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Durchlöchert. Kaum einer der Höhlenbewohner hatte gesunde Zähne.

© I. De Groote

Vorfahren mit schlechten Zähnen: Bereits die Jäger und Sammler hatten Karies

Ärger mit schlechten Zähnen gibt es offenbar länger als Forscher bisher dachten. Ausschlaggebend für Karies ist demnach kohlehydratreiche Kost - und die wurde bereits vor dem Beginn des Ackerbaus verzehrt.

Mit dem Ackerbau kam die Karies, dachte man bisher. Erst als die Menschen vor etwa 12 000 Jahren ihre Ernährung umstellten, fühlten sich Kariesbakterien im Mund des Menschen wohl. Die Erreger verwerten Kohlenhydrate und setzen dabei Säure frei, die die Zähne angreift. Doch jetzt konnten britische Archäologen nachweisen, dass bereits einige Jäger und Sammler massiv unter Karies litten. Die Forscher analysierten 14.000 bis 15.000 Jahre alte Zähne von Menschen, die sich vor allem von Eicheln und anderen Samen und Früchten wild wachsender Pflanzen ernährten. Der Anteil kariöser Zähne war bei ihnen ähnlich hoch wie bei Bewohnern heutiger Industriestaaten, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal „PNAS“.

„Unsere Ergebnisse stehen im Widerspruch zur verbreiteten Ansicht, dass hohe Kariesraten kennzeichnend für Ackerbaukulturen sind“, schreiben Louise Humphrey vom Naturhistorischen Museum in London und ihre Kollegen. Sie untersuchten 52 menschliche Kiefer aus einer marokkanischen Höhle, der „Grotte des Pigeons“ bei Taforalt, die steinzeitlichen Jägern und Sammlern als Wohn- und Begräbnisstätte diente. Die Zähne waren nicht nur sehr stark abgenutzt. 51 Prozent der Zähne zeigten typische Zeichen von Karies. Nur drei der Erwachsenen hatten gar kein Karies. Eine derart schlechte Zahngesundheit war bisher nur von sesshaften Menschengruppen bekannt, die Ackerbau betrieben. Bei diesen sind 2 bis 48 Prozent der Zähne an Karies erkrankt, bei Jägern und Sammlern wurden bisher Werte zwischen 0 und 14 Prozent ermittelt.

Zahlreiche pflanzliche Überreste aus der Höhle gaben Aufschluss über die Ernährung der Bewohner. Sie aßen hauptsächlich Eicheln der Steineiche Quercus ilex und Pinienkerne der Seekiefer Pinus pinaster. Daneben fanden sich Spuren von wild wachsenden Hülsenfrüchten, wildem Hafer und Pistazien. Alle diese Nahrungsmittel sind reich an Kohlenhydraten. Aus der Reifezeit der Früchte schließen die Archäologen, dass die Höhle zumindest vom späten Frühjahr bis zum Herbst bewohnt wurde. Da aber Eicheln und Pinienkerne als Vorrat gelagert werden können, wäre auch ein längerer Aufenthalt über den Winter denkbar. Das systematische Sammeln und Lagern wild wachsender pflanzlicher Nahrung könnte also diese Menschen noch vor Beginn des Ackerbaus für längere Zeit sesshaft gemacht haben.

Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass die Menschen die essbaren Eicheln in unreifem Zustand gesammelt und nach Trocknung gelagert haben. Zum Verzehr wurden sie entweder zermahlen oder als Ganzes gekocht. Vor allem der Konsum der Eicheln dürfte zur Ausbreitung der Karies beigetragen haben, vermuten die Forscher. Die Früchte enthalten nicht nur Stärke, sondern auch Zucker, dessen Gehalt während der Lagerung noch zunimmt. Eine daraus zubereitete gekochte Speise wäre zum einen gut verdaulich. Zum anderen blieben klebrige Reste an den Zähnen hängen, so dass sich Milchsäurebakterien wie der Karieserreger Streptococcus mutans vermehrt und den Mund dauerhaft besiedelt haben könnten. Wahrscheinlich haben sich dann im Lauf der Zeit aggressivere Erreger entwickelt, die bei engem Kontakt der Höhlenbewohner leicht übertragbar waren und eine schnelle Ausbreitung ermöglichten. Joachim Czichos (wsa)

Joachim Czichos

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