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Eine Abbildung der Lungenflügel, rot abgesetzt gegen Brustkorb und Bauchregion.

© Imago

Unterschätzte Gefahr: Eine Lungenembolie wird leicht verkannt

Nicht selten werden die Anzeichen falsch gedeutet. Die Folge: Die Krankheit wird verschleppt.

Auf dem Tennisplatz hat Peter Klar (Name geändert) ungewohnte Beschwerden. Klar, 45 und eigentlich ein trainierter Sportler, kann nicht gut durchatmen. Er schiebt das auf schlechte Kondition. Schmerzen im Unterschenkel deutet er als Muskelzerrung. Nach zehn Tagen geht er doch zum Arzt. Die „Zerrung“ entpuppt sich als Thrombose (Blutpfropf) im Unterschenkel, die Konditionsschwäche als Lungenembolie. In der Kernspinaufnahme des Brustkorbs sind fingerdicke Blutgerinnsel zu erkennen, die zwei Lungenschlagadern verstopfen.
Peter Klar hat Glück. Eine sofort eingeleitete Behandlung der Blutgerinnsel mit dem „Blutverdünner“ Heparin ist erfolgreich. Anders ist es Philipp Mißfelder ergangen. Der CDU-Politiker starb mit 35 Jahren am Montag an einer Lungenembolie. Ein Tod aus heiterem Himmel.
Zwar führt nicht jede Thrombose zu einer Embolie, doch ist Letztere ohne Erstere kaum denkbar. Denn die Ursache einer Lungenembolie ist fast immer ein Blutpfropf in einer Bein- oder Beckenvene. Betroffen sind die tiefen Venen. Oberflächlich sichtbare Krampfadern haben mit einer Beinvenenthrombose meist wenig zu tun. Ein allmählich in einem Venengefäß „gewachsenes“ Blutgerinnsel kann sich losreißen und wird dann mit dem Venenblut in die rechte Herzkammer geschwemmt.
Von hier gelangt der Blutklumpen, medizinisch Embolus genannt, in die Lungen und bleibt in einer Schlagader hängen. Je größer er ist, umso größer der Schaden. Man schätzt, dass das Risiko, an einer unerkannten Lungenembolie zu sterben, bei bis zu 30 Prozent liegt.
Auf den der Berliner Pathologen Rudolf Virchow (1821–1902) geht angeblich die „Virchow-Trias“ zurück, drei Ursachen einer Thrombose: gestörter Blutfluss (das Blut „steht“, statt zu strömen); verletzte Gefäßinnenhaut (etwa durch eine Entzündung); erhöhte Gerinnungsneigung (etwa durch verdicktes Blut).

Blut gerinnt, wo es nicht gerinnen soll: Mitten im Körper

Normalerweise besteht ein fein austariertes Gleichgewicht zwischen Blutgerinnung und -verflüssigung. Das mit Sauerstoff und Nährstoffen angereicherte Blut muss noch in den feinsten Verästelungen der Kapillaren fließen. Zugleich sollen verletzte Blutgefäße zuverlässig durch einen Pfropf „abgedichtet“ werden. Bei einer Thrombose ist diese Balance aus dem Lot. Das Blut stockt dort, wo es nicht gerinnen soll – mitten im Körper, mitten in einem Gefäß.
Inzwischen kennen die Mediziner viele Faktoren, die das Thromboserisiko erhöhen. Meist kommen mehrere Ursachen zusammen. Unterschieden werden „erworbene“ und angeborene, genetische Thrombosegefahren. Zu Letzteren gehört eine Faktor-V-Leiden-Mutation. Sie erhöht das Risiko eines Blutpfropfs. Bei Peter Klar liegt eine solche genetische Veränderung vor. Mit gerinnungshemmenden Marcumar-Tabletten beugt er nun einem Thromboserückfall vor.
Besonders hoch ist das Thromboserisiko nach großen Operationen und bei schweren Verletzungen, die das Gerinnungssystem verrückt spielen lassen. Auch Krebserkrankungen, Infektionen, Schwangerschaft, Medikamente, Bettlägerigkeit, Darmentzündungen und Nierenleiden können die Gefahr erhöhen. Langes und unbewegliches Sitzen, etwa auf Fernflügen, gilt ebenfalls als Risikofaktor. Es ist also ratsam, auf langen Flügen öfter umherzugehen.

Eine ausgeprägte Lungenembolie verursacht starke Schmerzen und Luftnot und ist sicher festzustellen. Kleinere Lungenembolien dagegen werden nicht selten vom Arzt verkannt oder vom Patienten verschleppt, berichtet Dietrich Andresen, Herz- und Gefäßspezialist an der Evangelischen Elisabeth-Klinik in Berlin. „Die Patienten haben oft nur etwas Luftnot, später kommt es dann zu einer massiven Lungenembolie“, sagt Andresen. Paradox: Während die rechte Herzkammer überlastet ist, weil sie gegen einen hohen Widerstand in der „verstopften“ Lunge ankämpft, kommt in der linken Herzkammer zu wenig Blut an. Die „Unterforderung“ lässt den Blutdruck absacken. Behandelt wird mit „Blutverdünnern“, Mitteln zur Kreislaufstärkung und Infusionen.

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