stand eine für das Wissenschaftssystem maßgebliche Entscheidung an: Wie elitär soll Deutschlands Uni-Spitze mittelfristig sein?

"Fleißige Verwalterin des Erbes"

Bislang gab es zwölf „Exzellenzunis“. Die Unionsfraktion wünschte sich mittelfristig aber nur noch drei bis fünf. Das soll auch Wankas Meinung gewesen sein. Öffentlich war davon aber nichts zu erkennen. Wanka hüllte sich in Schweigen, mit dem Argument, sie wolle dem Gutachten der Experten-Kommission nicht vorgreifen. Am Ende einigten sich Bund und Länder auf elf Exzellenzunis – und Wanka wirkte führungsschwach. Die wohl tiefgreifendste hochschulpolitische Maßnahme der Legislaturperiode ist die Änderung des Artikels 91b im Grundgesetz. Sie macht es dem Bund möglich, Hochschulen nicht nur über befristete Programme, sondern auch dauerhaft zu fördern. Dafür hat Wanka sich immer starkgemacht. Die Entscheidung ist auch ihr Erfolg. Mit dem geänderten Artikel haben sich Wanka so viele Gestaltungsräume im Hochschulwesen eröffnet wie noch keiner anderen Bundesbildungsministerin. Umfassend genutzt hat sie das aber nicht. Nur die Exzellenzunis sollen auf Dauer gestellt werden. So bleibt unklar, warum Wanka unbedingt mehr Bundesmöglichkeiten wollte. Was hat Wanka erreicht? „In der Hochschulpolitik muss der Bund vorangehen. Das hat Frau Wanka gemacht“, bilanziert der CDU-Abgeordnete Kretschmer. Und Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, lobt Wanka für die Verständigung über die Exzellenzstrategie, für die Einführung des Tenure tracks und für ihren Einsatz für die Fachhochschulen. Hubertus Heil, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, meint sogar: „Diese Koalition hat für Bildung und Forschung sehr viel erreicht, mehr als jede vor ihr.“ Doch er fügt hinzu: „Nicht immer stand Frau Wanka dabei von Anfang an in der ersten Reihe.“ Letztlich habe sie als „fleißige Verwalterin des Erbes ihrer beiden Vorgängerinnen“ agiert.

Wanka ließ die SPD bildungspolitisch aufkommen

Heil ist in der Legislaturperiode durch ständige Ermahnungen an Wanka aufgefallen. Kaum ein Monat verging, in dem er sie nicht zu mehr Action aufforderte: „Wanka muss jetzt auch mal kämpfen.“ Ohne Rücksicht auf die Koalitionsnettikette betätigte sich Heil geradezu als Gegenminister, indem er regelmäßig große bildungspolitische Vorschläge der SPD präsentierte – einen großen „Zukunftsvertrag“ für die Hochschulen, eine neue „Bildungsallianz“ oder massenhaft neue Studienplätze in der Medizin. Dass die SPD-Fraktion so unternehmungslustig erscheinen konnte, hat Wanka zugelassen. Wie weiter? Nicht alles, was Wanka und die Union erwägen, wird den Hochschulen gefallen. Die Absicht, den außeruniversitären Einrichtungen noch höhere Zuschüsse zu gewähren, aber nicht in die Grundfinanzierung der Hochschulen einsteigen zu wollen, könnte die Schieflage zwischen beiden Bereichen weiter verstärken. Ebenso wie Wankas Idee, die besten Studierenden und Doktoranden in außeruniversitären „Max Planck Schools“ zu konzentrieren. Auch Gedankenspiele, Geld an Hochschulen zu transferieren, wenn sie ihre Qualität in der Lehre nachgewiesen haben, vielleicht über das Siegel einer neuen „Akkreditierung plus“, dürfte die über Bürokratisierung stöhnenden Hochschulen nicht beglücken. Ob Wanka auch in der nächsten Legislaturperiode weitermacht? Sie selbst hat für sich eine Entscheidung getroffen. Wie sie ausgefallen ist, sagt die Ministerin nicht.

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