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Porträt George Turner

© Mike Wolff

Turners Thesen: Nicht alle brauchen einen Hofstaat

Statt Professuren mit wissenschaftlichen Mitarbeitern auszustatten, sollte man lieber mehr Professuren schaffen, meint unser Kolumnist George Turner, Wissenschaftssenator a.D.

In der Hochschulpolitik fühlt man sich gelegentlich wie in Theodor Storms Märchen vom „kleinen Häwelmann“: mehr Studenten, mehr Professoren, mehr Geld, mehr, mehr, mehr …

Mehr Professoren waren erforderlich, um mehr Studierende auszubilden. Aber im „Begleitprogramm“ wurden auch mehr Mitarbeiterstellen eingerichtet. Das führte zunächst zu mehr Promotionen, in der Folge zu einem Anstieg von Habilitationen. Die so Qualifizierten erhoffen sich Professorenstellen, die es nicht gibt. Schon geistert der Begriff des akademischen Prekariats nicht nur durch die Flure der Hohen Schulen. In der Tat sieht es in bestimmten Fächern nicht gut aus für Nachwuchswissenschaftler, die eine feste Position im Hochschulbereich anstreben.

Die reflexartige Reaktion der Politik besteht üblicherweise darin, ein „Programm“ mit einem passenden Namen aufzulegen. So etwas kann aber immer nur die akute Lage entkrampfen; das Grundsatzproblem wird meist nicht erkannt, geschweige denn gelöst.

Zwanghaft versuchten manche, "Schüler" zu generieren

Mit der Abschaffung der sogenannten Ordinarienuniversität hat man zwar die Alleinvertretung der Professoren der höchsten Besoldungsklasse beendet, nicht aber das Lehrstuhlprinzip. Dies bedeutet, dass einer Professur Mitarbeiter zugeordnet werden, eben auch wissenschaftliche Mitarbeiter. Für bestimmte Fächer und auch mit Rücksicht auf große Zahlen von Studierenden bedurfte es einer solchen Ausstattung. Nicht bei allen neuen Stellen für Professoren aber war es zwingend, Stellen für einen „Hofstaat“ vorzusehen. Dahinter standen auch Prestigegründe: Man wollte möglichst so dastehen wie frühere Professorengenerationen. Gelegentlich wirkte es zwanghaft, selbst Mitarbeiter zum Dr. zu geleiten und Habilitanden als „Schüler“ zu generieren – mit der Folge einer Überproduktion.

Richtiger wäre gewesen, einen Teil neu geschaffener Professorenstellen ohne zusätzliches Personal einzurichten, nach dem Motto: „selber forschen“. So sind auch bei dem jetzt akuten Problem die Konsequenzen einer Hochschulpolitik festzustellen, die in der Regel nur auf ein gerade akutes Anliegen geblickt hat (seinerzeit: zu wenig Professoren) und nicht bedachte, was aus getroffenen Maßnahmen folgt. Leidtragende sind dann die, die sich auf das Abenteuer einer wissenschaftlichen Laufbahn eingelassen haben. Sie sind qualifiziert. Stellen, auf die sie berufen werden können, aber fehlen.

Die Lösung: (noch) mehr Stellen? Folgen: mehr Nachwuchs. Der kleine Häwelmann wäre beinah im Mee(h)r untergegangen, wenn man ihn nicht aus dem Traum geweckt hätte.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de. Von George Turner soeben erschienen ist das Buch „Salzburger, Ostpreußen. Integration und Identitätswahrung“, eine Darstellung der aus dem Land Salzburg ausgewanderten Protestanten in der Zeit von 1732 bis 1944/45. Berliner Wissenschaftsverlag, 128 Seiten, 19,95 Euro.

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